Weiße Wände. Die Stadt ist schon wieder wach. Augen zu. Loslassen. Geht nicht. Augen auf. Durchatmen. Was im Strobolicht noch so selbstverständlich erschien, wird zunehmend unmöglicher, desto mehr du wieder zu jener Person wirst, die morgens drei mal kontrolliert, ob der Herd tatsächlich abgeschaltet ist, bevor sie das Haus verlässt.
Wenn der Rausch dich nicht durch dieses fremde Bett mit in den Schlaf gerissen hat, bleibt nicht viel mehr, als der fade Nachgeschmack einer beliebigen Nacht. Und dieser fremden Hand in deinem Gesicht.
Auf der Suche nach einem Platz, an dem du bleiben magst. Schlaflos. In jedem Club gehen irgendwann die Lichter wieder an. „Du musst lernen loszulassen!“, sagen sie dir und springen aus Flugzeugen und von hohen Brücken, um ihrer Lektion Nachdruck zu verleihen. Loslassen als Aktion. Doch im Schlaf bist du kein Akteur.
Augen zu. Das Gedankenkarussell schleift dich quer durch eine dieser Nächte, die zu einem einzigen undefinierbaren Gefühl aus Hysterie und Taubheit verschmilzt. Du kannst die Umarmung des Schlafs nicht verkraften, er ist ein Akt des Aufhörens. Wie aufhören, wenn man sein Maß nicht kennt?
Schlaf ist ein Paradoxon. Ich bin, aber ich weiß nicht wo. Du kannst alles schnell und unkompliziert konsumieren. Instant-Essen, Instant-Spaß, Instant-Sex. Wenn es nicht echt ist, weißt du, was du tun musst, damit es echt aussieht. Du kannst alles simulieren. Doch der Schlaf will etwas von dir, was du längst zu geben verlernt hast. Echte Hingabe.
Künstlicher Kontrollverlust ist modern. Du kannst tanzen, ohne den Beat zu spüren und Orgasmen vortäuschen, ohne erregt zu sein. Exzessivität durch einen regulativen Filter aus Stimulanzien und Schauspiel. Alles ist möglich. Es sieht zumindest so aus.
Du hast alles getan, um nicht allein zu sein. Und nun will dich etwas so radikal vereinzeln. Schlaf ist eine neblige Insel, auf der du immer nur dir selber begegnest. Die Endstation heißt mal wieder MALM, dieses Bettmodell, das sich die meisten Neuberliner offenbar nur zulegen, um möglichst wenig darin zu schlafen. Wann kommst du mal zur Ruhe? Spröde Lippen schmatzen dicht vor deinem Gesicht. Diese Insel ist zu klein für zwei Gestrandete.
Du möchtest dich nicht verlassen, also verlässt du diese Wohnung. Als du die Tür hinter dir schließt, starrst du stur am Klingelschild vorbei. Denn du weißt, es ist egal mit wem du schläfst, solang du mit niemandem einschläfst.
Headerfoto: Annie Spratt via Unsplash.com. („Gedankenspiel-Button“ hinzugefügt.) Danke dafür.
Thanks.so true :-/