Ich schaue aus dem Fenster; es schneit. Nicht, dass das wichtig wäre, aber vor einem Jahr hat es auch schon mal geschneit. Aber da warst du noch da und jetzt bist du weg. Es ist ja nicht so, dass ich immer an dich denken müsste, aber meistens schon. Also wenn es schneit und wenn die Sonne scheint. Wenn ich an einer Bäckerei vorbeifahre, oder diese vielleicht sogar rieche. Wenn ich um zwei Uhr nachts wach bin (und das bin ich fast immer, seit ich du nicht mehr da bist).
Oder wenn ich in den Himmel schaue, einfach weil du ein paar Kilometer weiter weg vielleicht gleichzeitig in denselben Himmel schaust. Oder wenn ich mich anschnalle im Auto, weil ich mir nicht sicher bin, ob du das jetzt noch immer tust, ich es aber inständig hoffe. Wenn ich meine Brille aufsetze, weil du die nicht schön fandest oder wenn ich in meinen Spiegel schaue, weil an der Stelle, an der unser Bild hing, jetzt ein Loch ist. Oder irgendwie sonst bei fast allem.
Du fehlst mir unglaublich, aber ich bin dir sowas von gar nicht böse. Viel mehr auf die ganze Welt, weil die doch so unfair ist.
Du fehlst mir unglaublich, aber ich bin dir sowas von gar nicht böse. Viel mehr auf die ganze Welt, weil die doch so unfair ist. Aber nein, auf keinen Fall auf dich. Obwohl du derjenige bist, der den Schlussstrich mit Edding zwischen uns gemalt hat und der trotzdem noch in meinem Kopf seilspringt. Seit über einem Jahr – also natürlich noch nicht lange, aber lange genug, um zu wissen, dass es weh tut und das reicht ja irgendwie und ist in dem Moment ja schon schlimm genug.
Und alle, die dann sagen „Ach, sooo lange warst du doch gar nicht mit ihm zusammen!“, die haben keine Ahnung, dass es völlig reicht, wenn man jemanden einfach nur für das liebt, was und wie er ist. Dass es völlig reicht, auch über so einen kurzen Zeitraum bei jemandem halb zu wohnen, dass man dann gar nicht mehr weiß, was man vor der Beziehung eigentlich gemacht hat.
Jetzt ist es gerade ein paar Tage her, da war ich bei dir und habe beschlossen, für immer zu gehen. Weil das die einzige Möglichkeit in der Sache war, bei der ich was entscheiden und kontrollieren konnte. Auch wenn ich dich am liebsten in meinem Leben hätte, weil du im letzten Jahr die Konstante, mein Anker warst. Aber du wolltest nicht mehr und das war alles nur so halb und nicht mehr ganz, also gehe ich ganz. Ich stehe ganz auf, verlasse das Kampffeld und gehe ganz und für immer aus deinem Leben.
Das tut zwar weh, aber bestimmt wird das. Vielleicht. Irgendwann. Dann springst du nicht mehr Seil in meinem Kopf.
Das tut zwar weh, aber bestimmt wird das. Vielleicht. Irgendwann. Dann springst du nicht mehr Seil in meinem Kopf und bleibst auch irgendwann nicht mehr mit den Füßen im Seil hängen. Auch wenn es sich gerade wie das Ende der Welt anfühlt und viel schlimmer ist als die Tatsache, dass ich bei Bambi heulen muss oder es einfach nicht mehr aufhört zu regnen, oder einfach alle lachen und ich nur weiß, da bist du und du bist nicht hier.
Und du wirst auch nie mehr wieder bei mir hier sein, mich in die Arme nehmen, oder mit mir bis fünf Uhr morgens Serien schauen. Nie mehr wieder werden wir an deinem offenen Fenster rauchen. Und eigentlich sollte ich sowieso nicht mehr von dir reden oder gar an dich denken, aber du springst ja noch Seil in meinem Kopf.
Die Frage ist doch dann irgendwie immer, was einem noch bleibt, wenn dieses „Du“, das mal zu dem „Ich“ gehört hat, einfach geht, einfach weg ist, einfach verschwindet und zwar für immer und nicht nur zum Einkaufen. Was bleibt dann noch, was stellt man mit seinem Leben an, wer ist man? Zumindest in dem Moment, in dem du die Konfettischnipsel, die eigentlich mal dein Herz waren, langsam vom Boden zusammensammelst und all das festgetretene Konfetti mit den Fingernägeln versuchst abzukratzen.
In dem Moment fühlt man sich ein bisschen, als würde man schlafen, ohne die Augen zu schließen und wie durch die Nase atmen mit fettem Schnupfen. Wie in Watte gepackt und auf dem Boden rumkullernd. Das bleibt mir gerade. Aber vielleicht hörst du ja irgendwann mal mit dem Seilspringen auf.
Svenja. Wenn sie traurig ist, dann lächelt sie, denn Regen ist auch nur Konfetti vom Himmel.
Headerfoto: Frau mit 1985-Shirt via Shutterstock.com! (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür.
So schön, danke für deine passenden Worte
Ist das traurig… weil ich es selbst auch erlebt habe und mich zur Zeit genauso fühle… Danke liebe Svenja für s mit uns teilen. Ich hoffe wir haben irgendwann das Konfetti beseitig und lernen wieder gleichmäßig zu atmen, zu vertrauen, zu lieben. Vielleicht irgendwann.