Es fing alles ganz harmlos an – nachdem ich zweieinhalb Jahre Single gewesen bin, hatte ich Lust, einen Mann kennenzulernen, mich vielleicht sogar wieder zu verlieben, nicht länger alleine zu sein. Also meldetet ich mich bei dem Dating-Portal Lovoo an.
Innerhalb weniger Klicks erstellte ich mir ein Profil, lud einige Bilder hoch, fügte Informationen über mich hinzu – und war ein wenig aufgeregt, denn das Abenteuer Online-Dating konnte nun losgehen.
Es dauerte nicht lange und ein äußerst attraktiver Mann schrieb mich an.
Es dauerte nicht lange und ein äußerst attraktiver Mann schrieb mich an:
„Hello beautiful woman, how was your day? I really like your pictures and I would be very happy to hear from you.“
Ein gefaktes Lovoo-Profil
Sein Name war „Micheal Jones“, angeblich 41 Jahre alt, angeblicher Wohnort: Hamburg Borgfelde, angeblicher Beruf: Ingenieur.
Wir fingen an Kontakt aufzunehmen, er war aufmerksam und höflich, wirkte intelligent und gebildet.
Ich schaute mir sein Profil an, die Fotos zeigten einen hübschen, gepflegten Mann. Er hätte als Model durchgehen können. Und: Laut seinen Angaben suchte er etwas Festes. Wir fingen an Kontakt aufzunehmen, er war aufmerksam und höflich, wirkte intelligent und gebildet. Er erzählte mir, dass er aus den USA stamme und seit zwei Jahren wegen seines Berufes hier in Deutschland sei.
Nach einigen Tagen teilte er mir mit, dass er beruflich nach Litauen müsse, er würde dort eine Baustelle betreuen. Ich war ein wenig traurig, denn ich hatte gehofft, dass wir uns schon bald treffen würden.
„Don’t be sad, baby, I will come back soon, and then we will meet“ – das war seine Aussage.
Virtuelle Realität: Google Hangouts
Wir begannen, täglich zu texten. Wenn ich morgens aufwachte, hatte ich schon eine Nachricht von ihm auf meinem Handy. Er schrieb schöne, tiefgründige Sachen, die mir immer ein Lächeln auf die Lippen zauberten.
Wir begannen, täglich zu texten. Wenn ich morgens aufwachte, hatte ich schon eine Nachricht von ihm auf meinem Handy.
Irgendwann wollte er, dass wir unsere Unterhaltung auf dem Google Messenger Hangouts weiterführen mit der Begründung, WhatsApp würde aufgrund des schlechten Internets in Litauen nicht so gut funktionieren. Ich habe mir zunächst nichts dabei gedacht – im Nachhinein haben meine Recherchen ergeben, dass Hangouts bei Betrügern sehr beliebt ist, denn der Chatverlauf ist nicht so einfach nachvollziehbar wie beispielsweise bei WhatsApp.
Illegale Bankgeschäfte
An einem Abend bat er mich dann, eine Überweisung von seinem Konto durchzuführen – wieder mit der Begründung, das Internet in Litauen sei so schlecht. Er gab mir die Zugangsdaten zu einem Bank-Account bei einem Kreditinstitut bei der „Cadence Express Bank“ – eine Bank, die gar nicht existiert, wie ich später feststellen sollte.
Ich konnte mich also einloggen und auf diesem Konto waren über 65.000 Euro. Ich sollte 7.500 Euro an einen „Chris L.“ überweisen, angeblich für Materialien, die er auf der Baustelle, die er als Ingenieur betreute, brauchte.
Spätestens hier hätte ich stutzig werden sollen und eine leise Stimme in mir sagte auch, dass etwas nicht stimmt. Aber er hatte mich schon so weit manipuliert, dass ich beinahe alles gemacht hätte, was er mir sagte. Ich überwies also 7.500 Euro auf ein Konto bei einer renommierten deutschen Bank.
Am nächsten Abend fragte „Micheal“ mich, ob ich noch einmal 1.500 Euro für weitere Materialien überweisen könnte.
Am nächsten Abend fragte „Micheal“ mich, ob ich noch einmal 1.500 Euro für weitere Materialien überweisen könnte– diesmal an ein Konto bei einer Berliner Online-Bank. Die angebliche Empfängerin: Eine „Manuela T.“ Doch diesmal wurde die Überweisung zurückgewiesen. Es poppte ein kleines Fenster auf mit der Nachricht, dass diese Transaktion nicht möglich sei.
