„Ich habe nächste Woche sturmfrei. Bei dir oder bei mir?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht treffe ich eine Andere.“ Er strahlt.
„Ich würde mich für mich entscheiden.“
„Na gut, ich werfe eine Münze. Bist du Kopf oder Zahl?“
„Zahl!“, sage ich überzeugt.
„Warum?“ Er wirft.
„Weil ich die Nummer eins bin.“ Wir lachen. „Ich habe gewonnen.“
Er hält die Münze verdeckt. Langsam öffnet er seine Hand und grinst.
„Dienstag bei mir“, rufe ich ihm im Gehen zu.
Sich gegen eine vernünftige Beziehung zu entscheiden und stattdessen drei Jahre lang dieses wiederkehrende Ding zu haben, hat seine Vor- und Nachteile. Was ist das, was wir uns aufgebaut haben? Zwangloser Sex? Das Versprechen, sich nichts zu versprechen? Komplimente zu geben, aber auch Nein zu sagen? Wissen, dass er der Falsche ist und glücklich darüber sein, dass es für den Moment ist und jederzeit zerbrechen kann?
Wir sind immer direkt und geheimnisvoll im Umgang miteinander. Einerseits kann ich ihn alles erdenklich Peinliche fragen, über Exfreunde reden oder er erklärt mir, wann Männer sich für Aussehen und wann für Charakter entscheiden. Andererseits bin ich vorsichtig damit, wann ich ihn küsse oder berühre, um die romantische Schwelle nicht zu überschreiten.
Zwei Singles, frustriert von der Liebeswelt Berlin und der Gefühlskälte der Ex-Partner, kuscheln im Mondschein unter einer Decke.
Irgendwie ist es eine Freundschaft, die lang und tief ist. Ich kenne seine Lebensgeschichte, aber nicht alle Details. Wenn mich die Liebe oder ein Flirt verletzt, dann gibt es ihn, der noch da ist und mich nimmt, wie ich bin. Ohne großes Interesse an meinem Charakter. Zwei Singles, frustriert von der Liebeswelt Berlin und der Gefühlskälte der Ex-Partner, kuscheln im Mondschein unter einer Decke. Wir können nicht alleine sein und auch nicht dauerhaft zusammen.
Im Laufe der Zeit hat sich ein immer wiederkehrendes Muster gezeigt:
Die Übersetzung der Nachricht „Hey, wie geht’s?“ ist in der Regel „in den nächsten Tagen pimpern?“. Wenn wir uns sehen, dann ist es wie bei einem Liebespaar, das sich monatelang nicht gesehen hat. Wir kommen direkt zur Sache. Wenn wir erschöpft sind, kommen wir in der Realität an und suchen irgendein oberflächliches Thema. Er erzählt vom Fußball, was mich nicht interessiert, obwohl ich danach frage. Egal, was er sagt, ich höre zu und bin nett.
Kurz: Ficken und gehen. Unser Ding.
Es ist wie ein erstes Date. Wir sind uns fremd. Irgendwann küsst er mich, nachdem wir uns mit höflichem Abstand eine Weile nicht berührt haben. Wir gehen wieder ab. Danach geht er. Der Abschied ist immer seltsam. Mal ein flüchtiger Kuss, mal heftiges Rummachen, mal nichts. Kurz: Ficken und gehen. Unser Ding.
Es ist biochemisch gesehen leicht zu erklären, dass er mir im Laufe der Zeit immer wieder wichtiger wird. Durch unseren ständigen Sex schütten wir vermutlich Unmengen an Serotonin aus, die in unseren Körpern Bindungsgefühle auslösen. Trotzdem fällt es mir leicht zu erkennen, dass es sich nicht um romantische Liebe handelt, sondern um dreckigen körperlichen Durst. Auch wenn wir schon an dem ehrlichen Ich-bin-heute-nicht-rasiert-Punkt angekommen sind.
Ich trinke mit ihm, nur mit ihm rauche ich. Ich rede über Diät, Fitness und Problemzonen und gieße seine Blumen. Er hat nie Frühstück da. In drei Jahren haben wir nicht einmal zusammen gegessen.
Er liebt Fußball. Er ist Profi-Spieler mit dem netten Nebeneffekt eines muskulösen durchtrainierten Körpers. Ich hasse Fußball, nichts ist für mich primitiver. Sein Leben sieht er ganz locker. Seine Arbeit nimmt er nicht ernst, während ich für die Uni schufte. Wäre er mein Freund, würde ich ihm eine Ansage machen, dass er sein Leben in den Griff kriegen und lernen soll. Mache ich bei ihm nicht, weil es mir egal ist, was er macht. Es zählt nur, dass er mich anfasst. Unser Ding.
