Ich möchte häufiger Sex als mein Freund, aber kann es für Lust überhaupt einen Kompromiss geben?

Du willst mich nicht. Brauchst meine Nähe scheinbar nicht so, wie ich deine brauche. Aber warum? Tagelang versuche ich mir selbst die Antwort zu geben. Aber es leuchtet mir nicht ein. Also fasse ich allen Mut zusammen und lege mir minutenlang die richtigen Worte in meinem Kopf zurecht.

Ich: Findest du mich eigentlich attraktiv?
Du: Ja!
Ich: Aber findest du mich so richtig heiß?
Du: Auf jeden Fall!
Ich: Und glaubst du, dass ich dich heiß finde?
Du: Ich denke schon. Zumindest sagst du das.
Ich: Aber … weshalb möchtest du dann so selten mit mir schlafen und ergreifst fast nie die Initiative?
Du: Ich glaube, wir haben unterschiedliche Definitionen von „selten“. In meinen früheren Beziehungen hatte ich vielleicht ein bis zwei Mal pro Woche Sex. Und du möchtest so häufig mit mir schlafen, dass ich gar nicht dazu komme, die Initiative zu ergreifen.

Was du erwartest, ist nicht normal.

Boom. Da ist es. „Was du erwartest, ist nicht normal.“ Mir wird flau im Magen.

Schweigen.

Ich schlucke meinen angekratzten Stolz herunter und suche weiter nach einer Erklärung, die mir einleuchtet.

Ich: Und du hattest auch zu Beginn einer Beziehung ein bis zwei Mal pro Woche Sex?
Du: Naja, da vielleicht drei bis vier Mal.

Schweigen.

Du: Jetzt fühle ich mich schlecht, weil du denkst, ich fände dich nicht sexy. Dem ist aber überhaupt nicht so!

Schweigen.

Aber wir sind doch frisch verliebt. Will man da nicht? Ich bin überfordert mit dieser Situation. Ich nehme dich in den Arm. Will wieder gutmachen, dass ich dich mit der Ansprache des Themas verletzt habe. Obwohl ich es doch vorher wusste.

Ich habe gemerkt, dass ich dich bedrängt habe, wenn ich jeden Tag, gerne auch zweimal, manchmal dreimal deutlich gemacht habe, dass ich dich jetzt gerne ganz nah spüren würde. Jetzt fühlst du dich schlecht. Und ich mich ungewollt. Das ist genau wie fünf Minuten zuvor. Nur schlimmer für dich.

Dem Urlaub zuliebe

Und dann vergessen wir, dass ich es angesprochen habe. Weil ich dir unseren ersten gemeinsamen Urlaub nicht verderben will. Weil ich erkenne, dass hier keine Verhandlungsbasis besteht.

Natürlich könnten wir uns irgendwie in der Mitte treffen. So macht man das als kompromissbereite, erwachsene Person ja idealerweise. Aber wie gut ist ein solcher Kompromiss, wenn er von einer Person fordert, das Verlangen teilweise zu unterdrücken und von der anderen Sex einfordert, obwohl da gar keine Lust ist?

Unser erster richtiger gemeinsamer Urlaub. Nach drei Monaten. Zwei Wochen Sonne. Campervan. Sex wann und wo immer Lust aufkommt. Quasi ein Sex-Mobil. Perfekt. Dachte ich. Dass wir da nicht übereinstimmen könnten, daran habe ich keinen Gedanken verschwendet. Mein Fehler.

Wie gut ist ein Kompromiss, wenn er von einer Person fordert, das Verlangen teilweise zu unterdrücken und von der anderen Sex einfordert, obwohl da gar keine Lust ist?

Den ganzen Tag sehe ich dich an. Sehe deinen Körper, deinen Sixpack, die sonnengebräunte Haut, die blonden Haare auf deinen Armen, deine strahlend blauen Augen, die kräftigen Schultern, deinen zauberhaft perfekt-runden Po, dein breites Lächeln, die kleine Lücke zwischen den Frontzähnen. Ich höre dich lachen, bemerke, wie du dich nicht unterbuttern lässt, wenn ich anderer Meinung bin, vernehme die Unterschiede in deiner Stimme je nach Stimmung, lerne deinen nordischen Dialekt zu lieben.

Ich spüre, wie du mich fest in den Arm nimmst, deine Hand beim Spazieren immer wieder leicht auf meinen Po rutscht, du meine Nähe suchst, mich leidenschaftlich küsst. Und dann kommt es auf. Das intensive Kribbeln, irgendwo da, wo Vulva und Herz sich verbinden.