„Micheal“ sagte mir, ich solle mich einmal von seinem Konto auszuloggen, um mich im nächsten Schritt wieder anzumelden – doch das war plötzlich nicht mehr möglich. Es hieß, das Konto sei gesperrt. Daraufhin geriet er in Panik, erklärte, er müsse diese Überweisung unbedingt heute noch durchführen, er bräuchte die Materialien dringend auf der Baustelle, sonst könnte er nicht weiterarbeiten und würde in massive Schwierigkeiten geraten.
500 Euro – einfach weg
Er fragte mich, wieviel Geld ich auf meinem Konto habe, bat mich, ihm finanziell auszuhelfen. Ich log ihn an, sagte, ich hätte noch ungefähr 600 Euro auf meinem Sparkonto – in Wirklichkeit war es weitaus mehr. Ich wurde misstrauisch und dennoch überwies ich 500 Euro auf das Konto bei der angegebenen Bank.
„Micheal“ erklärte mir, es wäre eine Sache von maximal zwei Tagen, sein Konto wieder zu entsperren, ich solle ihm vertrauen, er würde die 500 Euro so schnell wie möglich wieder an mich zurücküberweisen.
Noch in dem Moment, in dem ich das Geld überwies, wurde mir klar, dass das ein Fehler war und das „Micheal“ ein Betrüger ist.
Noch in dem Moment, in dem ich das Geld überwies, wurde mir klar, dass das ein Fehler war und das „Micheal“ ein Betrüger ist. Doch ich wollte es nicht wahrhaben, wollte all seine schönen, poetischen Zeilen, die er mir über einen Zeitraum von vier Wochen geschrieben hatte, glauben.
Am nächsten Morgen bat er mich dann, mein Konto zu überziehen und er fragte mich, ob ich Wertgegenstände hätte, die ich verkaufen könnte.
Anzeige bei der Polizei
Ich ging direkt zu Polizei und erstattetet Anzeige. Danach war ich bei meiner Bank und versuchte, meine 500 Euro wieder zurückzubekommen – jedoch vergeblich.
Die Polizei erklärte mir, dass man diese Art des Betrugs „Love oder auch Romance Scamming“ nennt. Die Masche sei bekannt – über Dating Portals oder auch Social Media lernt man jemand kennen. Derjenige macht einem Komplimente, zeigt Interesse, fragt, wie es einem geht.
Dabei arbeiten diese „Love Scammer“ mit raffinierten, psychologischen Tricks. Sie versuchen, sich im Leben ihres Opfers unverzichtbar zu machen, bauen über einen langen Zeitraum hinweg Vertrauen auf und am Anfang geht es nie um Geld.
Love Scammer arbeiten mit raffinierten, psychologischen Tricks. Sie versuchen, sich im Leben ihres Opfers unverzichtbar zu machen.
Ich war besonders empfänglich für diese vorgegaukelte Art der Zuneigung, einfach, weil ich einsam bin und mich so sehr nach Liebe sehne; nach jemanden, der da ist und der sich für das interessiert, was ich mache.
Was ich besonders perfide finde, ist die Tatsache, dass „Micheal“ sich als Christ ausgegeben hat. Er hat mir erzählt, er ginge jeden Sonntag in die Kirche, er würde für mich beten. Schlimm ist auch, dass die Betrüger mit den Gefühlen ihrer Opfer spielen. Das ist sehr unmoralisch und unethisch.
Das missbrauchte Vertrauen
Nach dem ersten Schock kam dann die Wut: Wie konnte ich so dumm, so naiv sein und auf so etwas reinfallen? Dass das Geld weg ist, ist das eine. Natürlich sind 500 Euro viel Geld. Geld, was nun fehlt. Aber was noch viel, viel schlimmer ist, ist das missbrauchte Vertrauen. Ich habe diesem Menschen so viel Persönliches, so viel Intimes von mir erzählt, habe Fotos geschickt, habe mich geöffnet und mich auf eine Beziehung eingelassen.
Ich habe diesem Menschen so viel Persönliches, so viel Intimes von mir erzählt habe mich geöffnet und mich auf eine Beziehung eingelassen.
