Ich wollte nicht auf dein Profil klicken. Hatte dich doch extra stumm geschaltet. Aber dein Bild erscheint immer noch unter den ersten fünf, wenn ich nachschaue, wer meine Story angesehen hat. Der Instagram-Algorithmus hat noch nicht verstanden, dass es zwischen uns beiden nichts mehr gibt als langsam verblassende Erinnerungen.
Dein Profil ist mir vertraut. Wie oft hatte ich mir zu Beginn unserer Beziehung deine Bilder angesehen, ungläubig, dass ich dich fortan meinen Freund nennen würde. Zwei Tage sind vergangen seit du eine neue Bilderreihe gepostet hast. Ich sehe sie erst jetzt. Mein Herz schlägt schneller, als ich mich durch die Bilder klicke. Dein Gesicht ist auf drei davon zu sehen.
„A much needed change of scenery“, hast du darunter geschrieben. Zeit mit deiner Familie irgendwo an der Nordsee. Ich sehe deine Schwester, ich sehe deine Mama. Ich sehe dich. Mit Mütze und Sonnenbrille und der warmen Jacke, die du so liebst.
Unbeantwortete Fragen
Es war bestimmt frisch am Meer. Die Frau, die dir den Kopf verdrehte und unsere Beziehung ins Strudeln brachte, hat die Bilderreihe nicht geliked. Ich frage mich, warum. Schließlich hat sie jedes einzelne deiner Bilder der letzten Monate mit einem Herz markiert. Schon bevor ich überhaupt wusste, dass sie existiert. Dann versuche ich den Gedanken wieder zu verwerfen. Es geht mich nichts an. Nicht mehr.
Aber wo wir doch gerade wieder eine neue Runde im Gedankenkarussell drehen: Was willst du eigentlich mit der Caption sagen? Ich weiß, dass du sie nie gedankenlos einfach so unter deine Bilder klatschst. Sprichst du nur von deiner ersten Flucht nach dem Corona-Lockdown oder geht es dir vielleicht auch nicht gut mit der Veränderung in unser beider Leben?
Auf einem der Bilder hast du tiefe Augenringe und trotz deines Lachens strahlen deine Augen nicht so wie sonst. Willst du mich zurück? Würde ich dich zurückwollen? Hat es mit der Anderen nun doch nicht geklappt? Wolltest du nicht, sie aber schon?
Du wirfst mich noch immer so aus der Bahn
Mein Atem geht schwer, mein Herz kann sich nicht beruhigen. Unter meinen Achseln klebt jetzt Schweiß. Die feinen Härchen auf meinen Armen sind aufgestellt. Ich fröstele leicht. Eine kleine Träne kullert aus dem linken Auge über meine kalte Wange.
Heute sind es auf den Tag vier Wochen, seit du auf meinem Bett saßt und mir sagtest, dass du das nicht mehr willst, während du stoisch vor dich hin gestarrt hast, um mir bloß nicht in die Augen sehen zu müssen. Vier Wochen ohne dich, die schmerzhaft, aber oft auch okay waren.
Hauptsächlich, weil ich inzwischen weiß, wie sich eine Trennung anfühlt. Weil ich gute Menschen um mich rum habe, die mich unterstützen. Und weil ich meinen Alltag mag. Es tut trotzdem jeden Tag weh, dass du darin keinen Platz mehr haben möchtest.
Ich will dich nicht sehen. Und gleichzeitig will ich es so sehr.
Ich will dich nicht sehen. Und gleichzeitig will ich es so sehr. Vermeide Orte, an denen du sein könntest. Und gehe manchmal absichtlich hin. Schalte dich stumm. Und lande doch wieder auf deinem Profil.
Ich habe die App von meinem Handy gelöscht. Denn ich muss aufhören, an die Orte zu gehen, an denen du bist. Muss loslassen, was nicht mehr da ist.
Aber ich vermisse dich. Jeden Tag mindestens ein Mal.
Headerbild: Sharon McCutcheon via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt und gespiegelt.) Danke dafür!