Ungleiche Liebe: Wenn deine Gefühle stärker sind als die deiner besseren Hälfte


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Du hast dich rar gemacht. Du hast dich nicht rar gemacht. Du warst super offen und hast dich von deiner verletzlichen Seite gezeigt. Du hast einige deiner besten Sex-Nachrichten überhaupt geschrieben. Und trotzdem scheint dein*e Freund*in irgendwie desinteressiert.

Dabei geht es gar nicht um unerwiderte Liebe, denn es ist nicht so, als würde die Person, die du liebst, überhaupt keine Gefühle für dich haben. Er oder sie empfindet auf jeden Fall was für dich. Nur eben nicht so viel wie du…

Die Verteilung ist ungleich

Die Liebe in eurer Beziehung ist also ungleich verteilt. Scheißsituation. Aber wenigstens bist du damit du nicht allein – auch wenn das natürlich nur ein kleiner Trost ist. Tatsächlich gibt es unzählige Liebeslieder und sogar Studien über die sogenannte Unequal Love.

So erzählt beispielsweise Ty Tashiro, ein Beziehungsexperte und Autor von The Science of Happily Ever After: What Really Matters in the Quest for Enduring Love, von einer Untersuchung aus dem Jahr 2013. Hier gaben ganze 21 Prozent der Teilnehmer*innen an, ungleiche Liebe erfahren zu haben, welche ihrer Meinung nach weniger leidenschaftlich und intensiv ist als Equal Love.

Wie misst man Liebe?

Aber Moment: Liebe kann man doch gar nicht messen, oder? Doch genau das versuchen Psycholog*innen laut Tashiro bereits seit über 50 Jahren –perfekt sind die Messtechniken allerdings (noch) nicht. „Am Anfang wurden vor allem Selbsteinschätzungen genutzt: Teilnehmer*innen wurden gebeten zu sagen, wie sehr sie jemanden lieben – auf einer Skala von eins bis zehn. Heute spielen Selbsteinschätzungen zwar immer noch eine Rolle, aber zusätzlich gibt es Hormon- und Brain-Imaging-Untersuchungen (bildgebende Verfahren, die zeigen, was in verschiedenen Hirnregionen passiert). Wir haben alle möglichen Daten, die uns dabei helfen können, herauszufinden, ob eine Person eine andere liebt oder nicht.“

Die oben genannte Studie, die Verabredungen von jungen Erwachsenen betrachtete, deutet darauf hin, dass es Unterschiede in der Intensität der Liebe geben kann, sobald eine romantische Beziehung begonnen hat. Sie besagt, dass Liebe an verschiedenen Qualitäten, wie etwa Intimität, Hingabe, Verbundenheit und Sexualität, festgemacht werden kann. Laut der Studie kann bereits ein Ungleichgewicht in einer dieser Bereiche dazu führen, dass eine*r von beiden unzufrieden ist. „Mein ehemaliger Betreuer hat mal gesagt: ‚Das Problem mit der Liebe ist, damit sie funktioniert, müssen zwei Personen ihren Teil beitragen. Schiefgehen kann das Ganze aber bereits wegen einer Person‘“, so Tashiro.

Und jetzt?

Und was kannst du machen, wenn du denkst, du bist eventuell Teil einer ungleichen Beziehung? Laut Tashiro solltest du erst einmal in dich hineinhorchen. Denkst du, irgendwas ist komisch, irgendwie ist die Stimmung eigenartig, versuche herauszufinden, was genau los ist. Vielleicht liegt es nämlich gar nicht daran, dass dein*e Partner*in weniger für dich empfindet als andersrum. Vielleicht zeigt sie oder er Liebe einfach nur anders als du – oder als du es aus früheren Beziehungen gewöhnt bist.

