“Du bist der Auslöser! Du kannst in mir Gefühle erzeugen wie kein anderer Mensch. Damit kann ich nicht umgehen!”
Worte, die wie in einer akustischen Spirale immer wiederkehrend in meinen Gedanken auftauchen. Durchbrechen scheint in manchen Momenten unmöglich!
Mein Mann ist schwer psychisch erkrankt. Von der Person, die mich seit mehr als sechzehn Jahren auf meinem Lebensweg begleitet, ist – bis auf die äußere Erscheinung – nur noch wenig sicht- und spürbar. Gleichzeitig steht ein Mensch mit unfassbar großer, mir fremd anmutender Präsenz vor mir, der unheimlich viel Raum in mir und meinem Leben einnimmt.
Verbale Aggressionen schlagen mir entgegen, Wut, Lügen und Betrug. Dies alles habe nichts mit uns und unserer Beziehung zu tun und stehe auf einem anderen Blatt.
Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben!, sagt mein Mann unter Tränen.
“Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben!”, sagt mein Mann unter Tränen. Ich möchte ihn in den Arm nehmen und werde mit einem unerwarteten harten Stoß seiner Hände auf die andere Seite des Wohnzimmers befördert. Es tut weh. Vielmehr emotional als physisch.
Ein Schmerz, der sich innerhalb der letzten Monate in meinem Innersten seinen Weg gebahnt hat. Es fühlt sich an wie zäher Schleim, der mein Herz fest ummantelt und verschlossen hat, mein Gehirn verklebt und mich nicht mehr klar denken lässt in bestimmten Situationen.
Ich habe Angst um mich, um ihn, um uns. Traurigkeit fühle ich, wenn ich an unser bisheriges Leben denke, an die Träume die wir hatten, die Ideen und Vorhaben. All dies scheint verloren! Gleichzeitig haben wir gemeinsam unglaublich viele schöne Erinnerungen gewonnen. Dafür bin ich dankbar! In meinen Erinnerungen werden diese Momente nie verschwinden.
Ich mache nicht nur mich und mein Leben kaputt, Dich ebenso!
“Ich mache nicht nur mich und mein Leben kaputt, Dich ebenso!” In manchen Momenten beschreibt mein Mann sich als selbstzerstörerisch und mich als schützenswert vor seiner Person. Am nächsten Tage bin ich für das Leid in seinem Leben verantwortlich – schuldig daran, dass er mich dieses Jahr vor seinem Klinikaufenthalt betrogen hat und ebenso Grund dafür, dass er seit Wochen erneut diesen Weg geht.
Ich bin überfordert mit seinen Schuldzuweisungen und meinen Emotionen. Der Versuch, über die Geschehnisse zu sprechen, ist für ihn nicht möglich.
Ich habe gelernt, meinen Selbstschutz an erste Stelle zu setzen. Nach und nach bin ich Schritte der Distanzierung gegangen. Das Beziehungserleben fühlte sich lange wie ein Umherirren in tiefstem Moorgebiet an. Behutsam tastete ich mich vor, geblendet von Irrlichtern, versank teilweise in den Tiefen des instabilen Untergrundes und befreite mich wieder aus ihrem Sog.
Heute sehe ich die Chance, die sich mir bietet: einen Neuanfang in meinem Leben zu wagen. Ich wünsche mir und ihm das schönste Leben, das möglich ist.
Heute sehe ich die Chance die sich mir bietet: einen Neuanfang in meinem Leben zu wagen. Dabei darf ich auf eine Stärke zurückgreifen, die ich mir erarbeitet habe – in der härtesten Zeit meines Lebens.
Ich wünsche mir und ihm das schönste Leben, das möglich ist. Vielleicht wird es irgendwann wieder ein gemeinsames sein – der Wunsch existiert, zumindest bei mir. Liebe für den anderen empfinden wir beide. Gleichzeitig sind alle sonstigen Bedingungen für das Führen einer Beziehung nicht gegeben. Diese Erkenntnis ist bitter, aber auch die Befreiung für mich!
Headerfoto: Ömürden Cengiz via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!