Kennt ihr diese eine Rubrik, die in einer Zeitschrift in den 2000ern besonders interessant war? Sie hieß: unnützes Wissen. Und unterhalb der circa 20 Fakten wurde sogar noch erwähnt, dass du dir von diesen Fakten vielleicht höchstens ein bis zwei merken wirst.
Trotzdem haben wir sie uns von Anfang bis Ende interessiert durchgelesen. Versuche ich mich heute an nur einen einzigen zu erinnern, ich kann nicht einen unnützen Fakt nennen. Woran ich mich erinnere, ist an das Gefühl, in dem Moment etwas Besonderes gelernt zu haben.
Danke für unfassbar viel unnützes Wissen, das mir in 13 Jahren Schule beigebracht wurde und das mir, im besten Fall, eine gewisse Basis an Allgemeinwissen verschaffte. Vermeintlich noch ein wenig mehr Stoff durchgeprügelt zu haben als auf einer anderen Schule, heißt für mich: Gymnasium.
Wenn ich mich versuche daran zu erinnern, kann ich auch nur sagen: Viel ist nicht hängen geblieben. Woran ich mich erinnere ist: still sitzen und wenigstens so tun, als würde man zuhören.
Wir lernen, Dinge in unsere Köpfe zu hämmern, die wir nie wieder im Leben brauchen. Mit der Aussage: Du lernst fürs Leben. Ein Widerspruch in sich?!
Vor einer Arbeit mehr Energie dafür aufzuwenden, wie man sich durchmogeln kann, als sich nur eine Minute zu lange mit meiner Auffassung nach uninteressanten Themen zu beschäftigen, war der größte Stress, den ich mir gab. Vor allem jedoch alles zu tun, um nichts auswendig lernen zu müssen.
Das war mein Schulalltag, begleitet von Bauchweh, unerwartet aufgerufen zu werden, sich ständig zu langweilen und überhaupt jeden Tag zu versuchen, Sinn in dieser Quälerei zu finden. So werden wir auf das Leben vorbereitet. Wir lernen, uns anzupassen und auf Teufel komm raus Dinge in unsere Köpfe zu hämmern, die uns einen Scheiß interessieren und die wir nie wieder im Leben brauchen. Mit der Aussage: Du lernst fürs Leben. Ein Widerspruch in sich?!
Was ich stark vermisst habe, war: individuelle Förderung von Talenten.
Natürlich kann ich nur für mich sprechen, hatte jedoch das Gefühl, es ging einigen meiner Mitschüler:innen, vielleicht in unterschiedlichen Fächern, aber im Gesamten, ähnlich. Jede:r hat nun mal andere Interessen und Fähigkeiten.
Was ich stark vermisst habe, war: individuelle Förderung von Talenten. Auch, wenn du nicht gut in Latein, Mathe oder Sport bist, bist du ein großartiger Mensch und wir helfen dir, herauszufinden, bei welchen Themen du aufblühst. Es ist kaum zu glauben, wie lange ich versucht habe, den Wünschen meiner Eltern und der Gesellschaft gerecht zu werden. Wie lange ich wirklich geglaubt habe, ich muss den richtigen, den vernünftigen Weg gehen.
Darf ich irgendwann aufhören zu kämpfen?
Warum lassen wir Fächer wie Persönlichkeitsentwicklung nicht in den Lehrplan, wenn im Berufsleben jede:r Zweite nach einem Führungskräfteseminar schreit und Burn-Out zu einer Volkskrankheit geworden ist?
Irgendwann rebelliert deine Seele eben so sehr, dass du nicht mehr anders kannst, als dir über die Sinnhaftigkeit deines alltäglichen Tuns Gedanken zu machen.
Ich erinnere mich an ein Telefonat mit meiner Mutter, kurz nach dem Studium, im neuen Job, tolle Position, überdurchschnittliches Gehalt und ich konnte sie nur unter Tränen fragen, ob ich denn nicht irgendwann aufhören darf zu kämpfen?
Warum ist das Leben denn immer immer so schwer und anstrengend? Warum macht mir die Arbeit keinen Spaß und warum habe ich das Gefühl, ich darf mich nie darüber beschweren? – Es geht dir doch gut, Kind, die paar Überstunden. Es gibt immer Dinge, die man eben nicht so gerne macht. Du musst doch Geld verdienen und vor allem brauchst du eine sichere Anstellung, wer bezahlt denn sonst bei Krankheit, zum Beispiel?
Was ist Sicherheit? – Fragt dich das Jahr 2020.
Überlege es dir gut, es heißt schließlich selbst und ständig. – Lieber tue ich selbst ständig Dinge, die ich gern tue, als einen Tag länger für jemand anderen ins Büro zu fahren.
Ich mache vor allem meinen Eltern keinen Vorwurf und ich weiß, dass sie immer nur das Beste für mich wollen. Ich wünsche mir aber sehr, dass wir endlich aufwachen, Kreativität fördern, uns einfach mal sein lassen, wer wir sind und vor allem unsere Gesellschaft von angepassten Soldat:innen erkennen lassen, dass das Leben so viel mehr Spaß machen kann, als wir denken. Dass Freiheit mehr ist, als der Mercedes vor der Tür und die zwei Wochen Strand im Jahr.
Du bist genau richtig, wie du bist. Man muss dich nicht optimieren, du darfst sein.
Wir haben so viel Angst zu versagen. Angst, nicht dazuzugehören. Angst, nicht genug Geld zu verdienen. Angst zu dick, zu dumm, nicht genug zu sein. Ich könnte noch einiges aufzählen, aber genau darum geht’s. Konzentrieren wir uns nicht ständig auf die blutgetränkten Horrorszenarien, sondern auf mögliche, unerwartet positive Ergebnisse.
Mein größter Antrieb ist es, meine eigenen Werte zu vertreten. Wenn wir das „was könnte passieren“ einfach mal mit ein paar Blumen verzieren, können wir viel mutiger in die Zukunft sehen und unsere eigenen Wege gehen.
Du bist genau richtig, wie du bist. Man muss dich nicht optimieren, du darfst sein. Lerne Dinge, die dich interessieren und zeige, was in dir steckt. Sei laut und fröhlich, traurig und leise, wie es dir eben gefällt. Du bist wunderschön, klug und kreativer als du jemals geahnt hättest, wenn du dir Raum für dich selbst gibst. Lass es raus, Baby und du wirst sehen, was passiert.
Headerfoto: Caique Silva via Unsplash (Gesellschaftsspiel Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!
„… selbst und ständig. – Lieber tue ich selbst ständig Dinge, die ich gern tue, als einen Tag länger für jemand anderen ins Büro zu fahren“
Pointiert ausgedrückt. Das hat mir direkt ein Schmunzeln entlockt. So habe ich es mir noch nie erklärt. Aber genau das ist der Grund, warum ich auch nie für jemanden anderen arbeiten könnte auf Dauer, desser Vision und Leidenschaft ich nicht teile.
Danke für diesen neuen Input. Schöne Texte schreibst du. Ich hoffe du findest bald einen sympathischen Mann und teilst deine Erfahrung netterweise wieder mit uns 🙂