Neulich war es soweit, der Datingmarkt war von mir komplett durchgespielt. Zumindest in Berlin. Ich hatte mich auf diversen Onlineplattformen angemeldet und sie hatten mich alle wieder ausgespuckt – ein wenig müder, älter und weniger idealistisch als zuvor. Hatte ich vor zwei Jahren noch den Eindruck, mir stünde die Welt offen, fand ich mich nun mit Anfang/Mitte dreißig in einer Situation wieder, die einem Wühltischangebot gleichkommt.
Ich war nicht mehr gefragt. Meine Vergangenheit spielte sicherlich eine genauso große Rolle wie der Fakt, nun mehr denn je zu wissen, wer ich war, wo ich hinwollte und was ich unter Garantie nie wieder brauchte. Eigentlich bin ich nämlich nun in einer sehr gesunden monogamen Beziehung mit mir selbst angelangt. Ich fühle mich, zumindest geduscht und geschminkt, schöner als je zuvor.
Ich besitze mehr geistige Reife, einen soliden Wissens- und Erfahrungsschatz und bin gesellschaftsfähig. All dies spielt aber online kaum mehr eine Rolle. Denn während wir Frauen uns vermutlich mit zunehmendem Alter häufiger nach der eierlegenden Wollmilchsau umsehen, schauen die Herren eben tatsächlich öfter auf das Alter oder – wie es ein gar nicht so guter Freund von mir mal beschrieb – „Verfallsdatum“.
Während wir Frauen uns mit zunehmendem Alter nach der eierlegenden Wollmilchsau umsehen, schauen die Herren – wie es ein gar nicht so guter Freund von mir mal beschrieb – auf das „Verfallsdatum“.
Es machte mich also auch nicht stutzig, dass ich den Regler bei achtundzwanzig bis fünfundvierzig ansetzte, meine männlichen Freunde nach unten hin offenblieben und nach oben hin trennscharf Grenzen setzten. Zweiunddreißig, Maximum.
In diesem Alter ist die Wahrscheinlichkeit groß, einer Frau zu begegnen, die vielleicht bereits Kinder hat, aber es ist ebenso gut möglich, eine Frau zu treffen, die einer Karriere den Vorzug gab. Es ist möglich, einer Frau zu begegnen, die sich selbst noch als Girly bezeichnet und auf Instagram leichtfüßig zwischen fünfzehn verschiedenen Filtern wählt, oder eine Frau, die sich jetzt bereit fühlt, in den Hafen der Ehe zu steuern.
Alles ist möglich – für den Mann.
Tatsache jedoch ist, dass all meine intelligenten, schönen – innerlich, wie äußerlich –, witzigen und charakterstarken Freundinnen alle wieder oder noch Single sind. Insbesondere diejenigen unter ihnen, die die dreißig bereits geknackt haben. Ein Schelm, wer dabei Schlüsse zieht.
Sie gehen auf Dates, wenn sie denn überhaupt noch soweit kommen und treffen auf den immer gleichen Typ Mann. Single, gepflegt, WG-Bewohner und verkorkst. Ein Mann zum Verlieben.
Und auch, wenn sie sich dann auf das Spielchen einlassen, auf dem berühmten Corona-Spaziergang durch den Herbst schlendernd sachte seine Hand berühren, hinterher abwägen, ob Sex beim ersten Date schlampig oder aufregend wirkt, führt der nächste Tag oft unweigerlich mitten in die kalte, trostlose Realität zurück. Hier wird die Tür wieder verschlossen, der Liebe keine Chance gegeben und der Frau klar zu verstehen gegeben: Dieser Mann steht einfach nicht auf dich. Er steht nicht auf dich, weil du zu viel bist, zu sehr, zu nahe.
Er steht nicht auf dich, weil du zu viel bist, zu sehr, zu nahe. Eine Lösung scheint sich daher in den letzten Jahren etabliert zu haben: die offene Beziehung oder Polyamorie.
Eine Lösung scheint sich daher in den letzten Jahren etabliert zu haben: die offene Beziehung oder Polyamorie. Natürlich gilt das nicht für jede Frau und es gibt auch ganz klar viele Formen, Abstufungen und Möglichkeiten der Ausgestaltung, aber gerade auf Datingsapps wie Tinder und Bumble finden sie sich wieder – die Frauen, die Sorge haben, überhaupt niemanden mehr abzukriegen und sich daher nun auf gewagte Spielchen mit dem anderen Geschlecht einlassen.
