„Nichts läge mir ferner, als um einen Mann zu betteln“, sagte ich, während ich um einen Mann bettelte, der mich gerade verließ. Und danach würde ich es auch noch ein paar Mal tun, ihm damit den Abstand verweigern, den er für sich einforderte, und mich schließlich komplett verloren haben. Mich und sämtlichen feministischen Stolz.
Als ich das sagte, servierte er mich zum zweiten Mal in drei Wochen ab. Das ist so hart, dass ich ihn hätte rausschmeißen und zur Hölle schicken müssen. Stattdessen habe ich bitterlich geweint und ihn am Tag danach bedrängt, zurück zu kommen, um mich zu trösten.
Wenn ich jetzt auf die Situation zurückschaue, weiß ich nicht, wer ich da gewesen bin. Und als wäre das nicht schlimm genug, lasse ich euch gerne ein weiteres Detail dieser demütigenden Trennung wissen. Zum krönenden Abschluss musste er noch weitere 45 Minuten Zeit aufbringen, ein benutztes Menstruationsschwämmchen aus mir zurück zu holen, weil ich es aus Verzweiflung, es nicht rauszubekommen, erneut bitterlich zu weinen anfing.
Er kniete angestrengt über mir, seine Finger auf der Suche nach dem verlorenen Menstruationsschwämmchen irgendwo kurz vor Muttermund.
Er kniete also angestrengt über mir, die ich dalag und die Absurdität der Situation nicht fassen konnte, seine Finger auf der Suche nach dem verlorenen Menstruationsschwämmchen irgendwo kurz vor Muttermund. So ließ ich mir den letzten Rest geben oder nehmen und zwar den letzten Rest Würde.
Zwar hat diese Geschichte bisher in meinem Freund:innenkreis den Preis der schlimmsten Schlussmach-Momente gewonnen, aber ehrlich gesagt rücken alle meine Freundinnen mit ähnlichen Erfahrungen raus. Eine Freundin hielt ihren Ex am Bein fest, damit er nicht aus der Tür gehen konnte. Ein Freund schrieb manisch einen Haufen Liebesbriefe, warf sie in ihren Briefkasten und brach sich dann fast den Finger, als er versuchte, die Briefe doch wieder rauszuziehen.
Nachts haben wir alle unsere Ex-Freund:innen angerufen, ihnen fünf oder zehn WhatsApp-Nachrichten geschickt, sind ihnen absichtlich über den Weg gelaufen. Die Sicherungen brennen durch, wenn wir mit Verlust konfrontiert werden.
Warum haben wir nach einer Trennung das Gefühl, uns zu verlieren?
Wer verlassen wird, sucht sich das meistens nicht aus. Es passiert etwas mit uns, über das wir keine Kontrolle haben und das Geschehen überwältigt uns. Wir fühlen uns handlungsunfähig. Mit dieser Ohnmacht beginnt das Betteln, das Kämpfen – auch wenn wir rational wissen, dass es nichts bringt. Eine Trennung erschüttert den Selbstwert. Die ganze Bestätigung von außen, die Liebe und die Absicherung sind auf einmal verloren.
Ich zum Beispiel fühlte mich nach diesem Abgang wie die wertloseste Person der Welt. Vermutlich lag das daran, dass ich mein Selbstwertgefühl durch dieses rabiate Ende nicht stabil halten konnte. Ich verlor mich selbst. Damit meine ich – ich verlor aus den Augen, was ich an mir mag, was wichtig für mich ist und dass ich keinen Fehler gemacht hatte. Ich gab mir nach diesem Abend keine Mühe mehr, meine Gesundheit aufrecht zu erhalten.
Ich fühlte mich nach diesem Abgang wie die wertloseste Person der Welt.
Als wäre das nicht genug, macht unser Gehirn die ganze Trennung noch viel schlimmer. Körperlich sind wir auf Entzug. Das ganze schöne Dopamin bleibt aus. Vorher absolute Liebesjunkies, können wir nur hoffen, dass die Entwöhnung zügig verläuft. Ich schäme mich heute manchmal dafür, so gebettelt zu haben, um jemanden, der mich nicht gut behandelte. Aber Schuld an dieser Reaktion trage ich keine.
Vor dieser Erfahrung hatte ich Freundinnen immer sehr rabiate Liebeskummerratschläge gegeben: Blockieren, Nummer löschen, nicht mehr mit ihm sprechen. Niemals, niemals, niemals Hoffnung haben! Und dann war ich plötzlich die Verletzte und nicht mehr Superwoman.
Das habe ich gelernt: Liebeskummer darf man nicht bagatellisieren. Genauso groß, wie er sich anfühlt, ist er auch. Eine Trennung kann eine traumatische Erfahrung sein, eine echte Krise auslösen. Ich hatte großes Glück mit einem Umfeld, das mich auffing, mir meine Liebenswürdigkeit wieder in Erinnerung rief und mich davon abhielt, ihn nach jedem Albtraum anzurufen.
Dann kommt wieder Licht an
Den Mann sah ich bis jetzt nicht wieder. Aber das Menstruationsschwämmchen. Ich hatte es in der Nacht im Tränenschleier nicht in den Müllbeutel, sondern daneben geworfen. Es klebte ein paar traurige Wochen unbemerkt in meiner Wohnung, genau wie die Hoffnung, dass er zurückkäme, in meinen Gedanken klebte. Angewidert zog ich es von der Mülleimerwand und betrachtete das Schwämmchen-Ebenbild dessen, wie ich mich gefühlt hatte. Dann brachte ich es raus, direkt in die Tonne. Ich warf es weg und damit auch den Kummer. So erholte ich mich.
Wenn eine Sache völlig sicher ist über Trennungsschmerz, dann ist es diese: Er wird besser. Er wird auf jeden Fall besser.
Headerfoto: Yuris Alhumaydy via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefüg.) Danke dafür!