Über Fast-Beziehungen #2 – der Kratzer auf der Platte

Ich liege in Deinen Armen und will nicht loslassen. Gerade hat wieder das angefangen, was Du nicht willst, ich aber viel zu sehr. Ich nehme noch einmal Deinen Geruch wahr, drücke Dich immer fester an mich, bis ich kaum noch atmen kann und mir Tränen die Wangen herunterrollen.

Ich hatte mir geschworen nicht zu weinen, dachte, ich kann es schaffen, doch es geht einfach nicht mehr. Ich habe es wieder einmal übertrieben und konnte meine Gefühle nicht zügeln. Langsam müsste ich mich daran gewöhnt haben, doch ich kann nicht mehr. Ich bin müde.

Du umarmst mich auch, atmest schwer und vergräbst Deinen Kopf in meinem Nacken. Deine Hände zittern. Ich kann Deine Verwirrung, Deinen Zwiespalt spüren. Es ist für Dich genauso schwer wie für mich und genau das macht es so unverständlich.

‚Du bist nicht der Kratzer auf der Platte‘, flüsterst Du. ‚Ich bin es.‘

„Du bist nicht der Kratzer auf der Platte“, flüsterst Du. „Ich bin es.“

Es stimmt. Nach all den Monaten. Nach all den Verabschiedungen und Wiedersehen ist mir eines bewusst geworden: Der Kratzer bist auch Du – nicht nur ich. Du bist der Fehler in meinem System. Du bist dafür verantwortlich, dass ich immer wieder auf Anfang gehe, voller Hoffnungen, voller Lebensfreude und voller Zuversicht, denn alles, was ich möchte, ist, dass wir uns gemeinsam weiterdrehen, in dieselbe Richtung, ohne Kratzer, ohne Fehler.

Du willst Alles und Nichts

Doch Du, Du weißt nicht so genau, was Du willst. Du willst Alles und Nichts. Nähe, Liebe und Geborgenheit, aber gleichzeitig auch Abstand, Freiheit und Unverbindlichkeit. Du möchtest keine Bindung und keine Verpflichtungen, aber willst wissen, was ich tue und wie es mir geht. Du bespielst Konventionen und Rahmen und gleichzeitig willst Du ausbrechen, Dein eigenes Ding machen, Dich niemandem fügen müssen.

Ich allerdings möchte Alles – und nicht irgendetwas dazwischen. Ich möchte Nähe, Liebe, Geborgenheit und Intimität. Ich möchte Konventionen, Bindung und Beständigkeit. Ich möchte wissen, was Du tust und wie es Dir geht, ohne zehn Mal überlegen zu müssen, ob ich zu anhänglich bin.

Ich möchte wissen, was Du tust und wie es Dir geht, ohne zehn Mal überlegen zu müssen, ob ich zu anhänglich bin.

Ich möchte mich fallen lassen können, mich wohlfühlen können, Ich selbst sein können. Ohne Unsicherheiten, ohne Angst, ohne ständig fürchten zu müssen, dass Dir nach einem gemeinsamen Wochenende alles wieder zu viel wird.

Und obwohl ich genau weiß, was ich will und was Du nicht, dreht sich meine Platte weiter, macht jedes Mal an derselben Stelle einen kurzen Halt. Ein Halt, der mit einer Nachricht von Dir beginnt und mit einem gemeinsamen Wochenende, einer gemeinsamen Woche und einer weiteren Trennung endet. Jedes Mal, alle paar Wochen, alle paar Monate.

Und jedes Mal bin ich so verdammt gut vorbereitet, lege die Karten auf den Tisch, sage Dir, dass meine Meinung noch dieselbe ist, dass ich es wenigstens versuchen möchte. Denn sich komplett zu verschließen macht unglücklicher als es einfach versucht zu haben. Denn egal ob man auf potentiellen Schmerz zusteuert oder sich von vornherein etwas oder jemanden verbietet, um Schmerz zu vermeiden – letzteres schmerzt doch genauso sehr, wenn nicht mehr.

