Tinder – das fieseste Orakel aller Zeiten

Die Kupplerin ist in keinem Freundeskreis gerne gesehen: Stets ist sie bestrebt, Leute zusammenzuführen, deren Wege sich ohne sie vermutlich nie kreuzen würden. Deshalb spinnt sie ihr Netz um zwei wehrlose Single-Menschen, wühlt in ihren Seelenschubladen nach gleichen Lebensplänen, ähnlichen Hobbys oder zumindest nach einer Band, deren Musik beide glücklich macht.

Aber seien wir mal ehrlich: Hat das irgendwann mal funktioniert? Kennt jemand tatsächlich ein glückliches Paar, das verkuppelt wurde – und überlebt hat?

Und so kam Tinder in das Leben der 2.0 Menschen. An dieser Stelle möchte ich sagen: Tinder ist die schlechteste Kupplerin aller Zeiten!

Mir scheint es eh, als wäre der Freizeit-Job „Kuppler*in“ mittlerweile auch relativ ausgestorben, jedoch nicht die eigentliche Berufung dazu. Und so kam Tinder in das Leben der 2.0 Menschen. An dieser Stelle möchte ich sagen: Tinder ist die schlechteste Kupplerin aller Zeiten! Als Orakel in Delphi wäre diese App im antiken Griechenland in die Verbannung geschickt worden, auf Nimmerwiedersehen, direkt zu König Ödipus auf die einsame Insel. Setzen, Sechs!

Wie ich dazu komme? Eigenrecherche natürlich!

Ich möchte vorausschicken, dass ich zu Beginn des letzten Jahres hochmotiviert in die virtuelle Dating-Welt gestartet bin! Ich hatte ein mehr als flottes Profil mit Bildern von mir im allerbesten Licht – weltoffenes Globe-Trotter-Mädchen, klug, frei und witzig! Interessiert am ernsthaften Gespräch und neuen Meinungen, gerne in Kombination mit Sonnenuntergang und Bergpanorama. Soviel zu meiner Vorstellung!

Und dann klickte ich los! Die Spreu trennte sich sehr schnell vom Weizen (tatsächlich schickte die Spreu mir Penis-Fotos, bevor ich den dazugehörigen Kopf überhaupt kannte, aber dazu eine eigene Geschichte).

Nur einer war wirklich nett und lustig und sah auf seinen Fotos in seinem guten Licht auch wirklich nicht übel aus! Wir tauschten Nummer, whatsappten ein paar Tage – es lief hervorragend!

Nur einer war wirklich nett und lustig und sah auf seinen Fotos in seinem guten Licht auch wirklich nicht übel aus! Wir tauschten Nummern, whatsappten ein paar Tage – es lief hervorragend! Wir vereinbarten ein Date. Ich war, wie es sich gehörte, nervös und freute mich zugleich.

Im Nachhinein betrachtet, hätte dieses Date eigentlich schon wie wild als Alarmglocke über meinem freien Geist klingeln sollen, aber da schaute ich immer noch voller Optimismus nach oben auf der Suche nach dem Himmel voller Geigen. Denn wir konnten uns fabelhaft unterhalten. Er war amüsant, im richtigen Maß großspurig und flirten konnte er auch. Nach zwei Stunden perfektem Dating Geplänkel stellte er mir allerdings die K-Frage! (Nicht Kanzler, sondern Kinder!)

Sprich: „Willst du mal Kinder haben?“

Meiner Meinung nach kann man da meistens nur verlieren. Sagst Du „ja“, denkt er: „Scheiße, nix wie weg, die Frau ist über 30 und panisch“. Sagst Du aber „nein“, denkt er: „Scheiße nix wie weg, schon wieder so eine Karrieretussi auf dem Egotrip“.

Noch schlechter ist es allerdings, wenn man die Frage  – wie ich – überhaupt nicht beantworten kann. Weil ich es einfach nicht weiß! Weil es in meinem Leben gerade gar keine Rolle spielt. Weil ich es für Schwachsinn halte, solche Pläne zu schmieden, wenn ich noch nicht mal einen Mann habe, der mit mir ins Kino geht, geschweige denn anderes tut, was für die Kinderproblematik erheblicher wäre.

Ich war doch so bereit, mich zu verlieben, auf jemanden einzulassen, neues zu entdecken, meinen Blickwinkel zu erweitern.

Ich versuchte, mich zu erklären, merkte aber schnell, dass ich mich um Kopf und Kragen redete. Also beendeten wir das nun nicht mehr so perfekte Date mit unklarem Ausgang, ob und wann wir uns wiedersehen würden. Ich fuhr danach zu meiner Freundin und jammerte ihr die Ohren voll, warum ich denn nur so bin, wie ich eben bin.

Ich war doch so bereit, mich zu verlieben, auf jemanden einzulassen, neues zu entdecken, meinen Blickwinkel zu erweitern. Und das war letztlich meine Motivation, mich noch mal bei ihm zu melden. Ich wollte nicht aufgeben! Also trafen wir uns weiter und es lief gut, die K-Frage war im Nebel der Dinge, über die man besser nicht spricht, verschwunden und ich nistete mich langsam ein in der gemütlichen Zweisamkeit. Und ich muss sagen: Es war herrlich!

Zumindest, wenn ich die Augen zumachte!

Ich bin seit jeher eher so der gesellige Typ. Ich rede viel, bin gerne unter Menschen, liebe Reisen über alles und tue gerne Dinge, die ich noch nicht getan habe.

Mein Tinder-Match war eher nicht so. Er war gerne zu Hause mit den Katzen (wichtiges Detail), bevorzugte kuschelige Netflix-Abende und gediegene Pärchen Aktivitäten. Also sagte ich mir: „Warum nicht, probiere was Neues!“ – Ein bisschen Ruhe schadet auch dem Rastlosen nicht.

Und so kam es, dass ich bei einem Kuschel-Netflix-Date über Nacht blieb. Geheuer war mir das nicht!

Und so kam es, dass ich bei einem Kuschel-Netflix-Date über Nacht blieb. Geheuer war mir das nicht!

Die Katzen beäugten mich misstrauisch, mir war es die meiste Zeit in seiner Wohnung viel zu düster und auch zu staubig, aber ich wusste, dass ihm was daran lag, dass ich blieb und hey, ich war doch weltoffen und wollte meinen Horizont erweitern!

Also blieb ich und wir nächtigten auf der Couch! Dieser Umstand war mir persönlich nur bekannt, wenn ich entweder beim Fernsehen eingedöst war oder völlig derangiert nach einem Club-Abend nach Hause geschlurft war und es nicht mehr bis ins Schlafzimmer schaffte .

Bei ihm war das eher so Tagesordnung. Er zockte abends auf der Couch und blieb dann grade dort liegen. Außerdem nutze er sein Bett als Kleiderablage.

Innerlich standen mir sämtliche Haare zu Berge, inklusive der Haare der Katzen, die außen an mir dran klebten. Er staubsaugte nämlich auch nicht so gerne.

Ich blieb trotzdem. Wollte mich ja nicht so anstellen und hatte mein Ex-Freund nicht auch immer auf meinen nervigen Ordnungs- und Putzfimmel hingewiesen?

Ich blieb trotzdem. Wollte mich ja nicht so anstellen und hatte mein Ex-Freund nicht auch immer auf meinen nervigen Ordnungs- und Putzfimmel hingewiesen?

Alles kein Problem mehr, ich kann auch im Dreck total happy und verknallt sein!

Nachts wurde ich irgendwann wach, weil ich aufs Klo musste. Ich kletterte von der Couch mit sensationellen Rückenschmerzen und tapste Richtung Bad. Auf halbem Weg geschah das Widerlichste überhaupt, das ich mir zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht mal vorstellen konnte: ich trat in Katzenscheiße – barfuß!!

Kann man noch tiefer sinken? Nein!

Aber ich war immer noch weltoffen und tapfer, hopste auf einem Bein ins Bad und hielt meinen Fuß in die Dusche. Mit der Scheiße verschwanden im Abfluss auch ein paar von meinen Selbstmitleids-Tränen. Noch nie in meinem Leben wollte ich so sehr nach Hause, wo alles gut riecht und man bedenkenlos sogar den Fußboden ablecken könnte.

Trotzdem lief  das Ganze noch ein paar Wochen mit uns, wobei ich sagen muss, ich hab mich von dem Scheiße-Trauma bis heute nicht richtig erholt. Er beendete das Ganze schließlich mit der Behauptung, dass es nicht funktioniere, weil wir aus unterschiedlichen Welten kommen.

Er beendete das Ganze schließlich mit der Behauptung, dass es nicht funktioniere, weil wir aus unterschiedlichen Welten kommen. Und halleluja! Wie sehr er Recht hatte!!

Und halleluja! Wie sehr er Recht hatte!! Ein Cosmo-Mädchen aus reinlichem Hause hat nun einfach auch nichts in der Höhle des einsiedlerischen Putzmuffels zu suchen.

Klar war das meine Schuld! Ich hätte einfach gehen sollen, anstatt mich dem irren Wunsch zu beugen, flexibler sein zu wollen als der Schlangenmensch.

Aber, mal ehrlich: Tinder hat mindestens genauso viel Schuld an diesem Desaster! Im echten Leben wären wir beide uns nie begegnet – weder beim Einkaufen vor dem Putzmittelregal, auf einem Konzert noch beim Stöbern nach Reiselektüre in einem Buchladen. Und darin liegt die Gefahr – Tinder bringt nicht selten zusammen, was nicht zusammen gehört!

Ich hab die App übrigens gelöscht. Ich date jetzt wieder herkömmlich, vertraue auf meine Nase, stelle meine Ansprüche und nehme direkt Reißaus, wenn ein Katzenfreund daher kommt.

Ich werde berichten, wenn diese Taktik von Erfolg gekrönt wurde. Bisher konnte ich damit aber zumindest schon mal alle Scheißhaufen umgehen.

Headerfoto: Sarah Diniz Outeiro via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Bild gedreht und gecroppt.) Danke dafür!

FRAU LICHT ist Gelegenheits-Schreiberin, Yogi und Fernwehspezialistin, immer auf der Suche nach den großen Gesten und den tollen Geschichten, sitzt liebend gerne am Meer oder bei Oma am Küchenfenster, allzeit bereit für das Gute im Leben, im Menschen und für diese magischen Momente. Mehr Poesie und Buchstabenspielereien aus dem monkey mind gibt es auf ihrem Blog. 

1 Comment

  • Dass die Autorin so schlechte Erfahrungen mit Tinder hatte, tut mir leid. Auch ein wenig die Katzenscheiße Geschichte. Aber wie sie selbst geschrieben hat…ist sie auch irgendwie selbst daran Schuld und nicht die Dating App per se. Wenn man nichts von dem Typen will, dann sollte man es einfach lassen.

    Ich kenne tatsächlich ein Paar bei denen es funktioniert hat und die mittlerweile Kinder haben. Auch, wenn es wahrscheinlich eher selten der Fall ist, dass man dort die große Liebe findet. Es kann passieren. Vielleicht war die Liebe einfach noch nicht bereit sie zu finden. Schließlich können auch Menschen, die man nicht digital kennen gelernt hat nicht zu einem selbst passen.

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