Immer der Nase nach

Pheromone. Das fällt für mich in eine Kategorie mit Diätpillen und penisverlängernden Maßnahmen: Humbug, der mehr Sex bringen soll und einem deshalb für teures Geld verkauft wird. Eine Stufe drunter in der Welt des Spams sind nur noch blinkende Werbeanzeigen, die ein gratis iPad versprechen.

Und dann: Eine Pressemitteilung landet auf meinem Schreibtisch. Es geht um die erste offizielle Pheromonparty Deutschlands. Was soll das bitte sein? Auf einem zugehörigen Bild schnüffelt eine lebensbejahende Frau an der Achsel eines Typen. Ich bin angeekelt, aber fasziniert.

Das Konzept der Party ist folgendes: Man bringt ein mehrfach nachts getragenes und luftdicht verschlossenes T-Shirt mit, das vor Ort mit einer Nummer versehen wird. Dann widmet man sich einem Haufen männlich markierter Kleidungsstücke und erriecht sich brauchbare Single-Männer. Mit der Plastiktüte des Vertrauens wird dann ein Foto von einem gemacht, das auf der Party über eine Leinwand läuft. Der zum Shirt gehörige Mann kann sich dann anhand des Bildes entscheiden, ob er reden/flirten/fummeln möchte.

Mir wäre es lieber, wenn Menschen generell nach nichts riechen würden. Nach nichts und Parfum. Die Vorstellung, an Fremden im Rahmen einer Abendveranstaltung riechen zu müssen, finde ich so absurd und beängstigend, dass sich mir sofort die Fußnägel aufrollen. Ich muss da auf jeden Fall hin! Mit meiner Freundin Linda, die auch ein Ding für schmerzhafte Grenzerfahrungen hat.

Ich checke die Liste der Teilnehmer bei Facebook. Scheint, als würde das Angebot eher überschaubar bleiben. Super. Singleparty zu fünft. Ich kann es kaum abwarten. Ob es da wohl Schnaps gibt? Und: Ist Ausdünstung größer Ausstrahlung?

Ich sitze bei Linda und inhaliere mein Shirt aus dem  Quick ‘n Fresh Gefrierbeutel. Wir gehen gleich auf diese Pheromonparty. Mein Shirt riecht irgendwie nach nicht viel. Ich lasse Linda noch mal gegenchecken. Den eigenen Mief nimmt man doch selbst nicht wahr oder? Sie gibt die Tüte für die anstehende Festivität frei und ext noch einen Wodka. Vorglühen und Qualitätssicherung abgeschlossen. Es kann losgehen.

Wir stehen noch vor der Location und trinken unsere Biere aus, als wir schon vom ersten Journalisten mit Tonband interviewt werden. Auf welchen Geruch wir abfahren würden. Holz, Vanille und Waschmittel sind hoch im Kurs. Interessant.

Wir gehen rein.

Die Gäste der Party sind schöner und ein bisschen weniger desperate als erwartet. Ein einsamer DJ legt auf.
Und nun? Ich kauf doch nicht den Geruch im Sack! Oder doch? Mal gucken. Ich rieche mich durch den Grabbeltisch der Pheromone.

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Manches müffelt nach Essen, manches einfach irgendwie strange. Schweiß finde ich nicht so richtig. Das ist okay so. Vieles riecht einfach nach nichts. Nichts ist aber auch nicht gut. Ich checke die weibliche Konkurrenz. Schnell ist klar: Die Mädchen auf der anderen Seite des Tisches haben mit Parfüms getrickst.

Ich entscheide mich für zwei Tütchen mit einem Waschmittelodeur. Der Fotograf macht ein paar Bilder mit jeder Tüte. Irgendein Kamerateam filmt. RTL. Angst.

In einem Raum mit großer Leinwand laufen die Fotos der Singles mit Beutelchen und Nummer durch. Anstatt “Mann” hätte ich jetzt doch lieber “Flachmann”. Ich hole mir noch einen Drink.

Auf meinem eigenen Foto halte ich die Tüte des Vertrauens sinnvollerweise vor mein Gesicht. Na, vielleicht steigert das ja meine Chancen.

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Ein Mann zeigt ein Shirt ins Bild. Er trägt Brille, Bart und kariertes Hemd. Nummer 39.

DAS BIN ICH!
Dann stehe ich vor ihm.

“Hi.”
“Hi, na?”

Er erklärt mir, was er an meinem Geruch mochte. “Nicht so fake.” Und vergleicht mit meinem Hals. Strange? Irgendwie nicht.
Ich frage mich, warum er auf dieser Party ist. Er ist niedlich. Der könnte auch einfach wen in einer Bar ansprechen. Er erzählt mir, wie er in der Schule vor den Mädchen immer rot geworden ist. Und dass er sich nie trauen würde, den ersten Schritt zu machen. Seine Freunde stehen im Türrahmen und gucken und kichern.
Ich weiß, was er meint, verstehe es trotzdem nicht.
Sein Shirt riecht solide. Ungefährlich. Nachdem ich ihm gesagt habe, dass er sich ruhig mal was trauen kann, weil er toll ist, lasse ich ihn gehen. Er ist ca. fünf Jahre jünger und einen Kopf kleiner. Auch schon wieder schade.

Ich tausche Karten mit Presseleuten. Dann trinke ich noch was. Jemand sagt über mein Shirt: “Es riecht NICHT nach Mensch.” Aha.

Als die Party schon die Werbebanner abnimmt, sitze ich noch mit fünf Leuten da. Wir haben über dem Thema Körpergeruch gebondet. Dann stehen wir alle zusammen vor der Bar. ”Gehen wir noch irgendwo was trinken?” Klar.

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Fazit:

Pheromonparties haben ein Problem: Es sind Singleparties. Parties für Singles. Und Angst und Verzweiflung kann man nun mal riechen. Obwohl zwei wirklich schlaue Männer damals gesagt haben, dass Mief über den Charakter gar nichts aussagt. Könnte natürlich auch stimmen.

JULE ist Gründerin von im gegenteil und Head of Love. Sie schreibt (hauptsächlich zu therapeutischen Zwecken über ihr eigenes Leben), fotografiert Menschen (weil die alle so schön sind) und hat sogar mal ein Buch verfasst. Mit richtigen Seiten! Bei im gegenteil kümmert sie sich hauptsächlich um Kreatives, Redaktionelles und Steuererklärungen, also alles, was hinter dem Rechner stattfindet. In ihrer Freizeit schläft sie gerne, sortiert Dinge nach Farben und/oder trägt Zebraprint. Wer kann, der kann. Inzwischen ist sie - entgegen ihrer bisherigen Erwartungen - glücklich verheiratet.

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