Er prustet mir seinen Wein im Mund quer über den Tisch entgegen und fragt mit einer Mischung aus Verwunderung, leichtem Schamgefühl, aber auch etwas Unterhaltung: „Ok, und was machst Du wirklich?“ Mir sitzt ein alter weißer, bisweilen konservativer, Mann gegenüber.
Ich wiederhole die Antwort auf seine Frage, was ich beruflich mache noch einmal mit ruhiger und bestimmter Stimme: „Sexualberaterin“. Und kann es mir nicht verkneifen, ihn dabei auch etwas verschmitzt anzuschauen. Gerechnet hatte er damit nicht. Ich auch nicht. Vor ein paar Jahren zumindest noch nicht. Heute ist es kristallklar, genau das ist mein Weg!
Verena, sag doch mal, wie wird man Sexualberaterin? Oder warum? Diese Frage erhalte ich viel.
Verena, sag doch mal, wie wird man Sexualberaterin? Oder warum? Diese Frage erhalte ich viel. Meist muss ich sagen, dass mir zum Glück eher eine Welle an Neugierde entgegen schwappt, statt entgegengeprusteter Wein. Meine Antwort ist, dass es für mich eine ganz eigene Reise war.
Ich habe die letzten Jahren Mauern einreißen, abreißen dürfen. Ich war abgeschnitten von meinen Bedürfnissen, meiner Stimme, meinen Gefühlen. Wenn man mich fragte, wie es mir geht, war da oft Leere. Ich wusste es nicht. Weil ich es mich auch nie fragte. Ich rauschte durch den Alltag im Sauseschritt.
Da war keine Zeit für fühlen. Ich nahm sie mir nicht. Macht ja auch angreifbar und verletzlich. Zu fühlen. Ich rannte aber auch in Beziehungen immer wieder gegen Mauern. Mauern, die Nähe abschirmten und die ich nicht durchdringen konnte. Obwohl ich es mir vielleicht wünschte. Wenn es nah wurde, rannte ich weg. Da war so viel Scham, so wenig Vertrauen, so viel abgeschnitten sein, so wenig Verbundenheit.
Ich begab mich auf verschiedenste Reisen zu mir und meinem Körper.
Dieses Muster wollte ich durchbrechen. Ich begab mich auf verschiedenste Reisen zu mir und meinem Körper. Nacktbaden, viel Zeit in der Natur, Sauna, Tanzen, Singen, Tantra Massage, Pflanzenmedizin, Yoga, Meditation, Vipassana und Coaching haben mich dabei liebevoll begleitet.
Am Ende des Tages gehe ich diese Reise zwar selbst und alleine, aber ich darf mir ein Umfeld kreieren, welches mich dabei unterstützt. Und wenn ich auf Frauen traf, deren Arbeit mich nachhaltig verändert oder viel mehr noch geöffnet haben, geöffnet für meine Bedürfnisse, meine Lust und Neugierde und meinem Wunsch nach Nähe, ohne dass sich diese bedrohlich anfühlte, dann dachte ich mir oft, hui was für eine schöne Berufung sie doch haben.
Lustberatung! Genau das ist mein Weg. Das möchte ich machen. Der Lust zu folgen. Nach Jahren eigener Integration, Verankerung und Expansion platzte der Knoten plötzlich und es war klar, diesen Weg möchte ich auch gehen. Das kann ich auch!
Ich habe selbst spüren dürfen, was es heißt, in meine Kraft, meine Lust, meine Kreativität, mein Vertrauen zu treten.
Ich habe selbst spüren dürfen, was es heißt, in meine Kraft, meine Lust, meine Kreativität, mein Vertrauen zu treten. Das möchte ich nun mit anderen Frauen teilen. Sie dabei unterstützen, in ihren Körper, ihren Ausdruck, ihre Lust zu kommen und sie dabei ihre Entdeckerinnenfreude spüren zu lassen.
Mein Wunsch ist es, dass wir unsere Körper bewohnen. Unsere Lust zu bewohnen. Unseren erotischen Raum mit all seinen Facetten und Möglichkeiten betreten. Unsere Facetten ausleben. Erleben. Uns erleben. Unseren Resonanzraum Körper erkunden. Miteinander, untereinander, mit uns.
