Das Leben mit einem kiloschweren Trauerherzen zu bestreiten, stellt wohl eine der größten Herausforderungen dar, die das Leben für uns Menschen bereithält. Zu trauern bedeutet, mit einer ganzen Bandbreite schmerzhafter Gefühle konfrontiert zu sein. Trauernde haben daher oftmals das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Es scheint so, als würde alles zerbrechen und nichts mehr zusammenpassen.
Es scheint so, als würde alles zerbrechen und nichts mehr zusammenpassen.
Reaktionen, die vollkommen natürlich sind, wenn wir zum Beispiel eine geliebte Person verloren haben oder uns ein anderer Schicksalsschlag widerfahren ist. Ein selbstfürsorglicher Umgang kann eine große Hilfe dabei sein, den holprigen Weg der Trauer gut bestreiten und durchzustehen zu können.
Es gibt keine gute oder schlechte Trauer
Einige, die bereits getrauert haben oder aktuell trauern, haben sich wahrscheinlich schon einmal die Frage gestellt: „Ist die Art und Weise, wie ich trauere, eigentlich (noch) normal?“. Die Antwort auf diese Frage lautet: Beim Trauern gibt es kein Richtig oder Falsch. Deshalb gibt es auch keine gute oder schlechte Trauer. Trauerprozesse sind so individuell und komplex, wie wir Menschen es sind.
Problematisch ist vielmehr unsere Leistungsgesellschaft, in der die Trauer kaum Platz findet.
Problematisch ist vielmehr unsere Leistungsgesellschaft, in der die Trauer kaum Platz findet. Denn wir leben nun mal in einer Gesellschaft, in der Trauer schnellstmöglich überwunden werden muss. Dabei ist es doch die irrationale Vorstellung, permanent funktionieren zu müssen, und nicht die Trauer, die es zu überwinden gilt. Genau deshalb ist es während eines Trauerprozesses umso wichtiger, Verständnis für sich selbst und seine Trauer zu haben und selbstfürsorglich zu handeln.
„Selbstfürsorge“ – ein Trendbegriff?
Zugegeben: Der Begriff „Selbstfürsorge“ wirkt teilweise schon etwas abgenutzt. Viele verbinden ihn mit einem entspannenden Schaumbad bei Kerzenlicht oder einem ausgiebigen Spaziergang in der Natur. Doch: Sich um sich selbst gut zu sorgen bedeutet so viel mehr als das. Auch wenn gelebte Selbstfürsorge inzwischen zu einem Hype und einer Art Geschäftsmodell geworden ist, kann sie mit einer Heilsalbe für ein verwundetes Trauerherz verglichen werden.
Auch wenn Selbstfürsorge inzwischen zu einer Art Geschäftsmodell geworden ist, kann sie mit einer Heilsalbe für ein verwundetes Trauerherz verglichen werden.
Denn im Endeffekt geht es vor allem darum, während einer hochgradigen Belastungssituation auf sich Acht zu geben und sich das eigene Leben nicht noch schwerer zu machen, als es ohnehin schon ist. Das gelingt natürlich nicht immer, was vollkommen menschlich ist. Doch selbst wenn es nur hin und wieder gelingen sollte, dann ist das schon weitaus mehr als nichts.
Wie kann Selbstfürsorge während eines Trauerprozesses aussehen?
Es gibt kein Patentrezept, das konkret Auskunft darüber gibt, wie man während eines Trauerprozesses selbstfürsorglich handelt. Denn wir alle ticken nun mal anders und haben unterschiedliche Bedürfnisse.
Wichtig ist vor allem, eine riesengroße Portion Verständnis für sich selbst zu haben. Denn Trauernde müssen einen schweren Rucksack auf ihrem Rücken tragen. Jeden Tag. Und das oft über (viele) Jahre hinweg. Die Haut ist dadurch bei vielen Betroffenen wesentlich dünnhäutiger und die Belastungsgrenze deutlich schneller erreicht. Sich dieser Tatsache immer wieder bewusst zu werden, schafft mehr Platz für ein Selbstmitgefühl und verringert gleichzeitig Selbstabwertungen.
