Wenn das Gedankenkarussell nicht stillsteht und dem inneren Kompass die Richtung fehlt

„Geht es dir gut?“ fragt mich ein Bekannter gutgelaunt im zufälligen Vorbeigehen auf der Straße standardmäßig, weil man das eben so macht, wenn man sich begegnet. „Nein“ lautet meine knappe, aber klare Antwort und ich muss schon wieder mit den Tränen kämpfen, wie so oft in letzter Zeit.

Er ist kurz verwirrt, ob dieser ehrlichen aber doch nicht ganz gesellschaftsfähigen Antwort. Wir gehen weiter unserer Wege, in entgegengesetzter Richtung. Schließlich haben wir beide was zu erledigen und ich bin ohnehin momentan gefühlt nur auf der Flucht.

Der Gedanke, dass es mehr als höchste Zeit ist, mein aktuelles Chaos zwischen Herz und Kopf zu Papier zu bringen, drängt sich mir immer stärker auf. Ich weiß schließlich, dass das der beste Weg für mich ist, den Verarbeitungsprozess zu starten.

Gefühlt komme ich nicht vor und nicht zurück

Mir geht es nicht gut. Fünf kurze Worte mit so viel Macht und Aussagekraft. Ich stehe an einem Punkt im Leben, an dem sich eigentlich alles ändern sollte, an dem ich alles ändern wollte. Ich dachte, ich hätte einen Plan. Hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Segel neu zu setzen und endlich in Richtung Erfüllung zu starten.

Mir geht es nicht gut. Fünf kurze Worte mit so viel Macht und Aussagekraft. Ich stehe an einem Punkt im Leben, an dem sich eigentlich alles ändern sollte, an dem ich alles ändern wollte. Ich dachte, ich hätte einen Plan.

Meine Hand lag locker auf dem Steuerrad und ich stand da und wartete, dass wir Fahrt aufnehmen. Doch plötzlich stand meine innere Windmaschine auf Flaute. Und so stehe ich hier und bewege mich nicht. Gefangen in meiner Panik vor einer ungewissen Zukunft und vom Selbstzweifel getrieben, komme ich gefühlt nicht vor und nicht zurück.

Zurück will ich auch gar nicht. Zumindest eine Sache, der ich mir sicher bin. Oder doch nicht? Wohin es gehen soll, das verschließt sich mir neuerdings komplett. Ich treibe dahin auf meinem Seelenmeer, merke, wie das Schiff sich drehen und wieder zurückfahren will. Mein Griff in das Steuerrad ist mal mehr, mal weniger beherzt.

Oft bin ich versucht es einfach loszulassen. Soll mein Schiff doch drehen und zurück in den sicheren Hafen fahren. Dann zweifle ich wieder, packe das Steuer fest mit beiden Händen und versuche mit aller Macht, dagegen zu halten. Nur weiß ich nicht, in welche Richtung ich das Schiff lenken soll und so verharren wir mehr oder weniger auf der Stelle.

Die Kompassnadel in meinem Herzen dreht sich hin und her und wirkt schon richtig genervt von meiner weinerlichen Unentschlossenheit.

Warum kann mir nicht einfach jemand sagen was mich glücklich macht?

In meinem Kopf dreht sich ein Karussell. Mal schneller, mal langsamer. Mit jeder Drehung rückt ein anderes Pferdchen in meinen Fokus. Ist es das, was mein Herz zum Hüpfen bringt? Ich fixiere es, versuche es in seiner gesamten Form zu erfassen, es mit meinem inneren Auge festzuhalten und das Karussell so zum Stillstand zu bringen.

Jedes Mal richtet sich mein innerer Kompass hoffnungsvoll darauf aus, wünscht sich, endlich eine Richtung angezeigt zu bekommen. Doch schon im nächsten Moment dreht sich das Karussell weiter, verschwindet das Pferdchen fröhlich auf und ab wippend aus meinem Sichtfeld und das nächste rückt nach, um meinen inneren Blick auf sich zu lenken. Dieses Spiel wiederholt sich fortlaufend.

Es gibt viele Dinge, die ich wirklich gut kann. Es gibt auch Dinge, die ich weniger gut kann. Und was ich gerade vor allem so gar nicht kann, ist, an mich und meine Fähigkeiten zu glauben.

