Immer wieder kreisen meine Gedanken in letzter Zeit um den Begriff „Loslassen“ und immer öfter frage ich mich, welche Bedeutung dieses Wort eigentlich für mich hat. Ich habe mich selbst eine ganze Zeit lang beobachtet und versucht, mein Verhalten sehr reflektiert zu deuten, mit Ende zwanzig kann man das doch – sagt man. Klappt zwar nicht immer so ganz unvoreingenommen, aber einen Versuch war es wert.
Warum fällt es also so schwer, Beziehungen zwischenmenschlicher Art loszulassen? Liegt es an meinem anerzogenen Glauben, dass Kämpfen in jeglicher Hinsicht zum Leben dazugehört und Aufgeben eben keine Option ist? Oder ist es schlichtweg eine Kombination aus Bequemlichkeit und Angst?
Aufgeben ist nicht gleich Scheitern
Versteht mich nicht falsch, das ist sicherlich auch Charaktersache und bestimmt sind es viele Verbindungen im privaten und auch beruflichen Umfeld wert, „erkämpft“ zu werden. In dieser Hinsicht ist dieser immer weitertreibende Gedanke durchaus positiv.
Trotzdem lässt mich das Gefühl nicht los, dass es manchmal besser ist, „aufzugeben“ und dies nicht als Scheitern seiner selbst wahrzunehmen, sondern als Befreiung zu empfinden. Die große Kunst ist es dabei sicherlich, nicht vorschnell zu handeln, den Kopf in den Sand zu stecken und zu lernen, das eine vom anderen zu unterscheiden und somit eben auch mögliche emotionale Verletzungen in Kauf zu nehmen.
Ich gerate immer wieder an ähnliche männliche Charaktere. Eines haben sie alle gemeinsam: ihre Unentschlossenheit. Sie wollen sich auf nichts festlegen.
Ein paar Beispiele, um die Thematik zu veranschaulichen: Ich gerate immer wieder an ähnliche männliche Charaktere. Jeder hat hier natürlich ganz unterschiedliche Facetten, aber eines haben sie alle gemeinsam: ihre Unentschlossenheit. Sie wollen sich auf nichts festlegen, keine Termine einhalten oder ausmachen und sich schon gar nicht auf eine Art von verbindlicher Beziehung einlassen. Sie wollen frei sein.
Sie verbringen gerne Zeit mit mir, da sie meine Persönlichkeit als sehr offen und fröhlich empfinden. Sobald es aber dann tiefgründiger wird, ergreifen sie geschlossen die Flucht. Komischerweise spornt mich dieser Zustand immer wieder an, diesen Verhaltensmustern nachzugehen. Als würde ich es herauskitzeln wollen, schmerzhafte Dinge wie „es ist eben einfach nicht mehr“ zu hören.
Seltsamerweise bin ich charakterlich aber das komplette Gegenteil – ich liebe es zu planen, weil ich eben einfach gerne Ziele habe oder nennen wir es auch gerne Pfeiler, an den ich mich in schwierigen Zeiten festhalten kann, die mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubern, wenn ich daran denke.
Gegensätze ziehen sich nicht immer an
Jetzt könnte man natürlich sagen, Gegensätze ziehen sich an, daran glaube ich in dieser Hinsicht aber tatsächlich nicht. Sicherlich sollte man sich gegenseitig ergänzen, die Grundeinstellungen und Werte sollten aber dann doch übereinstimmen.
Woher kommt also dieser ewige Kampfgeist? Wäre es in solchen Fällen nicht einfacher, sich nicht zu verrennen, oder sogar regelrecht festzubeißen und loszulassen? Eine Akzeptanz der Situation gegenüber zu entwickeln und nach vorne zu schauen?
Meine aktuelle Jobsituation: Ich bin todunglücklich mit dem, was ich Tag für Tag tue. Ich schubse Zahlen rauf und runter.
Ein weiteres Beispiel ist meine aktuelle Jobsituation. Ich bin todunglücklich mit dem, was ich Tag für Tag tue. Ich schubse Zahlen rauf und runter, dabei habe ich Mathe und alles, was damit zu tun hatte, schon in der Schule verabscheut. Schreiben war dafür schon immer eine meiner Leidenschaften. Wie kam es also dazu?
Gut, diese Frage ist recht einfach zu beantworten. Die große Welt der Medien hörte sich damals für mich einfach unglaublich spannend an. Ich träumte von Glitzer und Glamour und irgendwelchen Hochglanzmagazinen und einer Arbeitswelt, wie sie wohl nur Carrie Bradshaw kennt. Also machte ich meinen Bachelor in Medienmanagement und weil es eben so schön dazu gepasst hat, auch noch meinen Master in Marketing, Vertrieb und Medien.
Dieses Mal kampflos, passte ja schön zusammen. Denn bereits damals aufkeimenden Gedanken, dass das alles überhaupt nicht mein Ding ist, verdrängte ich. Bis zum Arbeitsstart ist ja noch lange hin und bis dahin ändert sich dieses Gefühl bestimmt noch, dachte ich zumindest.
Immer die gleichen Jobs, auch hier kein Loslassen
Doch auch bei neuen Jobs bewerbe ich mich immer auf ähnliche Stellenprofile, wohlwissend, dass das ein Sprung vom Regen in die Traufe wäre. Wahrscheinlich aus Angst davor, meinen derzeitigen Standard hinter mir zu lassen und nochmal neu anfangen zu müssen. Auch hier kann ich scheinbar nicht loslassen.
Was also bedeutet dieses Wort in beruflicher und privater Hinsicht für mich? Auf der einen Seite sicherlich Angst und/oder auch Bequemlichkeit. Angst vor etwas Neuem und zu viel Trägheit, dieses dann auszuprobieren.
Meine Männergeschichten und auch mein Job sind ja beides „bekannte Problemfelder“, vielleicht ist es tatsächlich manchmal eine Art von Gemütlichkeit, daran festzuhalten und den Männern hinterher zu laufen, deren Reaktionen ich ja meistens vorausahnen kann.
Das anschließend folgende Gefühlschaos ist mir bekannt und ich kann mich quasi ja schon darauf einstellen. Auch Angst vor unbekannten Gefühlen spielt beim Nicht-loslassen-Können sicherlich eine große Rolle.
Verrückt, wie man als selbstreflektierender Mensch immer und immer wieder in alte Verhaltensmuster zurückfällt
Verrückt, wie man als selbstreflektierender Mensch immer und immer wieder in alte Verhaltensmuster zurückfällt. Vielleicht ist es aber auch der erste Schritt, sich selbst dabei zu beobachten und Ehrlichkeit gegenüber der eigenen Person walten zu lassen.
Dieser Prozess mag einen oft an den Rand des Wahnsinns treiben. Nachdem ich allerdings diese Zeilen geschrieben habe, fühle ich mich viel freier und gebe mir selbst das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Gedanken loszulassen ist wohl der erste wichtige Schritt für mich.
Headerfoto: Jeffrey Wegrzyn via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
Unglaublich schön das zu lesen!
Ich fühle genauso und habe immer wieder die gleichen Probleme wie die Autorin.
Schön zu wissen, dass man nicht allein ist.
Schöner Text! Meiner Meinung nach kann die Person aus dem Text ihre Angst vor der Freiheit nicht überwinden. Daher sehnt sie sich nach frei lebenden Männern, weil sie können, was sie sich momentan nicht traut. Angst und Bequemlichkeit sind größer als das Unglück. Daher steckt sie im gewohnten Umfeld mit gewohnten Männern fest.