Mein Verlangen nach mehr. Nach meiner Haut auf deiner, nach deiner wohligen Wärme, nach deinen Händen, die meinen Po fest greifen, nach deinen Küssen in meinem Nacken, nach deiner Zunge, die meine zart umkreist … Ich will mehr davon. Ich verzehre mich nach dir.

Und dann kommt es auf. Das intensive Kribbeln, irgendwo da, wo Vulva und Herz sich verbinden. Mein Verlangen nach mehr.

Aber ich nehme mich zurück. Beende die Küsse nach angemessener Zeit und unterdrücke die Gier nach mehr. Ich will dich nicht bedrängen. Warte, bis du deutlich machst, dass du mich ganz nah möchtest.

Wir haben heute keinen Sex. Und ich bemerke, wie ich versuche, deine Nähe zu meiden, um nicht in Versuchung zu gelangen.

Der erste und letzte Urlaub mit dir 

Es ist 4:30 Uhr. Du atmest tief und regelmäßig, schläfst fest. Ich liege wach mit flauem Magen, kann die Tränen nicht zurückhalten, schließe die Augen, um sie zumindest am herunterkullern zu hindern. Du warst doch das, was ich wollte. Der, den ich wollte. Auch wenn ich es erst spät gemerkt habe. Obwohl du irgendwie nicht perfekt warst, obwohl du meine Wünsche an einen Partner gar nicht so wirklich erfüllt hast. Du warst perfekt. Mein Jackpot.

Du warst doch das, was ich wollte. Der, den ich wollte.

Und irgendwie wurde sogar das „non-negotiable“ in meinem Kopf zu einem „in ein paar Jahren ganz vielleicht doch negotiable“, ohne dass ich es zu diesem Zeitpunkt dir gegenüber zugeben würde. Kinder. Die du dir so sehr wünscht.

Aber Leidenschaft die Leiden schafft? Das packe ich nicht. Das ist nicht verhandelbar.

7:00 Uhr. Du wachst langsam auf, bemerkst, dass mein Schlaf nicht tief ist und zeigst mir endlich, dass du mich willst. Aber genügt mir ein Morgen-Quickie? Bin ich bereit, zwei lange Tage ohne Sex dafür einzutauschen?

7:00 Uhr. Du langsam wachst auf, bemerkst, dass mein Schlaf nicht tief ist und zeigst mir endlich, dass du mich willst. Aber genügt mir ein Morgen-Quickie?

Und dann bemerke ich, wie mich meine eigenen Gedanken abturnen. So verkopft soll Sex nicht sein. So schwerfällig darf Liebe nicht sein.

Unser erster gemeinsamer Urlaub. Unser letzter gemeinsamer Urlaub.

Die Autorin möchte anonym bleiben.

Headerfoto: cottonbro via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

2 Comments

  • Sonntag nachmittag, Sonne strahlt durchs offene Fenster, durch das der Duft von Spätsommer weht. Sie besucht ihn, um über ihre Beziehung zu reden, die irgendwie orientierungslos im luftleeren aber nicht lustlosen Raum schwebt. Kaum fällt die Tür ins Schloss liegen sie sich in den Armen, Hände ertasten Körper, finden nackte Haut, Baumwolle fällt zu Boden, sie ziehen sich aus, bewegen sich langsam durch den Flur Richtung Bett, lieben sich, langsam, lustvoll, lange, liegen nebeneinander im sonnendurchfluteten Raum bis der Puls sich beruhigt, feuchte Haut trocknet langsam, sie atmen ruhiger, riechen sich ohne zu reden. Zeit vergeht ohne zu gehen. Finger streichen über nackte Haut, um sich der Gegenwart des anderen zu vergewissern. Sie muss gehen, streicht ihm durchs Haar, küsst seine Brust und sagt: „Such dir ne neue Freundin, ich muss Dich aus meinem Kopf und Herz bekommen.“

  • Ich kenne das. Ich kenne es, dass mein Freund deutlich weniger Lust auf Sex hat als ich. Aber ich habe gelernt damit umzugehen. Es wurde ja nicht ohne Grund Masturbation erfunden, entdeckt,… Es macht Spaß sich auch Mal selbst zu lieben. So funktioniert im Endeffekt die Beziehung und es fördert das eigene Selbstbewusstsein. Auch, wenn es im ersten Moment nach einem unerfreulichen Kompromiss klingt.

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