Genau das ist mein Weg!
Klingt so simpel. Ist es nicht. Es ist eine Sache, diesen Weg zu gehen, ich empfinde es jedoch als noch herausfordernder, zu erkennen, welchen Weg ich überhaupt gehen möchte. Zum Glück gibt nicht diesen einen Weg. Wäre auch langweilig. Ich darf immer wieder die Richtung wechseln.
Mein Gefühl ist mein innerer Kompass. Mein innerer Kompass, meine Intuition.
Links, rechts, geradeaus und alle Spektren dazwischen. Querfeldein. Querwaldein. Querkörperein. Immer der Nase nach oder viel mehr noch dem Gefühl. Dort, wo ich fühle, geht es lang. Mein Gefühl ist mein innerer Kompass. Mein innerer Kompass, meine Intuition. Dabei darf ich Wege stets neu begehen, umdrehen, stehenbleiben, verweilen, rennen, schlendern, tanzen. Zögernd oder auch himmelhochjauzend schreiten. Alles darf da sein. Und dann ist es aber auch meine Selbstverantwortung, zu springen und dieser Intuition zu folgen.
Denn Selbstliebe ist Wagnis. Werte zu leben ist Wagnis. Das Wagnis laut zu sein, das Wagnis anzuecken, das Wagnis non-konform zu leben. Aber ein Leben zu leben, welches konträr zu meinen Werten verläuft, welches mein Licht dimmt, in dem ich mich immer in den Schatten anderer Stelle, statt an meine eigene Größe zu glauben, nach dieser zu streben und diese auszuleben, das ist ein Wagnis, welches noch viel höhere Kosten für mich beinhaltet.
Da wage ich lieber anzuecken. Altes hinter mir zu lassen. Neu zu wagen, des Wagniswillen wegen.
Da wage ich lieber anzuecken. Altes hinter mir zu lassen. Neu zu wagen, des Wagniswillen wegen. Die Sinnsuche im Wagnis zu entdecken, zu erkunden und zu schätzen.
Tschüß Dimmen, hallo Licht!
Aber genau dieses mich selbst dimmen, mich selbst klein halten, habe ich viele Jahre gelebt. Ich hatte wenig Raum in meinem Kopf, wenig Gefühl in meinem Körper, was es ist, was ich wirklich machen möchte. Weil ich einfach nur Wegen hinterhergelaufen bin, von denen ich dachte, die müsste ich gehen.
Weil man das halt so macht. Ich habe mir keinen Spielraum erlaubt, Wege neu zu denken. Ich studierte BWL, tauchte ein in einen Lebensweg, der mich nie richtig glücklich machte (ok, minus das Leben als solches in Kopenhagen, das war eine Wucht und bleibt stets meine Herzensstadt).
Das Leben ließ mich stets etwas hungrig dastehen. Hungrig nach mehr Gefühl, mehr Authentizität, mehr Verbindung.
Das Leben ließ mich stets etwas hungrig dastehen. Hungrig nach mehr Gefühl, mehr Authentizität, mehr Verbindung. Weniger nacheifern, weniger wetteifern, weniger höher, weiter, schneller. Und gleichzeitig ergeben auch Umwege manchmal Sinn, für den Moment. Und an ein geradliniges Leben glaube ich eh nicht. Ich werde Euch hier jetzt nicht vorbeten, welche Stationen ich alle abgeklappert habe, bis ich verstanden oder gefühlt habe, was ich wirklich machen möchte.
Yogalehrerin und Kayakguide waren hier noch die freudvolleren, wenn auch nur kurze Zwischenstationen.
Selbstliebe ist Kreativität
Nachdem mich der Bürojob und die unbefriedigte Beziehung zu meinem Laptop immer unglücklicher machte, half mir die Kreativität aus der Bredouille. Die Hingabe an meine Kreativität von der ich lange Zeit dachte, ich hätte sie gar nicht. Bullshit, hat jede/r, wir müssen sie nur wieder ausbuddeln.