Ich habe nicht vor, ihn meinen Freunden vorzustellen. Trotzdem erzähle ich ihnen ständig von ihm. Nur die Vorstellung des heißen Fußballspielers bleibt. Er ist dreimal umgezogen in der Zeit. Zwischenzeitlich hatten wir monatelang Beziehungen oder keinen Kontakt, dann wieder umso intensiver. Wenn wir bei ihm sind, bittet er mich immer, über Nacht zu bleiben.
Manchmal läuft nachts irgendein wichtiges Football-Spiel, das er sich ansieht. Ich schlafe einfach. Wir haben kaum gemeinsame Themen oder Interessen. Oft bleiben wir die halbe Nacht wach und berühren uns immer wieder mal zärtlich, mal wird es heftig. Ich mag es, dass er mich mit beidem verführen kann.
Ich verstehe mich super mit ihm, er ist ein Seelenverwandter, aber ich will ihn nicht näher kennenlernen.
Ich verstehe mich super mit ihm, er ist ein Seelenverwandter, aber ich will ihn nicht näher kennenlernen. Sonst geht das hier kaputt. Unser Ding. Das, was wir haben, ist oberflächlich, geheimnisvoll und gewohnt. Eine Mischung aus Unsicherheit und Routine. Freunde, die nichts über sich wissen.
Er ist ein Gentleman und holt mich im Winter von zuhause ab und bringt mich morgens zurück. Er ist ein Macho und bietet mir kein Frühstück an. Er will erobert werden. Ich will erobert werden. Obwohl wir beide zusammengehören, wollen wir beide das Spiel mit dem Feuer. Wir wollen beide nicht den einfachen Weg.
Wir haben uns zwei Monate nicht gesehen. Ich vermisse unseren Sex. Wir schreiben und treffen uns. Es ist so gut, dass wir uns alle zwei Tage sehen. Dann kennen wir wieder den Körper des anderen so gut, dass es sich nach Routine anfühlt. Wir verlieren den Kontakt und der Teufelskreis beginnt von vorn. Es ist die längste Beziehung, die ich je hatte, ohne eine Beziehung zu sein.
So starke Intimität, er darf alles mit mir machen. So starke Fremde, ich weiß nichts über ihn. Kenne keinen Freund, keine Familie. Mal küssen wir uns die ganze Nacht. Mal ficken wir unseren Stress weg. Liebe gemacht haben wir noch nie. Das ist für die Paare aus den Märchen. Unser Ding. Es gibt keine Gefühle, aber ich fühle viel. Lust, Begierde und begehrt zu sein. 18 bis 21 Jahre.
Unsere Körper sprechen, wir schweigen. Dann sind unsere Körper erschöpft und wir sprechen. „Hey wie geht’s?“, ist der erste mutige Schritt, der automatisch den Prozess ins Laufen bringt, dass wir in den nächsten acht Stunden in der Kiste landen. Fremdgehen kommt für uns nicht infrage.
Als meine Beziehung kaputt war, war er für mich da. Wir waren in einer Bar trinken. Eine Woche später hatten wir wieder unser Ding. Ich sage ihm, dass es mir nicht schmeckt, wenn er raucht. Wenn er fragt, ob er Zähne putzen soll, sage ich nein.
Wir sind eine Übung fürs spätere Leben. Wir sind nicht gefühlskalt. Unser Ding ist ein Kompromiss.
Oft bin ich unsicher, ob ich aufdringlich bin, ob er mich noch will. Es ist auch eine Art von Schmerz damit verbunden. Angst, verlassen zu werden. Ich werde es nie bereuen, das gehabt zu haben. Eine erfüllte Jugend voller Erfahrungen. Ich bin beziehungsunfähig. Na ja, nicht ganz, ich hätte gerne eine Beziehung mit einem Typen, aber keine Beziehung mit einem Typen ist irgendwie leichter. Wir sind eine Übung fürs spätere Leben. Wir sind nicht gefühlskalt. Die Gefühle heben wir uns für Andere auf. Lieben und geliebt werden ist, was wir wollen. Unser Ding ist ein Kompromiss.
„In dem Mondlicht sehen deine Brüste schön aus.“
„Ich finde, sie sind so klein geworden. C statt D.“
„Nein, sie sind perfekt …“
Headerfoto: Mann und Frau unter der Dusche via Shutterstock.com. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!