Ist der Fuß nämlich erst einmal in der Tür, kann man ja nachverhandeln, wohin die Reise geht. Also bieten sie sich nun für die Öffnung der Beziehung, des Herzens, der Beine und letztlich eben auch der Liebe an. Geteiltes Leid ist schließlich noch immer halbes Leid und Freude vermehrt sich bekanntlich immer auch nur dann, wenn man sie teilt.
Ist der Fuß erst einmal in der Tür, kann man ja nachverhandeln, wohin die Reise geht.
Widersprüche, wohin man sieht. Diese Strategie mag bewusst oder in absoluter Hoffnungslosigkeit gefahren werden, aber sie gibt der Liebe wieder einen Dämpfer und dem Typ Mann, der sich sowieso nie binden wollte, wieder Macht.
Sie gibt der Frau das Gefühl, etwas erreicht zu haben, nämlich ihn zu ködern, aber in Wahrheit ist es ein trügerisches Herumgedoktere, bei dem Versuch, eine Partnerschaft einzugehen.
Während da draußen nämlich wirklich viele gute Gründe existieren, warum sich eine offene Beziehung für den einen oder die andere lohnt, gibt es leider auch eine Million schlechte und faule Kompromisse, die nur geschlossen wurden, damit sich überhaupt jemand auf einen einlässt.
Schluss mit Polyamorie und Datingapps!
Die Angst des berüchtigten Mannes vor zu viel Alltag, zu wenig Neuerungen und mit einem Bein ständig zum Absprung bereit. Wir erleichtern sie hiermit. Sie müssen sich nicht weiter mit sich selbst auseinandersetzen.
Wir nehmen ihnen die Chance, eine Herausforderung zu meistern und – jenseits der derzeit so populären Annahme – sich täglich zu amüsieren, neuzuerfinden und Kompromisse zu verweigern, sich einfach auch mal wieder fallen zu lassen, mit allem, was eben dazugehört.
Meine Single-Freundinnen und ich haben inzwischen begriffen, dass uns eine App wohl keine große Liebe beschert. Zumindest nicht aktuell. Zumindest nicht in Berlin. Wir sind damit fein, denn der Druck, die Konkurrenz direkt im eigenen Bett zu riechen, zu wissen und sich niemals ganz sicher zu fühlen, ist es uns nicht mehr wert. Wir führen nur noch polyamouröse Beziehungen zu Ben und Jerrys. Denn wenn (einige) Männer Klischee können, können wir das schon lange!
Headerfoto: Gemma Chua-Tran via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!
Ich habe hier viel suntext rausgelesen und ich denke auch, dass das ganze mit ein bisschen augenzwinkern gelesen werden darf.
Ein bisschen spass muss sein! 🙃
Scheinbar hat die Autorin das Prinzip der offenen Beziehung (und Kommunikation) nicht ganz verstanden. Sie sieht sie lediglich als ein „Lockmittel“ und denkt, dass andere diese Beziehungsform auch eigentlich nur benutzen, um sich nicht zu binden.
Richtig ist, die offene Beziehung oder gar Polyamorie ist nicht für jeden geeignet, das hat aber wenig mit dem von der Autorin beschriebenen Punkten zu tun sondern vielmehr damit zu tun, dass die wenigsten überhaupt in der Lage sind, so offen, ehrlich und respektvoll zu kommunizieren, wie es für eine solche Beziehung nötig ist.
Die offene Beziehung wird ausschließlich als „fauler Kompromiss um nicht alleine zu sein“ abgestempelt. Dabei sind insbesondere Menschen, die dieser Beziehungsform zugeneigt sind an besonders intensiven und ehrlichen und auch langfristigen Beziehungen interessiert und es geht nicht darum, mit „einem Bein stets im Absprung zu sein“ oder so viele Partner wie möglich zu haben.
Der Artikel bedient daher eigentlich ausschließlich typisches Klischeedenken und die festgefahrene Meinung der Autorin, nicht aber eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Beziehungsform.
Sehr enttäuschend geschrieben! Vielleicht sollten lieber mal die eigenen Muster reflektiert werden bevor man die Gründe immer bei den anderen oder gar bei komplexen Beziehungsformen sucht 😉
Der Artikel klang so verlockend, allerdings finde ich es sehr schade wie einseitig das komplexe Thema der offenen Beziehung behandelt wird. Man kann eigentlich gar nicht von „behandeln“ als solchem sprechen, die Autorin vertritt eine klare Meinung, hat sich aber wenig bis gar nicht mit den vielen verschiedenen Möglichkeiten und Arten der offenen Beziehung auseinandergesetzt, zumindest erwähnt sie davon nichts. Eine möglichst objektive Darstellung des komplexen Themas wäre schön um Neulingen informierte Denkanstöße zu geben.