Meine Erfahrungen aus der Psychiatrie: Es ist gar nicht so schlimm, wie ich dachte

Der Aufenthalt in der Psychartrie ist für unsere Autorin nicht nur mit Leid verbunden – besonders die Hoffnung und der Humor auf der Station überraschen sie positiv. Mit ihren persönlichen Erfahrungen und diesem Text möchte sie anderen Menschen in ihrer Situation Mut machen und zeigen: Du musst dich nicht schämen.

TW: Psychische Krankheit.

Biologin, Katzenliebhaberin und psychisch krank

Hi, ich bin Livvy, 23 Jahre alt, Biologin, Katzenliebhaberin und psychisch krank. Mittlerweile kann ich diesen Satz sagen, ohne Scham zu empfinden. Aber das war nicht immer so.

Psychische Krankheiten sind leider immer noch so stigmatisiert, dass sich viele gar nicht trauen, darüber zu sprechen. Besonders schlimm wird es, wenn es darum geht, diese Krankheiten zu behandeln. Wenn man erzählt, man sei im Krankenhaus, bekommt man Mitleid. Nimmt man allerdings das Wort „Psychiatrie“ in den Mund, kommt meist Entsetzten. Gerade bin ich in genau dieser Situation, dass ich Leuten erzählen muss (beziehungsweise auch möchte): „Ich bin in der Psychiatrie.“

Wenn man erzählt, man sei im Krankenhaus, bekommt man Mitleid. Nimmt man allerdings das Wort „Psychiatrie“ in den Mund, kommt meist Entsetzten.

Die Psychiatrie ist ein Ort, der so mit Vorurteilen behaftet ist und mit so viel Angst einhergeht, weil es einfach so viel Ungewissheit gibt. Bevor ich selbst Patientin wurde, habe ich stundenlang Erfahrungsberichte gegoogelt und hauptsächlich Horrorgeschichten zu lesen bekommen. Aber eines kann ich vorwegnehmen: So schlimm ist es wirklich nicht.

Und ich kann versprechen: Alle Sorgen und Vorurteile, die ich hatte, waren falsch. Es ist wirklich kein schlimmer Ort für mich.

Bevor ich weiter erzähle die Anmerkung: Es geht hier nur um meine persönliche Erfahrung. Verschiedene Spitäler sind komplett unterschiedlich und es gibt Menschen mit weniger positiven Erlebnissen als meine. Diese sind natürlich genauso valide und ich möchte hier wirklich nichts schönreden. Nur die Hemmung nehmen, falls es euch vielleicht auch so geht, dass ihr in eine Psychiatrie müsst und eine Riesenangst habt.

Das ist meine Geschichte

Seit meinem 12. Lebensjahr geht es mir eigentlich immer schlechter. Ich bin schon seit Jahren bei Therapeutinnen und Fachärztinnen und irgendwie wurde nie etwas besser. Bis ich irgendwann ins Krankenhaus eingewiesen wurde.

Die erste Assoziation mit Psychiatrie ist für viele verbunden mit Medien wie „Einer flog übers Kuckucksnest“ oder „The Bell Jar“. Man denkt vielleicht an Elektroschocks oder gefährliche Patient:innen.

Man denkt vielleicht an Elektroschocks oder gefährliche Patient:innen.

Und ja, natürlich gibt es viele Menschen, denen es wirklich schlecht geht. Man ist umgeben von dem Leid anderer und das macht etwas mit einem. Aber eines habe ich hier besonders oft erlebt. Hoffnung. Die Hoffnung, nicht für immer so leben zu müssen. Die Hoffnung auf einen Neuanfang. Die Hoffnung nach Besserung.

An manchen Tagen wirkt alles hoffnungslos und schrecklich. An manchen Tagen verliere auch ich die Hoffnung. Doch sie wird einem wieder gegeben, auch wenn es manchmal schwierig ist, sie anzunehmen.

Was mich besonders überrascht hat? Wie viel Humor man hier begegnet. Ja, wir leiden alle und die meisten haben viel Trauma und einen schwierigen Lebenslauf, aber es wird auch sehr viel gelacht. Viele nehmen es mit Humor, hier zu sein.

Psychische Krankheiten diskriminieren nicht. Es gibt Menschen diverser Religion, Altersklassen, Geschlechter, Bildung, Berufe etc.

