„Ich hatte einfach nicht das Bedürfnis, mich bei dir zu melden.“ Dieser Satz, diese elf Worte haben mich endlich verstehen lassen. Verstehen lassen, was ich nicht wahrhaben wollte. Es ist vorbei. Uns gibt es nicht mehr, dabei hatten wir noch gar nicht angefangen, überhaupt ein richtiges „Uns“ zu sein. Und doch hat mich dieses jähe Ende – von dir und mir – meinen Halt verlieren lassen. Es hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Freier Fall. Ganz ohne Vorwarnung. Ganz plötzlich.
Drei Monate später verschwimmen die Tasten vor meinen Augen noch immer während ich tippe. Als ich es endlich wage, mir das von der Seele zu schreiben, was ich in den letzten 92 Tage so fein säuberlich wieder zusammengeflickt habe. Mit dir hatte ich meinem Leben gerade erst wieder ein wenig Gleichgewicht verliehen. Diesem Leben, das sich nicht mehr wie mein eigenes anfühlte. Es hat den Aufprall nicht verkraftet, den es auf der Autobahn erlitt. Auf der es plötzlich in all seine Einzelteile zersplitterte. Das hat mich entfremdet. Entfremdet von mir selbst.
Ich schlief mit dir, als mein Körper noch von blauen Flecken übersät war und ich war so froh, dass du da warst. Dass du mich festgehalten hast.
Ziemlich genau eine Woche später traf ich dich zum ersten Mal. Ich schlief mit dir, als mein Körper noch von blauen Flecken übersät war und ich war so froh, dass du da warst. Dass du mich festgehalten hast. Dass du neben mir eingeschlafen und wieder aufgewacht bist. Dass du meinem Leben ein Stück Normalität zurückgeben hast. Du hast von dem Sturm, der in mir tobte, nichts gewusst.
Nichts davon hast du verstanden. Nicht verstanden, wieso Glück im Unglück mich so sehr durcheinander gebracht hat. Nicht verstanden, wieso sich mein Leben plötzlich so fremd anfühlte. Aber ich dachte, das wäre nicht wichtig. Wichtig war, dass du da warst. Mit dir habe ich mich so sicher gefühlt. Ich wusste, mir würde nichts passieren, solange du da warst.
Wir sind beide meerverliebt. Du so sehr, dass es die schwarze Tinte unter deiner Haut jedem ins Gesicht schreit, der deinen Oberkörper unbekleidet sieht. Wir haben beide die gleiche, konservative Vorstellung von Familie. Und ich wehre mich nicht mehr dagegen, nur weil mein Kopf mir sagt, dass das überholter Bullshit ist. Wohl ein Resultat aus meinem Scheidungskinddasein. Der innere Zwang, das, was meine Eltern nicht geschafft haben, besser machen zu müssen. Eine Illusion. Ein Wunschtraum. Ich scheitere daran. Genau wie sie.
Ein neues Scheitern jetzt mit dir. Du bist nicht mehr da. Du hast mich stehen lassen mit mir. Mit meinen Gefühlen zu dir – zu mir. Deine elf Worte am Telefon haben mich so unvermittelt, so unsanft aus meiner zusammengeflickten Wirklichkeit gerissen, dass es sich auch drei Monate später noch so anfühlt, als hätte ich ernstzunehmende Herzrhythmusstörungen. Anfangs hielt ich das für absurd. Wie kann etwas so Kurzes mich so sehr verletzen? Der Grund ist: Es geht gar nicht nur um das, was wir hatten. Das, was so sehr schmerzt, dass ich es körperlich spüren kann, ist der Verlust von der Vorstellung, was wir hätten sein können.
Weggepustet, was sonst nur der Nordseewind schafft. Du warst mein Nordseewind.
Du und ich -Wir – so verschieden wie Nord- und Südpol. Ähnliches Landschaftsbild, gegensätzliche Inhalte. Ich mag Bücher. Du hast in deinem Leben maximal drei gelesen. Eins davon war ein Fitnessbuch. Die äußerliche Erscheinung deines Körpers spiegelt das zugegebenerweise sehr hübsch wider. Ich mag Gespräche im Bett. Du zeigst mir Videos. Mir sind Autos ziemlich egal. Nur bitte keine CO2-Schleudern. Du träumst von einem Amarok. Das passt zu dir. Aber so gar nicht zu mir. Und trotzdem ist es noch immer schmerzvoll. Weil ich mich in deinen Armen so aufgehoben gefühlt habe. Geschützt. Sicher.
Das hat all die Unterschiede zwischen uns weggepustet. Weggepustet, was sonst nur der Nordseewind schafft. Du warst mein Nordseewind. Du kamst ganz plötzlich auf und flautest genauso schnell wieder ab. Einen großen Teil meiner Herzfestung habe ich für dich eingerissen. Spät. Zugegeben. Aber dennoch: Nackter hätte ich nicht vor dir stehen können. Du aber hast das zum Anlassen genommen zu gehen.
„Dafür bin ich zu gefühlskalt“, hast du gesagt. Und ich glaube dir nicht. Du hattest nur einfach keine Gefühle für mich. Diese Erkenntnis ist verletzend. Sie hat mein Kartenhaus gesprengt. In Schutt und Asche zu Boden rieseln lassen. Freier Fall. Unumkehrbar.
Deine Nummer habe ich sofort gelöscht. Dabei mag ich dich noch immer, Mann in oliv.
„Ich wünsche dir, dass du den Richtigen findest“, hast du gesagt. Und auch hier trennen uns Welten. „Den Richtigen.“ Wen genau? Das Leben ist nicht so einfach gestrickt. Es gibt viele Richtige. Für mich warst du einer von ihnen. Aber das habe ich dir nicht gesagt. Ich habe aufgelegt. Aus Wut, aus Verzweiflung und aus Verletztheit. Deine Nummer habe ich sofort gelöscht. Dabei mag ich dich noch immer, Mann in Oliv. Und ich bin mir gar nicht mal so sicher, ob ich von Liebe zu dir wirklich weit entfernt war. Vermutlich nicht.
Aber gesagt habe ich nichts. Aus Angst. Angst, dich zu verlieren. Und jetzt – jetzt gibt es kein Uns mehr. Kein Wir. Ich habe das Gegenteil von dem gemacht, was mein Herz wollte. Ich wusste genau, wozu das führen würde. Dazu, dass du gehst. Und das hast du gemacht. Du bist gegangen. Ich vermisse dich. Noch ein bisschen. Noch eine kleine Weile. Bis es sich wieder leicht anfühlt und mein Herz wieder im Gleichtakt schlägt. Ich finde nämlich, Liebe sollte sich ganz unbedingt ganz unbeschwert anfühlen.
Deshalb, lieber Mann in Oliv – danke, für diesen kurzen gemeinsamen Abschnitt. Danke für deine Geborgenheit und dafür, dass ich mich so aufgehoben bei dir fühlen konnte. All die Tarnfarben waren einfach zu viel für ein Wir – ein Dich und Mich, gemeinsam.
Headerfoto: Felix Russell-Shaw via Unsplash.com. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!
Ich weiß nicht warum, Paula, aber du bist mir total sympathisch… vllt weil ich mich in deinem Text und was du erlebt hast mit diesem Mann, so gut wiedererkenne.
Danke