Ich scheine in einem Alter zu sein, in dem sich Menschen denken, sie müssten da mal die Frage nach Kindern aufkommen lassen. „Wie sieht es denn damit bei dir aus?“ Ich zögere häufig und weiß nicht so richtig, was ich antworten soll. Jein wird selten akzeptiert und eher mit Nein als mit Ja gleichgesetzt. Und irgendwie gerate ich immer wieder in die Position der Rechtfertigung. „Aber warum denn nicht? Das ist doch auch ein Abenteuer!“
Ja, bestimmt. Neben vielen anderen Abenteuern, die sich eben bieten. Heute las ich in einem Interview mit einer Scheidungsanwältin, wie sehr Kinder Partnerschaften verändern und zu zerbrechenden Ehen beitragen. Das liegt natürlich nicht an den Kindern selbst, sondern an der Kommunikation untereinander, dem Verständnis füreinander und, wie Helene Klaar hervorhebt, auch an der 40-Stunden-Woche.
„Ich bin überzeugt, dass die 40-Stunden-Woche viel dazu beiträgt, dass die Menschen unzufrieden sind. Man kann nicht 40 Stunden arbeiten und daneben einen Haushalt führen und die Kinder unterhalten.“
Ich habe viel mit Kindern gearbeitet, seit ich mit 14 das erste Mal als Babysitterin engagiert wurde. Da hatte ich in zwei Familien gleich drei Kids auf einmal, ab ins kalte Wasser. Es waren lustige Abende und auch mal anstrengende, und so war es all die Jahre über mit all den Kindern, die alle eine ganz eigene Note in die gemeinsame Zeit brachten. Mal mehr und mal weniger schön.
Es ist schön und auch mal schrecklich, lustig und traurig, herzerwärmend und zum Verzweifeln, es ist alles in einem und niemals getrennt.
Und genau diese Impression blieb zurück: Es ist schön und auch mal schrecklich, lustig und traurig, herzerwärmend und zum Verzweifeln, es ist alles in einem und niemals getrennt. Vielleicht werde ich deshalb argwöhnisch, wenn mir Menschen von Kindern vorschwärmen wie von einer tollen Wohnung, die man unbedingt haben möchte. Aber: Wohnungen sind berechenbarer als Kinder und Beziehungen.
Auf die Frage, wie sie ihre eigene Beziehung trotz Ehe zusammengehalten habe, sagt Helene Klaar: „Wir haben nie geglaubt, dass uns das pure Glück erwartet. Wir haben nicht an die Fernsehwerbung geglaubt, die einem vormacht, wenn man den Kindern nur die richtige Windel umschnallt, tanzen sie Cancan, schreien nie, und man kann wunderbar kochen und hübsch sein und aufregenden Sex haben.“
Danke Frau Klaar, Sie sprechen mir aus dem Herzen. Ich hatte nie die überromantische Vorstellung einer kleinen Familie aus dem Bilderbuch, eher die von nölenden Kindern, die einen testen wollen und die viel Aufmerksamkeit brauchen. Da wird es gleich viel weniger romantisch. Mal abgesehen von verschiedenen Erziehungsvorstellungen, die sich eventuell erst dann herauskristallisieren.
Kinder sind bestimmt ein tolles Abenteuer, aber jedes Abenteuer hat Konsequenzen und fordert ein Einlassen. Und nicht jedes Abenteuer geht auch gut aus.
Die Rollenverteilung ist doch noch die klassische
Frauen haben ganz prinzipiell das Problem, dass sie sich nicht erst mit fünfzig überlegen können, ob Kinder nicht doch eine schöne Idee wären. Und gleichzeitig kämpfen wir in dieser Gesellschaft immer noch mit Stigmatisierungen, die einer Frau das Kinderkriegen als natürlichen Wunsch zusprechen wollen. Ebenso wie Männern die Rolle als Familienoberhaupt und Geldeintreiber. Nun, ein Wandel zeichnet sich langsam ab, Veränderung braucht eben Zeit.
Aber ich merke, wie mich dieses Gefüge verunsichert. Denn es spielt die Angst hinein, trotz aller Absprachen und Vorstellungen im Vorhinein, plötzlich doch in einer Konstellation gefangen zu sein, die ich niemals wollte. Für mich ist Elternsein gleichzusetzen mit einem 24-Stunden-Job, nur ohne Gehalt. Im klassischen Fall ist die Frau ein paar Monate „ausgeknockt“, also arbeitet der Mann, in vielen Jobs ist die Vollzeitstelle (gerade für Männer!) ein festgefahrenes Muss und so ist die Aufteilung am Ende doch schwieriger als gedacht und es bleibt beim Klassischen „Frau daheim und Mann bringt’s Geld heim“-Modell.
Oder sie möchte sich doch etwas Eigenes schaffen und bleibt mit der Doppelbelastung zurück, denn jede:r Partner:in zwanzig Stunden, wo gibt’s denn sowas?!
Neue Anreizsysteme schaffen
Wir haben in dieser Kapitalgesellschaft noch ganz viel Potenzial für flexible Lösungen, die nicht ausgeschöpft werden, aber ich glaube weiterhin daran, dass es möglich ist. Denn gerade diese Corona-Krise hält vielen den Spiegel vor und fordert quasi schreiend danach.
Zwei Elternteile mit Vollzeitjobs und – verdammt, da war ja noch ein Kind! Auf der einen Seite wird Nachwuchs gewünscht (Unsere Renten! Ach herrje …), auf der anderen werden einengende Strukturen nicht aufgelöst.
Auf der einen Seite wird Nachwuchs gewünscht (Unsere Renten! Ach herrje …), auf der anderen werden einengende Strukturen nicht aufgelöst.
„Na, du hast leicht reden, was das alles mit sich bringt!“ Anfänge beginnen mit Träumen und Vorstellungen und wenn genügend Menschen die gleichen Vorstellungen haben, kann die Veränderung beginnen. Denn dann muss ein neues „Anreizsystem“ geschaffen werden, wie mein Bruder immer so argumentiert.
Doch bei all den Wenns und Abers genieße ich erst einmal weiter die Zeit der „Freiheit“ und „Sorglosigkeit“ und wie ich mich dann irgendwann entscheide … bleibt ganz allein meine Sache.
Dieser Text ist bereits hier erschienen.
Headerfoto: Blubel via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt, Bild gespiegelt und bearbeitet.) Danke dafür!