Die Polizei sagte, sie könne erst einmal nichts machen. Also begann ich, auf eigene Faust zu recherchieren. Zunächst einmal jagte ich sein Bild durchs Netz – und fand sehr schnell heraus, dass er dieses von dem Instagram-Account eines amerikanischen Influencers geklaut hatte.
Die Bank, zu der er mir seine Zugangsdaten gegeben hatte, existierte nicht. Im Netz findet sich gar nichts zu dieser Bank, keinen einzigen Eintrag. Nur wenn man die Adresse direkt in den Browser eingibt, gelangt man auf eine Homepage. Was außerdem sehr verdächtigt ist: Es gelingt innerhalb von drei Minuten, ein Konto bei dieser Bank einzurichten – mit völlig gefakten Daten und einem falschen Foto. Es erfolgt keine Verifizierung. Das ist illegal und kriminell. Es kann gut sein, dass diese Bank in Geldwäsche-Geschäfte involviert ist.
Bei meinen Recherchen stellte ich fest, dass ich noch glimpflich davongekommen bin.
Bei meinen Recherchen stellte ich außerdem fest, dass ich noch glimpflich davongekommen bin. Es gibt Menschen, die über 50.000 Euro an solche Betrüger gezahlt haben – immer in der Hoffnung auf die große, auf die eine Liebe. Dahinter steckt ein ausgeklügeltes System. Die „Scammer“ sitzen meist in Afrika, sind in Banden organisiert und machen den ganzen Tag nichts anderes als ihren „Auserwählten“ Lügen zu schreiben.
Dabei gehen sie – wie oben schon erwähnt – psychologisch äußerst raffiniert vor. Zunächst versuchen sie, sich im Leben ihrer Opfer unentbehrlich zu machen – und zwar ohne ein einziges Treffen. Sie bauen Vertrauen auf, fragen beispielsweise, wie man geschlafen hat, ob man schon etwas gegessen hat und wie der Tag gewesen ist. Wenn man – so wie ich – schon längere Zeit alleine ist, tut so etwas so verdammt gut, es ist Balsam für die einsame Seele, die sich nach Liebe und Zuneigung sehnt.
Aus Scham keine Anzeige bei der Polizei
Viele Opfer bringen die Taten nicht zur Anzeige, weil sie sich schämen, auf diese Art des Betruges reingefallen zu sein. Und für diejenigen, die den Mut haben, Anzeige zu erstatten, kann die Polizei in den meisten Fällen nichts tun. Weil die Kriminillen im Ausland sitzen, mit gefakten IP-Adressen, die eine Nachverfolgung so gut wie unmöglich machen. Das ist hart, denn es handelt sich hierbei um organisierte Kriminalität.
Und ich? Ich bleibe zurück mit einem leeren Konto. Was aber viel, viel schlimmer ist, ist das Gefühl, emotional ausgenutzt worden zu sein.
Und ich? Ich bleibe zurück mit einem leeren Konto. Das ist schlimm und ja – 500 Euro sind für mich viel Geld, das eigentlich für meinen Urlaub vorgesehen war. Was aber viel, viel schlimmer ist, ist das Gefühl, emotional ausgenutzt worden zu sein.
Für mich ist dies eine Lehre: Ich werde Abstand vom Online-Dating nehmen. Mein Profil bei Lovoo habe ich gelöscht. Diese Woche soll ich noch einmal zur Kriminalpolizei kommen – um erneut eine Aussage zu machen. Das weckt in mir die Hoffnung, dass vielleicht von Seiten der Behörden doch noch etwas unternommen wird. Tief in meinem Innersten weiß ich aber, dass ich wohl nie erfahren werden, wer sich tatsächlich hinter „Micheal Jones“ verbirgt.
Headerbild: Ron Lach (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!
Am Besten nur mit Leuten schreiben, die verifiziert sind (blaue Haken hinter dem Namen). 😉
Ich habe auf Lovoo und Tinder sämtliche Fake-Accounts gesehen und wurde auch von einigen angeschrieben. Meist sind es Ingenieure, Soldaten, Ärzte, etc. Und alle sehen gut aus. Bei Online-Dating-Seiten immer bissl misstrauisch sein und wie gesagt, nur mit verifizierten Leuten schreiben. 😉