„Wir alle fühlen Liebe auf unterschiedliche Art und Weise“, erklärt Jenna Birch, Autorin von The Love Gap: A Radical Plan to Win in Life & Love. Und demzufolge variiert auch die Art und Weise wie wir Liebe geben und empfangen von Person zu Person: „Vielleicht ist es dir wichtig, so oft es geht ein ‚Ich liebe dich‘ zu hören, doch manche Menschen sagen diese drei Worte nur wenige Male in ihrem ganzen Leben. Das heißt aber nicht, dass Letztere es nicht fühlen“. Vielleicht zeigensie es nur einfach lieber als es zu sagen.

Die fünf Sprachen der Liebe

Hast du schon mal was von den fünf Sprachen der Liebe gehört? Es geht um die verschiedenen Möglichkeiten, seine Gefühle auszudrücken: Lob und Anerkennung (Wort), Zweisamkeit (Zeit), Geschenke, Hilfsbereitschaft, Zärtlichkeit (Berührungen). Es kann also gut sein, dass du deine Gefühle beispielsweise durch versichernde, anerkennende Worte ausdrückst, während dein*e Partner*in deine Lieblingsschokolade mitbringt, wenn sie oder er einkaufen geht. Oder vielleicht mäht sie oder er den Rasen für dich.

Du siehst: Die es gibt viele Möglichkeiten, Liebe zu zeigen. Deswegen wäre es nicht schlecht, wenn du mit deiner Freundin oder deinem Freund über das Thema direkte und indirekte Kommunikation redet – besonders, wenn du dir sorgen machst, deine Gefühle könnten deutlich intensiver sein.

Solltest du nach diesem Gespräch immer noch ein komisches Bauchgefühl haben, kommst du eventuell nicht umhin, deine Bedenken zu äußern: „Es ist möglich, dass dich diese Person nicht so sehr liebt wie du sie. Und im Zweifel solltest du überlegen, sie darauf anzusprechen“, so Tashiro. Sind die Gefühle tatsächlich ungleichmäßig verteilt, könnte euch eine Paartherapie eventuell weiterhelfen. Dort könnt ihr mithilfe einer unparteiischen Person alles besprechen, was auch durch den Kopf geht und gemeinsam an der Beziehung arbeiten. Ihr könnt auch zusammen ein Ratgeberbuch lesen wie Love Sense von Dr. Sue Johnson.

Die persönliche Ebene ist wichtig

Vielleicht muss das Problem aber auch auf individueller Ebene adressiert werden. „Forscher*innen haben in mehreren Studien Zusammenhänge zwischen Unequal Love und Minderwertigkeitsgefühlen sowie Depressions- und Angstsymptomen gefunden. All diese Symptome können zu einem Gefühl von emotionaler Unruhe sorgen“, erklärt Tashiro. Sollte dir das bekannt vorkommen, könnte es hilfreich sein, eine*n Therapeut*in um Hilfe zu bitten.

Über eine Option haben wir bisher noch nicht gesprochen: übers Schlussmachen. Der Grund dafür ist, dass eine Scheidung oder eine Trennung laut Tashiro nicht zwingend nötig ist. „Ich habe mit vielen glücklichen Ehepaaren gesprochen, die seit Jahrzehnten zusammen sind und viele von ihnen erzählen von schlechten Jahren, die sie gemeinsam durchgestanden haben“, so Tashrio. „In jeder langfristigen Beziehung gibt es Schwankungen was das Attraktivitätsempfinden für einander angeht; aber es ist immer besser, sich das Gesamtwerk anzuschauen und nicht nur eine Schaffensperiode.“

Die guten Nachrichten sind, prozentual gesehen sind die Gefühle laut der oben erwähnten Studie in den meisten Beziehungen ausgewogen. Und selbst wenn du dich in einer unausgewogenen Beziehung befindest, heißt das nicht, ihr habt keine Chance. Ihr müsst einfach – wie alle anderen Paare auch – an der Beziehung arbeiten.

Headerfoto: Pablo Merchán Montes via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

TEXT: Molly Longman.

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