Ausbuddeln aus Selbstbeschränkung aka habe ich keine Zeit zu, kann ich nicht, mag ich das? Probier’s halt aus. Die kindliche Entdeckerinnenfreunde wieder in mir wach zu küssen durch Goldschmieden und auch etwas töpfern war das größte für mich. Es war ein Ausgleich für den teilweise trockenen Büroalltag. Es war mein Austoben.
Und es war vielmehr noch ein Tor zu meiner Kreativität und erlaubte mir, Schritt für Schritt meinen Horizont zu erweitern, rumzuspielen, Neues zu wagen, Neues zu lernen. Mich tiefgründiger mit mir und meinen Bedürfnissen auseinanderzusetzen.
Für mich bedeutet Selbstliebe fortan also auch kreativ zu sein, Raum und Zeit dafür einzunehmen. Für mich ist Kreativität Ausdruck.
Das Kreativ-sein macht so viel Spielraum auf und machte mich irgendwo auch mutiger. Mutiger zu spielen. Für mich bedeutet Selbstliebe fortan also auch, kreativ zu sein, Raum und Zeit dafür einzunehmen. Für mich ist Kreativität Ausdruck. Ausdruck meiner Selbst.
Ich trete mit mir selbst in Beziehung, meine Phantasie und Vorstellungskraft weitet sich. Ich kann Alltagsstress so hinter mir lassen oder auch erlebtes auf meditativ-spielerische Art und Weise verarbeiten.Mit der Kreativität kam übrigens auch noch mehr gelebte Weiblichkeit, Sexualenergie und auch Sinnlichkeit zurück und ich bin mittlerweile der festen Überzeugung, dass es Hand in Hand geht.
Dein Leben ist Erlaubnis
Diese Worte schrieb mir eine liebe Freundin vor ein paar Tagen. Ich sehe dieses Erlauben als eine Qualität an, mich so anzunehmen, wie ich bin, mit all meinen Facetten. Ich muss in keinen Selbstoptimierungswahn verfallen oder stets nach Veränderung streben. Stattdessen zeige ich mit all meinem Sein.
Diese Qualität gibt Raum und Expansion. Ein Gefühl von „alles ist möglich“, wenn ich es mir nur erlaube. Und mit dieser Erlaubnis kommt Veränderung vielleicht ganz automatisch vorbei. Es werden sich Facetten zeigen, die vorher verborgen blieben oder wo das Licht gedimmt war.
Scheiß auf Dimmen! Ich bin hier, um im Licht zu stehen. Ich bin das Licht.
Scheiß auf Dimmen! Ich bin hier, um im Licht zu stehen. Ich bin das Licht. Ok, nun klingt es größenwahnsinnig, aber ich bin mein eigenes Licht. Das bin ich. I am my own best lover, friend and muse. Und niemand steht mir im Weg, wenn dann nur ich mir selbst.
Raum ekstatischer Freude
Findest Du einen Raum für Dich, der Dir ekstatische Freude bereitet? Gibt es einen Traum oder eine Vision, auf den Du immer wieder zurückkommst, schau mal, was dann in Deinem Körper geschieht? Was passiert mit Deiner Atmung? Deiner Geschmeidigkeit? Ist da Anspannung oder Entspannung? Erfüllt es Dich mit Vorfreude, selbst wenn Du Angst hast? Freude ist ein guter Kompass dem es zu folgen gilt.
Hör auf, Dich zu fragen, wer Du wie sein solltest. Wende Dich lieber der Frage zu, wie Du Dein authentisches Sein verkörpern und ausleben kannst.
Hör auf, Dich zu fragen, wer Du wie sein solltest. Wende Dich lieber der Frage zu, wie Du Dein authentisches Sein verkörpern und ausleben kannst. Mit welchem Gefühl im Bauch möchtest Du morgens aufstehen? Mit welcher Ausrichtung möchtest Du Dich heute durch den Tag bewegen? Was möchtest Du heute der Selbstliebe wegen wagen? Das Leben will gewagt werden! Das Selbst auch, die Liebe sowieso!
Headerfoto: Ike louie Natividad (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!