Ich war fünfzehn oder sechszehn, die Zahnspange war weg, die Unsicherheit noch da. Meine Hand zitterte, als ich den Reißverschluss des Zeltes aufzog, ich war mir sicher, gleich würde etwas passieren, bestenfalls etwas Sexuelles.
Im Zelt war es anders, unsere Hüftknochen stießen nicht gegeneinander, sie berührten sich nicht einmal. Der Junge zupfte mehrmals am neu gefärbten Irokesenschnitt, später bewarfen wir uns mit Chips und versuchten, richtige Akkorde auf der Gitarre zu spielen. Dann lagen wir neben- und nicht aufeinander, die Chipskrümel stachen in meinen Rücken, aber ich traute mich nicht, mich zu bewegen. Ich dachte, ich könnte meinen Herzschlag hören, so laut und heftig, dass das Zelt davon vibrierte.
Ich dachte, ich könnte meinen Herzschlag hören, so laut und heftig, dass das Zelt davon vibrierte.
So lagen wir da, die Sprache steckte in meinem Hals, ich war mir sicher, das Sprechen verlernt zu haben. Dann vergaß ich meine verlernte Sprache und sah nur noch unsere Brustkörbe, die sich synchron hoben und senkten. Nichts von dem, was ich sagen oder tun wollte, war real geworden, aber dieser Moment – dieses gemeinsame Ein- und Ausatmen – ich schenkte ihm dieselbe Bedeutung.
Geweckt wurden wir von Gejohle und dem Geruch von zu viel billigen Deo. Ich sah in pickelige Jungsgesichter, fand meine Sprache wieder, sagte Sätze wie „Ihr nervt!“ und stolperte aus dem Zelt. Ich lief ins Zelt meiner Freundinnen, rollte mich auf der Luftmatratze, die schon seit dem ersten Abend schlapp war, zusammen. „Was ist passiert?“ fragten die Freundinnen, die eine mit runden Augen, die andere mit Zähneknirschen. Nichts, sagte ich, das Zähneknirschen meiner Freundin löste sich, das mit der Atmung konnte ich ihr nicht beschreiben.
Ich bin über zwanzig, aufgerissene Kondompackungen liegen auf den Holzdielen, Weinflaschen stehen auf dem Nachtschrank. Ich kann nicht schlafen.
Ich bin über zwanzig, aufgerissene Kondompackungen liegen auf den Holzdielen, zwei Weinflaschen stehen auf dem Nachtschrank. Ich kann nicht schlafen, aus meinen Augen laufen Tränen, die ich an der Bettwäsche abtrockne. Dann denke ich an schwarze Spuren auf weißen Lacken, an verlaufene Wimperntusche und verquollene Augen am Morgen.
Es geht mir schlecht, aber so schlecht, dass ich meine Eitelkeit vergesse, geht es mir nicht. Vielleicht, denke ich, habe ich in dieser Beziehung ohnehin zu viel von meiner Eitelkeit aufgegeben – nicht äußerlich, innerlich. In meinen Kopf stehe ich auf, gehe mit schmutzigen Füßen ins Badezimmer und wische mir das Schwarz aus den Augen. In meinem Kopf packe ich meine Zahnbürste ein, während in der Realität weitere Wimperntuschentränen ins Laken sickern.
Es geht mir schlecht, aber so schlecht, dass ich meine Eitelkeit vergesse, geht es mir nicht.
Ich will aufstehen, aber ich finde meine Beine nicht. Probeweise bewege ich meinen Arm, dann fahren seine Fingerspitzen meinen Arm entlang und ich verfluche seinen Radar dafür, kurz bevor ich gehen will, das Richtige zu tun. Er zieht mich enger an sich, ich rieche Schlaf und Wärme und es ist schön. Und trotzdem, ich kann nicht mehr, loving you is so fucking exhausting.
Doch etwas will ich ihm noch geben, etwas, von dem nur ich die Bedeutung kenne, etwas, das Frauenzeitschriften und Freundinnen nichts sagt. Ich lausche seinem Atem, den leisen Schnarchgeräusch, ich rieche seine Wärme, dann geht sein Atem in meinen über, Atem-Gleichklang. Einen Moment gebe ich ihm noch.
Headerfoto: Anthony Tran via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Bild gedreht.) Danke dafür!