Es ist einer der schlimmsten Sätze. „Ja, ich mag dich auch. Aber nicht so.“ Erst werden meine Füße kalt, dann meine Hände, mein Herz und schließlich der ganze Rest. Weil ich mich aufs Eis gewagt habe, aber es hat nicht gehalten.
Hals über Kopf
Einige Wochen zuvor, im Norden von Myanmar, in der staubigen Hitze einer Trekking-Tour: Es hat nur wenige Stunden gedauert, dann war es um mich geschehen. Plötzlich war der Boden unter meinen Füßen weg und ich stürzte kopfüber ab. Der Grund dafür war dieser Typ mit dem schrägen Humor, der Gitarre und dem breiten Grinsen, das mir die Knie weich werden ließ.
Jan, der eigentlich anders heißt und mit dem ich im Rahmen der Wanderung die nächsten 3 Tage auf engstem Raum verbringen würde. War er in meiner Nähe, war ich mir sicher, dass jeder Mensch auf der Welt mir direkt vom Gesicht ablesen konnte, wie es in mir aussah. Neben ihm fing ich an zu strahlen wie die Sonne.
Auch nach Ende des Trekkings blieben wir in Kontakt. Er in Hamburg, ich noch immer in Asien, schrieben wir uns weiterhin täglich und jeden Morgen beschleunigte sich mein Herzschlag, wenn seine Nachrichten das erste waren, was ich nach dem Augenöffnen sah. Ich habe Wochen gebraucht, um alles in mir zusammenzusammeln, was an Mut vorhanden war und hab es ihm gesagt.
„Ganz ehrlich; ich kriege dich nicht mehr aus dem Kopf. Ich glaube, ich verliebe mich in dich!“ Und dann die Antwort, die ich nicht hören wollte. Jan ist nicht in mich verliebt. Und das tat schon verdammt weh.
Einfach zur nächsten Option übergehen
Aber beinahe noch schlimmer war die Reaktion vieler Freunde, von denen ich mich anschließend mit meinem schmerzenden Herz trösten lassen wollte. Anstatt Trost gab es aber den immer wieder gleichen Ratschlag, der sicher ehrlich gut gemeint war. „Okay, nun hast du Gewissheit. Such dir einfach den Nächsten!“
Moment …was?! Klar, wir leben in den Zeiten von Tinder und Generation beziehungsunfähig, hab ich durchaus mitbekommen. Aber gleichzeitig frage ich mich doch, wann wir diese radikale Kehrtwende gemacht haben von „Den/Die Eine(n) oder Keine(n)“ zu „Es gibt auch andere Fische im Meer“, aber dann in Variante Massenfischfang. Sind wir mittlerweile so weit, dass Gefühle nur noch eine solche Untiefe erreichen, dass sie bei Nichterfolg gleich am nächsten Tag einfach abgeschüttelt werden können?
Lauwarm statt heiß und kalt
Wie genau das abläuft, kann ich sehr regelmäßig sozusagen aus nächster Nähe beobachten. Mein Kumpel, der für diesen Text Jakub heißen soll, ist ziemlich aktiv in Dating Apps. Zwar benutzt er nicht Tinder, sondern Bumble, die zumindest dem Konzept nach etwas weniger oberflächlich ist, weil die Nutzer auf etwas in der Profil-Beschreibung reagieren müssen, um überhaupt Kontakt miteinander aufnehmen zu können.
In den knapp 18 Monaten, die ich Jakub nun kenne, hatte er eine ganze Reihe von Dates. Manche führten zu einvernehmlich-unverbindlichem Sex, mit einer Frau hatte er eine Zeit lang ein Freundschaft-Plus-Verhältnis. Nur, für keine der Frauen stand er in Flammen. Nicht einmal ein kleines Flämmchen war zu sehen. Keine Spur von feuchten Händen oder strahlendem Gesicht, wenn eine neue Nachricht der Person auf dem Display erschien.
Als die Geschichten dann endeten, zeigte sich, wenn überhaupt, nur ein verletztes Ego, weil sie jemand anderen gefunden hatte, aber ein angeknackstes Herz bestimmt nicht.
Keine Spur von feuchten Händen oder strahlendem Gesicht, wenn eine neue Nachricht der Person auf dem Display erschien.