Sich komplett zu verschließen macht unglücklicher als es einfach versucht zu haben.

Und jedes Mal sagst Du dasselbe, dass Du nicht bereit bist, dass Du mir nicht das bieten kannst, was ich verdiene, dass Dein Leben ein Chaos ist, dass Du nicht in der Lage bist, jemanden an Dich heranzulassen, dass, dass, dass…

Und doch kommst Du immer wieder zu mir zurück, suchst den Kontakt, kannst offenbar nicht loslassen, machst mir wieder Hoffnungen, wenn mein gebeuteltes Herz doch gerade erst dabei war, wieder zu verheilen.

Zwei zerkratzte Platten

Jedes Mal wiederholen wir uns. Jedes Mal realisieren wir, dass wir zwei zerkratzte Platten sind, die sich gleichzeitig drehen, aber in unterschiedliche Richtungen – und doch an genau derselben Stelle einen Kratzer haben. Einen Kratzer, der das Potential hätte, die Platten in dieselbe Richtung drehen zu lassen ­– doch wir sind stur.

Wir reden uns ein, es sei schlechtes Timing, unsere Leben seien zu unterschiedlich, wir würden streiten und Du würdest mir wehtun. Wir reden uns ein, die Umstände passen nicht.

Wir reden uns ein, es sei schlechtes Timing, unsere Leben seien zu unterschiedlich, wir würden streiten und Du würdest mir wehtun.

Die Wahrheit ist, dass es funktionieren könnte, wenn wir mehr Zeit füreinander fänden, wenn wir uns bewusst dafür entschieden, unsere Leben so zu ordnen, dass der jeweils andere darin Platz fände. Dass wir uns nicht vollkommen verstellen müssten, sondern endlich wir selbst sein könnten.

Die Wahrheit ist aber auch, dass wir uns anstrengen müssten, damit es funktioniert. Und genau das möchtest Du nicht. Du möchtest Bequemlichkeit, Unverbindlichkeit, keinen Rahmen, keine Bindung und keine Konventionen. Du möchtest Nähe, aber ja nicht zu viel. Liebe, aber nicht zu erdrückend.

Ich bin müde

Ich allerdings möchte Alles und nicht irgendetwas dazwischen. Ich möchte Nähe, Liebe, Geborgenheit und Intimität. Ich möchte Konventionen, Bindung und Beständigkeit. Ich kann mich aber nicht noch ein weiteres Mal wiederholen. Ich bin müde.

So liege ich wieder einmal da, in Deinen Armen und will unter keinen Umständen loslassen.

So liege ich wieder einmal da, in Deinen Armen und will unter keinen Umständen loslassen. Gerade hat wieder das angefangen, was Du nicht willst, ich aber viel zu sehr. Ich nehme noch ein letztes Mal Deinen Geruch wahr, drücke Dich immer fester an mich, bis ich kaum noch atmen kann und mir Tränen die Wangen herunterrollen.

Ich fahre ein letztes Mal mit meinen Fingern durch Deine verstrubbelten Haare und rufe mir ein letztes Mal Dein spitzbübisches Grinsen ins Gedächtnis.

Ein letztes Mal. Eine letzte, feste Umarmung.

Du umarmst mich auch, atmest schwer und vergräbst Deinen Kopf in meinem Nacken. Deine Hände zittern. Es ist für Dich genauso schwer wie für mich und genau das macht es so unverständlich.

Márcia liebt schwarze Kleidung in all ihren nicht vorhandenen Tönen. Nutella ist ihre liebste Sünde und sobald die ersten Sonnenstrahlen am Himmel leuchten, legt sie sich mit einem superschlauen Buch in eine Wiese. Mehr findet ihr auf Instagram und bei „the ladies“ (auf Facebook, Instagram und dieser Webseite).

Dieser Text ist ursprünglich hier erschienen.

Headerfoto: Yoann Boyer on Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

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