Eigentlich ist alles gut zwischen uns. Ja, eigentlich. Wäre da nur nicht die Gewissheit, dass das mit uns in etwa sechs Monaten vorbei sein wird, wenn du die Stadt verlässt. Offiziell sind wir ja auch nicht zusammen, also warum überhaupt plagen mich seit kurzem diese ungewohnten Verlustängste? Habe ich überhaupt das Recht, solche Gedanken zu äußern?
Meine verheirateten oder in „richtigen“ Beziehungen lebenden Freunde werden es gewiss nicht verstehen, das steht fest. „Hey, ihr seid kein Paar“, höre ich sie schon sagen. Und es wird mich dann einiges an Kraft kosten, die Fassung zu bewahren, denn sie haben gewissermaßen Recht und ich bin natürlich nicht unschuldig daran, dass die Verbindung zwischen uns lediglich eine unverbindlich verbindliche geworden ist.
Mich ein Jahr lang konstant jede Woche, also sage und schreibe 52 Mal, mit dir zu treffen, allein das ist für mich schon eine ziemlich große Sache gewesen.
Mich ein Jahr lang konstant jede Woche, also sage und schreibe 52 Mal, mit dir zu treffen, allein das ist für mich schon eine ziemlich große Sache gewesen, ziemlich viel Committment, wenn ich ehrlich bin. Etliche Stunden mit Spaziergängen, etliche Stunden auf dem Sofa, etliche Stunden im Bett, etliche Stunden in deiner Nähe. Mehr war auf beiden Seiten nach vorhergehenden Verletzungen und anderen noch zu überwindenden Hürden einfach erst mal nicht drin.
Aber mittlerweile kommt mir diese schöne anfängliche Freiheit, die die Unverbindlichkeit unserer Treffen mit sich brachte, nur noch wie ein goldener Käfig vor. Viel zu groß ist die Angst davor, dass ein falsches Wort den Riegel aufspringen lässt und einer von uns allein zurückbleibt, weil der andere die Flucht ergreift. Realistisch betrachtet, wärst das wohl du, der flieht.
Während du also innerlich schon deinen Abschied planst, aus der Stadt, die dir kein Glück gebracht hat, die ich jedoch liebe und meine Heimat nenne, wird mein Herz von Woche zu Woche, von Treffen zu Treffen immer schwerer bei dem Gedanken, dass das Ablaufdatum näher rückt.
Hauptsache, von außen sieht man mir die Strapazen der „mindestens-haltbar-bis“-Geschichte nicht an. Und dann ist man back in the Game und so.
In richtig schlechten Momenten stelle ich mir vor, wie mein Herz ab jetzt einem graduellen Verfallsprozess ausgesetzt ist und von Monat zu Monat etwas von seiner lebenserhaltenden Stärke verliert, bis es – wenn es in sechs Monaten soweit ist – für einen qualvollen Moment mit dem Schlagen aufhört. Und dann: schlägt es einfach weiter. Vielleicht ein bisschen schwerfälliger, aber konstant und von Neuem unerschütterlich.
Hauptsache, von außen sieht man mir die Strapazen der „mindestens-haltbar-bis“-Geschichte nicht an. Und dann ist man back in the Game und so.
Als du letztens wieder einmal in meinen Armen lagst, nachdem wir miteinander geschlafen hatten, fragte ich dich, ob du mit der Stadt, die du für den Neuanfang hinter dir lassen willst, auch all deine Kontakte hier zurücklassen wollen würdest. Deine nüchterne Antwort lautete, dass es nicht viele Menschen gäbe, zu denen du hier den Kontakt halten möchtest.
Und allenfalls noch einmal hierher zu Besuch kommen würdest, wenn es dafür gute Gründe gäbe. Ich wurde still. Und fragte mich unweigerlich, ob ich und das, was wir miteinander haben, ein solcher Grund sein könnten. Du sahst mich an und fragtest, was in meinem Kopf vor sich geht. Und dann wechselte ich in all meiner Unfähigkeit schnell das Thema, schmiegte mich an dich und versuchte, das undankbare Haltbarkeitsdatum für den Rest des Abends zu vergessen.
Ich glaube, du merkst langsam, dass sich mein Herz während des letzten Jahres unbeholfen und heimlich an deins geheftet hat.
Wie ich den goldenen Käfig hasse! Ich glaube, du merkst langsam, dass sich mein Herz während des letzten Jahres unbeholfen und heimlich an deins geheftet hat. Und es macht dir Angst. Mir auch. Denn es ist so schön, was zwischen uns ist, und ich möchte eigentlich nicht, dass es endet. Ja, eigentlich.
Headerfoto: Alex Iby via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!