Königin der Unverbindlichkeit: Eine Hommage an das Vielleicht

Ich bin ein Mädchen des Vielleichts, die Königin der Unverbindlichkeit – sagen Freundinnen. Verabredungen sage ich häufig nur lose zu und bei Restaurant-Besuchen stochere ich nicht nur in meinem, sondern auch im Essen meiner Begleitung rum. Dazu halte ich mir gerne mehrere Optionen offen, habe Schwierigkeiten beim Treffen von Entscheidungen. Dafür aber ausgeprägtes Talent im Grübeln. Mir ist bewusst, dass mich diese Sätze nicht sonderlich sympathisch wirken lassen, aber bevor ihr die Augen verdreht, lest diesen Text, der gleichzeitig Anklage und Plädoyer für das Wort „Vielleicht“ ist.

Wenn ich in der Vergangenheit Vielleichts verteilte, habe ich mich selten schlecht dabei gefühlt. Vielleicht zu sagen, das kam mir ehrlich vor, denn niemand weiß, woran noch Gefallen gefunden und wie sich eine Situation entwickeln wird. Und so verteilte ich Vielleichts an Jobangebote, Dates und Partyeinladungen. Anstatt mich selbst zu einem Ja oder Nein zu drängen, dessen Richtigkeit ich in dem Moment gar nicht beurteilen konnte, erschien es mir ehrlicher die eigene Unsicherheit zu formulieren und zu ihr zu stehen.

Problematisch wird es jedoch, wenn das Vielleicht nicht ehrlich, sondern bequem ist.

Problematisch wird es jedoch, wenn das Vielleicht gar nicht ehrlich, sondern einfach bequem ist. Ich habe in der Vergangenheit, und das sind die Vielleichts auf die ich keineswegs stolz bin, auch dann vielleicht gesagt, wenn ich eigentlich schon wusste, was ich will. Ich habe zu Jobangeboten vielleicht gesagt, anstatt meine Bedingungen zu formulieren und ich habe zu Männern vielleicht gesagt, wenn ich eigentlich schon wusste, wie (und wie nicht) wir zueinander finden können.

In so einem Fall ist ein Vielleicht nicht ehrlich. Es ist die bequeme Art zu sagen „Jetzt lass mich doch mal kurz in Ruhe damit“. Und das ist kein Vielleicht, das ist bereits eine Entscheidung.

Im Idealfall eröffnet ein Vielleicht einen Kommunikationsraum.

Aber ein Vielleicht sollte kein bequemer Platzhalter sein. Im Idealfall eröffnet ein Vielleicht einen Kommunikationsraum; in einem ehrlichem Vielleicht liegt die Chance gemeinsam auszuprobieren, ob es einen Weg zueinander gibt.  Nur, damit ein Vielleicht eine Chance sein kann, müssen wir beginnen, es ehrlich zu meinen und zu gebrauchen. Nicht als leere Floskel, nicht als Ausrede um den Anderen nicht vor den Kopf zu stoßen und erst recht nicht als Spielchen irgendwelcher (völlig überflüssiger) Hard-To-Get-Maschen.

Nur so kann ein Vielleicht zu einem ehrlichen Kommunikationsraum werden. Oder sogar zu einem Vertrauensbeweis, denn wer Vielleicht sagt, formuliert damit nicht selten die eigene Unsicherheit. So gesehen kann ein Vielleicht sogar ein Zuneigungsbeweis sein: Man macht sich angreifbar, in dem man seine Unsicherheit ausspricht und signalisiert gleichzeitig, dass man Neuem eine Chance zu geben würde – eigentlich die perfekte Ebene, um aufeinander einzugehen.

Wer Vielleicht sagt, formuliert damit nicht selten die eigene Unsicherheit. Jeder Mensch hat das Recht auf ein Vielleicht.

Wir sollten uns nicht von den Vielleichts an sich abwenden, nur von ihren unehrlichem Gebrauch. Sprüche wie „sag ja oder nein“ sind großer Unfug, denn jeder, wirklich jeder Mensch hat das Recht auf ein Vielleicht. Es ist eine Farce zu glauben, Menschen müssten sich immer hundertprozentig sicher sein. Damit meine ich nicht, dass wir notorische Zweifler werden sollen. Die eigenen Wünsche und Grenzen zu kennen, betrachte ich als gut und richtig – allerdings finde ich es genauso gut und richtig diese von Zeit zu Zeit zu hinterfragen. Manchmal kehren wir nach dieser Neuorientierung auf unseren Ausgangspunkt zurück und manchmal entdecken wir danach ungeahnt Schönes.

Kristin schreibt manchmal und träumt oft. Vom Leben in Baumhäusern und Sommernächten. Ansonsten mag sie ungesüßten Kaffee und Autobahnfahrten bei Regen mit guter Musik.

Headerfoto: kevin laminto via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!  

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