Unsere Autorin flüchtet sich vor ihren Gefühlen ins Partyleben, in fremde Betten und Städte. Sie möchte nicht ankommen, denn Ankommen bedeutet Stillstand und Ruhe und Platz für unangenehme Gedanken.
Das Jahr hat begonnen, als ich in Berlin war. Ich hatte super viel Spaß mit Freund:innen: Wir waren betrunken und sind durch Berlin gelaufen. Aber ich bin gerannt, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin an diesem Abend/Morgen ganze 10 Kilometer durch Berlin gelaufen, am nächsten Tag hatte ich Blasen an meinen Füßen, aber ich war glücklich. Ich habe mich an diesem Abend so frei gefühlt wie, glaub ich, noch nie in meinem Leben.
Ich habe mir fest vorgenommen, dass dieses Jahr nach all den schwierigen und beschissenen Jahren meines Lebens endlich ein Jahr voller Quatsch und Unvernunft sein wird.
Anstrengender als gedacht
Es ist Ende März und ich sitze in meinem Bett, völlig fertig. Irgendwie glücklich, aber auch traurig. Ich habe in den letzten Monaten so viel erlebt, ich war an so vielen Orten, habe mich mit so vielen Menschen getroffen, habe so viel gefeiert, habe so viel rumgemacht und vor allem bin ich einfach immer weiter gerannt.
Ein paar Tage nach Neujahr bin ich mit einer Freundin zusammen für ein Wochenende nach München gefahren. Wir wollten einfach zusammen Zeit verbringen, das Leben genießen, Party machen. Danach war ich in meiner Heimatstadt, die Familie besuchen. Hier hatte ich meinen ersten Durchhänger: Ich war erschöpft von der Zeit davor, den Feiertagen und den ganzen Partynächten.
Ich war erschöpft von den ganzen Partynächten.
Letztendlich musste ich mich aber aufraffen und in meine Wahlheimat fahren, die Uni hatte wieder begonnen. Das Einzige, was mich wirklich motivierte, zurück zu fahren, war die Aussicht auf Sex mit einem Typen. Ich verbrachte eine Woche in der Stadt, bis ich wieder nach Berlin fuhr. Ich wollte einfach noch nicht ankommen, ich war nicht bereit, stehen zu bleiben.
Die Tage waren geprägt vom ständigen Unterwegssein und Freund:innen treffen. Vier Tage später ging es wieder zurück, aber auch nur, weil es wieder die Aussicht gab auf Sex, diesmal leider mit einem anderen Typen.
Einen Tag später saß ich im Zug zurück in die Heimat, es war Zeit für die Firmenparty. Ein Wochenende voller Trubel und in meiner Hosentasche vibrierte die ganze Zeit das Handy. Ich hatte fünf Typen am Start, es hat sich gut angefühlt.
Ich hatte fünf Typen am Start, es hat sich gut angefühlt.
Es fiel mir wieder schwer, zurück in meine Wahlheimat zu fahren, ich musste aber, ich erwartete Besuch, meinen Bruder und seine Freundin. Wir verbrachten ein paar tolle Tage vollgestopft von vorne bis hinten, entweder mit Lernen oder mit irgendwelchen Aktivitäten. Eine Woche später schrieb ich meine erste Klausur, zwei Tage später schrieb mir eine Freundin, ob ich mit ihr Skifahren wolle und ich sagte natürlich zu. 48 Stunden später stand ich in Österreich am Berg.
Ich liebe die Berge, mir gefällt der Gedanke, dass es auf den Spitzen der Berge Orte gibt, die von den Menschen unberührt sind und das wahrscheinlich auch bleiben. Mit diesem Gedanken im Kopf starrte ich die Berge an und kam zur Ruhe, aber nur eine Zigarette lang. Der nächste Tag war gefüllt mit Lernen und Party, die Tage danach lag ich krank im Bett und versuchte irgendwie irgendwas über politische Systeme zu lernen. Es fiel mir schwer.
Ich kam zur Ruhe, aber nur eine Zigarette lang.
Ich blieb in meiner Heimat bis zur nächsten Prüfung. Danach folgte eine Woche voller intensiven Lernens, teilweise saß ich den ganzen Tag an meinem Schreibtisch, bis zu meiner letzten Prüfung. Ich fuhr erneut nach München, um Freunde zu besuchen, um einen Typen zu besuchen. Ich fuhr in meine Heimat, wurde abserviert und gab mir noch nicht mal Zeit zum traurig sein. Ich vergoss in meinem Bett fünf Tränen, bin aufgestanden und habe weiter gemacht, bin raus gegangen, habe etwas mit Freund:innen unternommen.
Ich kann nicht mehr
Danach war ich wieder in Berlin, dann in meiner Wahlheimat Dresden, Berlin, dann wieder Dresden. Ich kann nicht mehr. In diesen knappen vier Monaten ist wahnsinnig viel passiert und mir ist aufgefallen, dass ich einfach nur gerannt bin, vor Angst, dass mich irgendein negatives Gefühl einholen könnte.
Ich war bis jetzt immer schnell genug, aber meine Kraft ist am Ende und ich brauche eine Pause, dringend. Sobald sich ein Ort, an dem ich war, nicht gut angefühlt hat, bin ich auf zum nächsten, um vor diesem Gefühl zu flüchten. Kam ein Funken von meinem Liebeskummer hoch, habe ich einfach irgendeinem Typen geschrieben, um das Gefühl nicht spüren zu müssen.
Ich bin von Stadt zu Stadt und von Typen zu Typen gesprungen, nur um nichts zu fühlen.
Headerfoto: Tainá Bernard (Kategorie-Button hinzugefügt.) Danke dafür!