Es gibt viele Dinge, die ich wirklich gut kann. Es gibt auch Dinge, die ich weniger gut kann. Und was ich gerade vor allem so gar nicht kann, ist, an mich und meine Fähigkeiten zu glauben.

Dass andere eine Gänsehaut bekommen, wenn sie meine Texte lesen, dass andere meine Fitnesskurse lieben, weil ich eine positive Atmosphäre schaffe, in der sie sich wohlfühlen und Spaß haben, dass andere meine Genauigkeit, Klarheit und schnelle Auffassungsgabe in der Zusammenarbeit schätzen, das alles zählt nicht für meinen inneren Kritiker.

Und es sorgt vor allem dafür, dass ich mich erst recht nicht entscheiden kann, was ich mit meinem Leben anfangen möchte. Ich höre nur auf das, was ich im Außen wahrnehme und verschließe die Ohren vor meinem Inneren, weil ich mir selbst und meinem Urteilsvermögen nicht über den Weg traue.

Warum kann mir nicht einfach jemand sagen „mach das. Darin bist du gut. Vergiss alles andere, dann wirst du glücklich“ und dann tritt das auch so ein?

Warum kann mir nicht einfach jemand sagen „mach das. Darin bist du gut. Vergiss alles andere, dann wirst du glücklich“ und dann tritt das auch so ein? Weil das Leben so nicht funktioniert. Es ist kein Wunschkonzert, in dem man ohne Entscheidungen treffen zu müssen und ohne einen Tropfen Schweiß zu vergießen, ohne Fehler zu machen und auch mal zu scheitern ans Ziel kommt und die Lorbeeren genießen kann.

Wachstum kostet Kraft. Wachstum ist anstrengend und ja, Wachstum tut manchmal auch scheiße weh. Das gilt für das mentale Wachstum genauso wie für das körperliche.

Es liegt an mir die Angst und Ungewissheit auszuhalten

Mein Umfeld glaubt an mich und mein Potenzial. Jetzt liegt es an mir, die Angst und Ungewissheit auszuhalten, dem Prozess zu vertrauen und nicht aufzugeben. Darauf zu vertrauen, dass das alles einen Sinn hat, auch das Negative, und dass es dazu gehört, wenn ich über mich und meine Komfortzone hinauswachsen möchte.

Mein Umfeld glaubt an mich und mein Potenzial. Jetzt liegt es an mir, die Angst und Ungewissheit auszuhalten, dem Prozess zu vertrauen und nicht aufzugeben.

Ich bin gespannt, wann das Karussell zum Stillstand kommt, meine innere Kompassnadel sich zufrieden seufzend auf einen Richtung einpendelt und wir uns wieder auf den Weg machen. Anfangs vielleicht nur mit einer leichten Brise im Nacken, aber das ist ok. Jeder fängt mal klein an.

HerzKopfPapier ist rheinische Frohnatur mit brasilianisch-ostpreußischen Wurzeln und relativ neue Wahl-Berlinerin. Sie schreibt, weil ihr Herz was zu sagen hat. Ihr Kopf versucht, das zu Papier zu bringen. Nur sind sich Herz und Kopf nicht immer einig, Papier aber zum Glück geduldig. Und manchmal kommt dann was Gutes dabei raus, das sie nur zu gerne in die Welt trägt. Ihr Geld verdient sie als Presentation Designer und macht PowerPoint-Präsentationen für andere hübsch und einprägsam. Zum Leben braucht sie zudem Sport, Musik und Liebe, denn nichts geht ohne Liebe. Ach ja: Und Schokolade. Mehr von HerzKopfPapier findet ihr auf ihrer Webseite.

Headerbild: Karolina Grabowska (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

1 Comment

  • Hey!
    Was für ein Text, ich fühle mich angesprochen. Mir geht es sehr oft genau so. Ich weiß nicht wohin, und weiß nicht was mich glücklich macht – eigentlich weiß ich es doch – und dann wieder nicht. Ich bin unschlüssig in dem was ich mit meinem Leben anfangen will und wo es hingehen soll. Dieser Innere Kampf zerreißt mich manchmal und macht mich hoffnungslos und wütend und traurig. Aber ich versuche die Hoffnung nicht aufzugeben irgendwann anzukommen. Vielleicht gibt es aber auch kein ankommen und ich muss damit meinen Frieden finden.
    Liebe Grüße!

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