Was bist du? Du bist in meinem Kopf. Du bewohnst ihn und ich muss Eigenbedarf anmelden, um dich loszuwerden. Ich wünsche mir einen Mutanfall, um dir wenigstens zu schreiben, dass du deine Sachen packen sollst, aber er überkommt mich nicht. Ich schäme mich nahezu dafür.
Dafür, dass mein Herz und Kopf dich nicht loslassen, dich umklammern. Weil das alles mit uns zu lange her ist, um überhaupt wahr zu sein. Und doch fühle ich so. Immer wieder gibt es passive Berührungspunkte zwischen uns. Hier ein Foto von dir im Anzug auf einer Hochzeit des Bruders meiner besten Freundin. Dann eine wie beiläufig fallengelassene Erwähnung über ein winziges Detail aus deinem Leben. Und schon schlägt mein Herz schneller.
Eine beiläufige Erwähnung und schon schlägt mein Herz schneller.
Mein Verstand kann es nicht greifen, es ist nahezu absurd. Du bist so präsent, als hätte ich dich gestern das letzte Mal gesehen. Du zogst in dem Moment in mein Herz ein, als ich dich das erste Mal sah. Das ist inzwischen halb so lange her, wie mein Leben alt ist. Du warst einer der besten Freunde meiner ersten großen Liebe.
Wir haben so viele Dorfpartys zusammen erlebt, dass ich mich nicht mehr an jede einzelne erinnern kann. Und immer bin ich vor Freude fast explodiert, sobald ich wusste, dass du da sein würdest. Ich habe meinen damaligen Freund geliebt und trotzdem hattest du schon einen festen Platz in meinem Herzen.
In deiner Gegenwart schlägt mein Herz einen anderen Takt.
Ich habe mir selber nicht erlaubt, es mir einzugestehen und versucht, es zu ignorieren. Immer wenn ich dich sah, schlug mein Herz Purzelbäume. Ich habe mich selten für etwas so sehr verurteilt. Und trotzdem, mein Herz schlug in deiner Gegenwart einen anderen Takt.
Dann kam der Tag, an dem ich vor dem Ende meiner damaligen Beziehung stand. Ich war am Boden zerstört. Ich wusste nicht, wer ich bin, wer ich sein wollte, was ich tun sollte – ohne ihn. Er war der zentrale Pfeiler meines Lebens. Ich hatte mein Sicherheitsnetz und meinen allerbesten Freund verloren. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Er hatte entschieden, zu gehen.
Ich konnte dieses Nichts nicht ertragen. Ich schrieb dir, du antwortest nicht. Ich war unendlich traurig, du warst stumm.
Wie könnte es anders sein, war der Grund eine andere Frau. Ich hatte kein Recht der Welt, ihn dafür zu verurteilen. Es war mein Ego, das damit nicht klar kam. Und dann kam die Zeit nach dieser Beziehung. Die Zeit, in der ich endlich aufgehört habe, mich für die Gedanken an dich zu verurteilen. All das habe ich dir an einem Abend mit deutlich zu viel Promille im Blut erzählt.
Und deine Reaktion? Absolute Überforderung. Weder wusstest du, wie du mit meinem Gefühlsausbruch umgehen, noch was du dazu sagen solltest. Also sagtest du nichts. Ich konnte dieses Nichts nicht ertragen. Ich schrieb dir, du antwortest nicht. Ich war unendlich traurig, du warst stumm. Zwei Jahre später sah ich dich unerwartet wieder. Dann endlich hast du mit mir gesprochen.
Ich möchte selbstbestimmt leben und lieben.
Du hast mich endlich gefragt, was das damals sollte – mein Gefühlsausbruch. Dieses Mal war ich die Stumme. Ich wusste keine Antwort. Ich habe meinen damaligen Freund geliebt. Ich wusste nicht, wie es mir möglich war, dir einen Teil meines Herzens zu reservieren. Ich wusste nur, dass es so war. Und ich wusste nie, ob das ein einseitiges Empfinden war. Bis zu diesem Abend vor fünf Jahren.
An diesem Abend, als du mich endlich küsstest. Und was habe ich gemacht? Ich habe dir erzählt, dass du eine dumme Idee bist. Alles aus Angst, in der Vergangenheit zu leben. Und jetzt, wo ich dich wieder in meinem Herzen und Kopf spüren kann, frage ich mich: Bist du real oder surreal? Ich weiß es nicht. Was bist du? Ein Gefühl der Realität oder ein Relikt der Vergangenheit?
Wollen wir Schöpfer oder Opfer unserer Gedanken und damit unseres Lebens sein?
Was möchte ich, dass du bist? Am Ende von Allem steht immer die Frage: Wollen wir Schöpfer oder Opfer unserer Gedanken und damit unseres Lebens sein? Ich entscheide mich für den Schöpfer. Ich melde Eigenbedarf an und lasse mich aufs Leben ein. Lasse mich ein auf die Realität, auf das Hier und Jetzt, wo das echte Leben tobt.
Headerfoto: Edgar Gomez via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!