Wichtig ist, eine riesengroße Portion Verständnis für sich selbst zu haben.
Das kann zum Beispiel schon damit anfangen, dass man sich nicht dafür verurteilt, wenn man zum gefühlt 100. Mal seinen Liebsten absagen muss, weil die Trauer einen ganz plötzlich wie ein Panzer überrollt. Das gilt ebenso für das gegenteilige Szenario: Wer besser damit zurechtkommt, sich überwiegend abzulenken und die Trauer nur hin und wieder als Gast „willkommen zu heißen“, hat ebenso ein Verständnis von sich selbst verdient. Das Wichtigste dabei ist, dass es sich stimmig anfühlt und die Trauer nicht verstärkt.
Es gibt verschiedene Bewältigungsstrategien
Wir alle nutzen verschiedene Bewältigungsstrategien, um mit belastenden Situationen klar zu kommen. Das ist auch total in Ordnung so. Die Trauer sollte nur nicht dauerhaft zu einem ungebetenen Gast werden, denn sonst nimmt sie irgendwann Anlauf und stürmt mit voller Wucht durch die verschlossene Tür, was wiederrum zu psychischen und/oder körperlichen Krankheiten führen kann.
Selbstfürsorge bedeutet auch, sich selbst etwas Gutes zu tun. Das eigene Leben, so gut es geht, mit farbvollen Momenten zu füllen. Das kann ein tröstendes Gespräch, eine große Portion Eis mit Sahne, ein schöner Ausflug oder ein bisschen Faulenzen sein. Ganz egal, was es auch ist – die Hauptsache ist, dass es das schwere Trauerherz ein wenig leichter werden lässt. Denn auch wenn es sich oftmals nicht danach anfühlt: Trauer und Lebensfreude schließen sich nicht aus.
Auch wenn es sich oftmals nicht danach anfühlt: Trauer und Lebensfreude schließen sich nicht aus.
Balsam für die Trauer kann so vieles sein. Das kann bedeuten, nach Hilfe zu fragen oder diese anzunehmen. Dinge zu tun, die einen glücklich machen. Selbstmitgefühl zu haben. Sich Zeit zu geben und geduldig zu sein. Den Druck rauszunehmen. All das ist Selbstfürsorge.
Die Trauer als Lehrmeisterin
„Trauer ist so viel mehr als tiefschwarze Dunkelheit. Ganz häufig leuchtet sie, wie ein heller Sternenhimmel, den Weg, um zu zeigen, was im Leben wirklich zählt.“
Trauer zeigt deutlich auf, was im Leben zählt und worauf es wirklich ankommt.
Die Trauer ist eine wahrhaftige Lehrmeisterin. Durch sie definieren sich Werte und Prioritäten neu. Sie zeigt deutlich auf, was im Leben zählt und worauf es wirklich ankommt. Trauer lässt uns wachsen und weiterentwickeln. Diesen Prozess zu durchleben und den Weg der Trauer zu bestreiten, fühlt sich oft wie ein entsetzlicher Weg an. Doch es lohnt sich, ihn zu gehen. Schritt für Schritt.
Mirjas Leidenschaft ist das Schreiben. Auf ihrem Instagram-Account taucht sie in ihre bunte Gefühls- und Gedankenwelt ein und bloggt über Themen wie Trauer, Ängste und (Selbst-)Liebe. Sie träumt von einer Gesellschaft, in der offener und verständnisvoller mit dem Thema Trauer umgegangen wird. Mirjas Papa wurde durch einen Unfall zu einem schweren Pflegefall. Seitdem bestreitet sie den Weg der Trauer und möchte ihre Erkenntnisse, die sie auf diesem Weg gewonnen hat, mit anderen Menschen teilen.
Headerfoto: cottonbro studio (Kategorie-Button hinzugefügt.) Danke dafür!