Es sind alles ganz normale Menschen mit diversen Problemen. Und wenn man zusammenlebt, lernt man sich schnell sehr gut kennen. Neben dem Leid der anderen erfährt man auch, wenn sie davon ausgenommen sind. So viel Diversität wie auf einer Psychiatrie findet man selten. Psychische Krankheiten diskriminieren nicht. Es gibt Menschen diverser Religion, Altersklassen, Geschlechter, Bildung, Berufe etc. Und so lernt man schnell extrem viele starke Menschen kennen.

Meine Tage in der Psychartrie

Als ich ankam, war ich ganz überrascht. Mein Zimmer, das ich mit zwei weiteren Patientinnen teile, erinnert mich etwas an ein Hostel. Etwas hässliche braune Betten ersetzten die Krankenhausbetten in meinem Kopf. Neben dem Bett ist Platz für eigene Dekoration, welche ich sofort montiere. Ein Bild von meiner Freundin und mir und Bilder meiner Katzen.

Danach bekam ich meinen Stundenplan. Unsere Tage gehen von 8:30 bis 15:00 und sind gefüllt mit Therapien. Neben der Psychotherapie habe ich auch Kunst-, Ergo-, Physio- und Musiktherapie sowie Yoga, Entspannungseinheiten und Morgenrunden, wo wir Nordic Walking betreiben. Ich habe anfangs etwas darüber schmunzeln müssen, weil es doch sehr österreichisch ist (prinzipiell nichts Schlechtes, aber darüber lachen musste ich trotzdem). Ich war nicht besonders begeistert, mit den Stöcken gehen zu müssen, doch mittlerweile macht es total Spaß.

Nach der ersten Therapie ging es auch schon zum Essen. Das Essen ist wirklich fürchterlich. Bestimmt nicht in jedem Krankenhaus, aber bei uns schon.

Es ist nun mal kein Urlaub, sondern ein Krankenhaus und das Gesundwerden ist leider eine harte Probe.

Die Tage an sich sind harte Arbeit. Es ist nun mal kein Urlaub, sondern ein Krankenhaus und das Gesundwerden ist leider eine harte Probe. Ich weine viel und manchmal geht es mir wirklich nicht gut. Aber ich möchte hier ja die Wahrheit erzählen und das gehört zum Kranksein dazu.

Wenn es mir etwas besser geht, zeichne ich, spiele Saxofon oder schreibe.

Was mir in dieser schweren Zeit hilft

Was mir bis jetzt geholfen hat? Mich aktiv an das Positive zu erinnern. Wenn ich das nicht schaffe, dann mach ich bei meinen Gefühlen immer einen Faktencheck und frage mich, ob meine Ängste der Realität entsprechen oder eventuell ein Symptom meiner Krankheit sind.

Doch ich bin nie allein mit meinen Problemen. Es sind rund um die Uhr Pflegepersonen anwesend, zu welchen wir mit jedem Anliegen gehen dürfen und auch sollen. Manchmal hilft es bereits, seine Probleme auszusprechen.

Manchmal hilft es bereits, seine Probleme auszusprechen.

Was ich euch gerne mitgeben möchte, ist, dass eine Psychiatrie kein Ort ist, für den man sich irgendwie schämen muss und dass der Aufenthalt auch nichts Schreckliches sein muss. Und falls es doch eine geschlossene oder strengere Psychiatrie ist, denkt daran, dass es dazu dient, euch zu helfen. Jede einzelne Person hier verdient es, Hilfe zu bekommen und gesund zu werden – selbst wenn wir uns manchmal einreden, manchmal keine Fortschritte zu machen.

Dir geht es gerade nicht besonders gut und du weißt nicht, wie du das alleine schaffen sollst? Hier sind ein paar Anlaufstellen, bei denen du Hilfe finden kannst: 

Ein Besuch beim Hausarzt oder der Hausärztin deines Vertrauens kann ein guter erster Schritt sein. Unter www.therapie.de findest du freie Psychotherapieplätze in deiner Nähe. Freunde fürs Leben e.V. bietet neben ganz vielen Informationen zu psychischen Krankheiten auch solche zu Hilfsangeboten. Unter 0800-1110111 erreichst du jederzeit die Telefonseelsorge, wenn du dringender Hilfe brauchst und unter 116-111 das Kinder- und Jugendtelefon.

Du bist nicht allein ! <3 

Livvy ist 23, Biologin, Katzenliebhaberin und Queer und Autistin. Sie hat ein Weilchen gebraucht, aber mittlerweile ist sie stolz auf ihre Identitäten und will anderen helfen, das auch zu sein. Mehr von Livvy findet ihr auf Instagram.

Headerfoto: Ron Lach (Kategorie-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.