Ein weiteres Beispiel ist Martin, ein langjähriger Freund von mir, der auch nicht so heißt. Vor einigen Jahren verliebte er sich im Urlaub in eine Frau. Nach der Reise fuhr er wöchentlich Unmengen an Kilometern, nur um Zeit mit ihr zu verbringen, schrieb Massen von Nachrichten und wollte überhaupt nicht mehr aufhören, von ihr zu reden. Er hat sicher gefühlte Stunden damit verbracht, mir davon vorzuschwärmen, was sie tut, wie sie aussieht, was sie sagt, was sie will. So sieht jemand aus, der sich rettungslos verliebt hat.
Heute ist er allerdings mit einer anderen Frau zusammen und als er sie mir vorstellte, bekam ich wirklich nur die knappsten Informationen über das Kennenlernen und ihren Beruf. Auf meinen skeptischen Einwand, dass er weniger begeistert wirke als mit der vorherigen Frau, gab er auch ganz offen zu: „Ja, begeistert bin ich auch nicht.“ Und trotzdem sind die beiden nun schon beinahe zwei Jahre zusammen.
Trauen, sich zu verlieben
Klar kann man Liebe nicht erzwingen. Sich verlieben ist keine aktive Entscheidung und manchmal kann es passieren, dass man eben gar nichts fühlt, so gerne man es auch möchte. Aber ist dann die logische Konsequenz, dass wir als Kompromiss eben einfach das nehmen, was verfügbar ist, anstatt das, was wir wollen? Ich habe Zweifel, dass sich dadurch die Chance erhöht, etwas zu finden, wo wirklich Herzklopfen involviert ist.
Ist Verliebtsein wirklich der Teil unseres Lebens, wo wir Kompromisse machen wollen? Scheinbar reichen Beziehungen heute nicht nur nicht mehr von glühend heiß bis eiskalt, sondern pendeln sich einfach nur bei lauwarm ein. So verbrennen wir uns nicht, erleiden aber auch keine Erfrierungen. Wenn wir dann irgendwann irgendwie gar nichts mehr fühlen, dann ist das ja scheinbar immer noch besser als Herzschmerz.
Ich teile nicht die naive Vorstellung von dem einen Menschen fürs Leben, aber ich bin überzeugt, dass es für das Jetzt den Einen oder die Eine gibt. Diese eine Person, wo das Herz sagt: „Ja, bitte! Den/Die und keine/n andere/n.“ Eine aktive Entscheidung, ein bewusstes Wollen, anstatt nur eines resignierten Schulterzuckens und eines „ja, okay, dann eben halt den/die“.
Schließlich will ich ja auch genau das Gleiche von dem Mann, der an meiner Seite ist. Ich will nicht seine Option sein, nicht diejenige, die eben gerade praktischerweise verfügbar war, sondern genau die eine, die alles ist, was er in diesem Moment will. Die, für die er brennt.
Können wir wieder nach dem Feuerwerk suchen und dem Gefühl, dass unsere Welt gerade mit einem Knall aus den Angeln gerissen wurde, dass wir tief und fest geschlafen haben und jetzt endlich wieder wach sind, weil wir plötzlich unser Herz spüren?
Können wir also bitte wieder versuchen, für andere in Flammen zu stehen und verrückt nach jemandem zu sein – so richtig mit feuchten Händen, Tagträumen und schlaflosen Nächten? Können wir wieder nach dem Feuerwerk suchen und dem Gefühl, dass unsere Welt gerade mit einem Knall aus den Angeln gerissen wurde, dass wir tief und fest geschlafen haben und jetzt endlich wieder wach sind, weil wir plötzlich unser Herz spüren?
Können wir uns wieder trauen, uns soweit auf jemanden einzulassen, dass der/diejenige das letzte ist, woran wir vor dem Einschlafen denken und das erste nach dem Aufwachen? Können wir mutig sein, uns so zu verlieben, dass wir sein/ihr Gesicht in jeder Menschenmenge sehen und seine/ihre Stimme in unserem Kopf hören? Und selbst, wenn wir uns dabei die Finger und noch mehr verbrennen oder Erfrierungen zweiten Grades bekommen, so fühlen wir dabei doch mehr, als wenn es nur Körpertemperatur wäre.
Ich für meinen Teil wage mich bis dahin einfach weiter aufs Eis. Irgendwann wird es ja vielleicht mal halten.
Headerbild: Elijah M. Henderson via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt und zugeschnitten.) Danke dafür!
Danke!
Den Ratschlag „vergiss ihn, andere Mütter haben auch schöne Söhne“ hab ich auch schon zur Genüge gehört, und dabei innerlich immer geschrien „aber ich will keinen anderen! Ich will ihn! Ich bin verliebt und ich kann das doch nicht einfach abschalten!“