Habt ihr euch auch schon öfter gefragt, warum ihr so müde seid? Und, zu welchem Ergebnis kamt ihr? Lasst mich raten: Schlafmangel, schlechte Ernährung oder Stress bei der Arbeit? Jaja, das kommt mir bekannt vor. So ging es mir auch. So oft gegoogelt und immer wieder die üblichen Verdächtigen verantwortlich gemacht, bis ich mir selbst und damit dem eigentlichen Grund auf die Schliche gekommen bin. Lasst mich euch in die erste Stunde eines typischen Wochentages bei mir zuhause entführen.
Guten Morgen lieber Stress
Mein Wecker klingelt und noch bevor ich meine Augen geöffnet habe, führe ich schon den ersten destruktiven Monolog mit mir:
„Uff, ich müsste eigentlich aufstehen, aber ich bin noch so müde. Quatsch, ich darf nicht so faul sein! Ich wollte doch auch wieder joggen gehen. Aber hmm, das Wetter ist so schlecht. Na und, los jetzt! Oder soll ich es sein lassen? Es ist schon wieder so spät. Oh Mann, ich schaffe es wirklich nie, rechtzeitig aufzustehen. Reiß dich zusammen, Sarah! Dann musst du jetzt eben alles in der Hälfte der Zeit schaffen, selbst schuld!“
Mein Herz pocht. Guten Morgen, vertrauter Stress, da bist du ja wieder. Die nächste Diskussion lässt auch nicht lange auf sich warten:
„Oh puh, schaffe ich die große Runde? Nee, mir tut jetzt schon alles weh. Ich kann nicht mehr atmen! Und ich muss eh zurück, sonst schaffe ich es nicht rechtzeitig an den Schreibtisch. Ich bin schon wieder zu spät, und das schon so früh am Morgen. Wie unfähig kann man eigentlich sein? Doch, ich muss es schaffen! Dann muss ich eben schneller laufen und nicht so rumschwächeln. Die anderen schaffen das doch auch, warum stell ich mich wieder so an?“
Noch bevor ich meine Augen geöffnet habe, führe ich schon den ersten destruktiven Monolog mit mir.
Im selben Stil geht es dann weiter bei der Lohnarbeit, beim Schreiben, beim Essen und so ziemlich bei allem, was ich so den Tag über mache. Und, wie hoch ist euer Puls allein vom Lesen und wie motiviert fühlt ihr euch jetzt?
Wer abwertend mit sich selbst spricht, fühlt sich unfähig
Sprache beeinflusst unsere Wahrnehmung, seit einigen Jahren auch Framing genannt, und ob nun andere oder ich selbst auf diese demotivierende und erniedrigende Weise mit mir spreche, die Wirkung bleibt dieselbe. Ich fühle mich schwach, unfähig und machtlos, was mich wiederum so müde macht. Ich schleppe mich von einem Todo zum nächsten, weil ich es muss, wie meine innere Stimme sagt.
Ich kann dabei aber erst gar nicht Freude geschweige denn Energie entwickeln, weil ich mir ja selbst die ganze Zeit einrede, dass ich bei allem zu schlecht, langsam und so weiter bin. Gefühlt komme ich einfach nicht gegen den Tag an. Nach der ersten dieser inneren Diskussionen bin ich schon so müde, dass ich mich am liebsten wieder ins Bett und in meine Egal-dann-mache-ich-eben-nichts-Haltung verkriechen würde, so wie ich das früher in der Schule gemacht habe. Das RTL- und Sat1-Nachmittagsprogramm waren eine super Ablenkung.
Nach der ersten dieser inneren Diskussionen bin ich schon so müde, dass ich mich am liebsten wieder ins Bett verkriechen würde.
Mit dem Erwachsenwerden – das gefühlt erst so richtig im letzten Jahr eingesetzt hat – kam die Selbstreflexion und mit der Selbstreflexion habe ich gelernt, mich besser auszuhalten. Aber ich will ehrlich sein: Das ist verdammt anstrengend. Ich mache mich mit diesen Monologen und diesem ständigen Ankämpfen selbst unfassbar müde und muss aus jetziger Perspektive ein bisschen darüber schmunzeln, wie ich etliche Male schon vormittags bei Google die Zeile „Woher kommt meine Müdigkeit?“ eingetippt habe.
Warum tu ich mir das selbst an?
Fragt sich nur noch, warum ich so demotivierend und erniedrigend mit mir selbst umgehe. Auch darauf glaube ich mittlerweile (dank Therapeutin und dem Podcast von Stefanie Stahl) eine Antwort gefunden zu haben: meine negativen Glaubenssätzen.
„Ich bin dumm“ und „Ich bin nicht genug“ lassen grüßen. Und ja, na klar bin ich dabei, daran zu arbeiten. Aber guess what: Auch das ist anstrengend und zäh. Immer wenn ich einen Schritt nach vorne gehe, gehe ich gefühlt wieder zwei zurück. Aber was soll‘s, radikale Akzeptanz ist wohl gefragt. Und viele Pausen. Und wieder ein kleines bisschen der Egal-Haltung von früher.
Immer wenn ich einen Schritt nach vorne gehe, gehe ich gefühlt wieder zwei zurück.
Kleiner Trost: Ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin. Ich weiß, dass das einigen von euch beim Lesen sehr vertraut vorkommt. Und ich träume davon, dass wir uns alle gegenseitig viel offener Kraft und Verständnis schenken und ein bisschen über diese bescheuerten Selbstgespräche lachen können.
Headerfoto: Ike louie Natividad via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!
Hallo Sarah ,
Danke für deinen Text , ich(26) fühle mich ganz oft genau gleich , ich bin gerade augewacht um 6 Uhr an einem Samstag und hatte geweint da ich gestern meine Arbeit verlor wegen der neuen Zertifikatsbestimmung . Es tut gut zu wissen dass es nicht nur mir so geht mit diesen Gedanken . Danke dafür . Ich wünsche dir das beste für die Zukunft . Alles liebe paula.
Danke für diesen wertvollen Artikel. Du sprichst mir aus der Seele. Wir limitieren uns damit selbst! Aber es ist nie zu spät 🙂 irgendwann wird es leichter werden ganz sicher 🙂