Mein Leben ohne Bulimie –  ich musste erstmal ganz unten aufschlagen, um zu erkennen was Leben bedeutet

Ich habe mir nie wirklich vorgestellt, wie mein Leben ohne die Essstörung wohl sein würde. Ich wusste immer nur eines, dass ich irgendwann frei sein werde. Die Bulimie hat mir augenscheinlich viel gegeben, zu Zeiten, in denen ich unbewusst nicht anders wusste, mit all den Glaubenssätzen, Emotionen und Gefühlen umzugehen.

Doch genau so nahm sie immer und immer mehr von mir. Bis sie mein Leben bestimmte. Selbst wenn ich es erst nicht bemerkte und alles erfolgreich verdrängte, wurde mein Leben immer mehr von dem dunklen Schleier der Bulimie bedeckt. Auch wenn es von außen nicht so aussah, sie nahm mir alles.

Mein Alltag wurde von dem konstanten Gefühl von Stress kontrolliert, der wiederum Ängste und eine solche Wut in mir aufkommen ließ, die ich ja eigentlich durch die Bulimie nicht mehr spüren sollte.

All die unterdrückten Gefühle wurden immer lauter und so wuchs auch mein innerer Druck, der mir keine Ruhe ließ. Mein Alltag wurde von dem konstanten Gefühl von Stress kontrolliert, der wiederum Ängste und eine solche Wut in mir aufkommen ließ, die ich ja eigentlich durch die Bulimie nicht mehr spüren sollte.

Meine negativen Glaubenssätze wuchsen mir über den Kopf und das Einzige, das mich in all dem Bullshit funktionieren ließ, war die Bulimie, die mich aber gleichzeitig immer mehr in all den Scheiß versinken ließ.

Mein Körper funktionierte irgendwann auch nicht mehr und das ließ er mich deutlich spüren. Denn die Bulimie frisst dich von innen heraus auf, bis dein Körper es dir deutlich zu spüren gibt. Es ist unglaublich, wie viel der Körper aushält, aber irgendwann ist auch Schluss.

Dir fallen die Haare aus, deine Haut wird trocken und blass. Deine Zähne verlieren mehr und mehr an Substanz, bis sie nach und nach abbrechen.

Der Körper kann irgendwann nicht mehr 

Du wirst ständig von Bauchkrämpfen geplagt. Du hast keine Energie mehr und frierst ständig, weil dein Kreislauf im Keller ist. Dein Herz rast bei jeder kleinen Anstrengung. Dein Hals tut ständig weh. Deine Periode bleibt aus. So könnte ich immer weitermachen, mal ganz davon abgesehen welche Folgeerkrankungen daraus entstehen können wie, Unfruchtbarkeit, Schilddrüsenunterfunktion, Herz Rhythmus Störungen usw.

Es ist wie ein Teufelskreis, erst einmal findest du anscheinend die Lösung für all deine Probleme und ehe du dich versiehst, wird die Lösung zum Problem und du steckst so tief drin, dass du ohne sie nicht mehr leben kannst.

Ich fühlte mich wie in einem Hamsterrad, das nie anhielt und sich immer schneller drehte. Selbst wenn ich so fertig war und nicht mehr konnte, musste ich immer weiter und weiterlaufen. Das einzige, das ich mir Tag für Tag wünschte, war einfach mal Stopp drücken zu können. Einfach mal durchatmen.

Ich habe lange gebraucht, um zu erkennen dass die Bulimie immer mein Wegweiser war. Die mir immer nur zeigen wollte, dass ich hinschauen muss und mich all dem Bullshit in meinen Kopf stellen muss.

Es erfordert unglaublich viel Kraft, Ausdauer und Mut sich all dem Zeug in deinem Unterbewusstsein zu stellen, dass sich all sie Jahre angestaut hat.

Es erfordert unglaublich viel Kraft, Ausdauer und Mut sich all dem Zeug in deinem Unterbewusstsein zu stellen, dass sich all die Jahre angestaut hat. Ganz davon abgesehen, was durch das Symptom hinzukam. Aber wie das so mit allen Süchten ist, sie sind lediglich das Symptom deiner unbewussten Glaubenssätze, Prägungen und daraus resultierenden Gefühlen und Handlungen.

Es hat Jahre gedauert viele Momente der Verzweiflung und der Hoffnung zugleich, bis ich meinen Weg gefunden habe. Ich sage immer so gern, ich musste erstmal lernen zu schwimmen, um meinen Rettungsring los lassen zu können und ans Ufer zu schwimmen. Es war ein langer, harter Weg voller Sackgassen und Umwege, bis ich den richtigen Weg fand.

Heute weiß ich aber genau, dass dieser Weg genau der richtige war. Denn ich werde nie wieder in dieselben Sackgassen abbiegen, oder mich in Umwegen verlieren. Nichts wird mich mehr so erschüttern können wie diese Bulimie. Ich bin ich unendlich dankbar, denn durch sie habe ich all das Gute in mir erkannt.

Durch das Schlechte, das Gute in sich erkennen 

Ich bin durch sie stärker, mutiger und schlauer geworden, als ich es mir je erträumt hätte. Ich habe meinen Wert erkannt und kann heute all die kleinen Dinge in meinem Leben schätzen, die mir die Bulimie all die Jahre genommen hat.

Meine Beziehung, meine Freundschaften, meine Zeit mit der Familie haben so an Qualität gewonnen. Heute führe ich keine oberflächlichen Gespräche mehr, beteilige mich nicht an ständigen negativen Bewertungen, oder Lästereien.

Ich habe meinen Wert erkannt und das kann mir keiner mehr nehmen.

Ich sage meine Meinung ohne Angst vor Zurückweisung. Ich beziehe die Launen anderer nicht mehr auf mich. Ich kann klar differenzieren, was zu mir gehört und was mich nicht betrifft. Ich definiere mich nicht länger über meinen Körper, oder über andere oberflächigen Dinge. Ich habe meinen Wert erkannt und das kann mir keiner mehr nehmen.

Und das wichtigste, ich genieße jeden Tag, ohne jemals wieder in meinem Leben an Diäten denken zu müssen. Ich habe nur dieses eine Leben, warum es dann mit solch unwichtigen Dingen verschwenden.

Heute bin ich dankbar, frei und endlich in Frieden mit mir.

Dieser Text ist hier bereits erschienen.

Isa ist 22 Jahre jung und durfte in der kurzen Zeit, in der sie auf dieser Welt ist, schon einige Höhen und Tiefen durchleben. Mit 15 fing sie an zu hungern, mit 16 an zu kotzen. Sie musste erst ganz unten ankommen, um zu erkennen, dass sie doch eigentlich leben will. Heute ist sie frei und braucht die Essstörung nicht mehr. Hier findet ihr mehr zu ihr.

Headerfoto: Elizeu Dias via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt und zugeschnitten.) Danke dafür!

 

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