Gute Vorsätze sind die entfernten Cousinen der „Interessiert“-Funktion auf Facebook. Man nimmt sich viel vor – fürs gute Feeling. Und am Ende sitzt man dann doch wieder mit der Chipstüte vor Netflix.
„Heute ist nicht mein Tag, ABER morgen …“, oder auch: „Ach, das letzte Jahr war nicht so, ABER nächstes Jahr wird alles besser.“ Ja, nee, ist klar. Wir Menschen haben ein Talent dafür, sehnsüchtig auf den richtigen Moment zu warten, um ihn am Ende dann doch zu verpassen: den richtigen Moment, um etwas Neues anzufangen oder endlich damit aufzuhören, den richtigen Moment für „weniger“ oder „mehr“.
Weniger Selbstoptimierung, mehr Leben!
Gute Vorsätze sind die KPIs unseres Lebens – überprüfen wir nach einem Jahr die Maßnahmen, brauchen wir erst einmal eine Flasche Wein, um die Enttäuschung runterzuspülen. Wir battlen uns mit To-do-Listen – dem modernen Schwanzvergleich der Workaholics – und lieben es, einen Haken hinter die Zeile „06:30 zum Sport“ zu setzen. Schaffen wir es Montagmorgen dann doch nicht aufs Laufband, lachen uns die Buchstaben gehässig aus.
Wir leben in Zeitfenstern und setzen uns damit selbst unter Druck, sammeln Vorsätze wie Treuepunkte bei DM, suchen zum Jahresende den „Restart“-Button und vergessen dabei aber, dass im Grunde genommen jeder Tag ein neuer Anfang ist.
Wir sammeln Vorsätze wie Treuepunkte bei DM.
Nicht etwa die Zeit ist unser größter Feind, sondern der übertriebene Wunsch nach Selbstoptimierung in jeder Lebenslage. Wir sind so beschäftigt mit uns selbst, dass wir ganz vergessen, im Hier und Jetzt zu leben. Und genau darum geht es nämlich: den Moment zu genießen.
Während wir einen auf Weitsicht machen, wird unser Blick für Gelegenheiten immer enger und unser Kopf … ja, der geht Listen durch. Warum denn nicht mal ganz „badass“ einfach leben, ohne Listen und Häkchen – immerhin müssen wir die ja schon auf WhatsApp ertragen.
Meine Vorsätze für’s nächste Jahr? Leben.
Headerfoto: Mädchen vor blauer Wand via Shutterstock! (Gesellschaftsspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür.