Ich weiß gar nicht, was passiert ist, was los ist. Wir waren nicht allzu lange zusammen, aber irgendwas lässt mich das tun, was ich tue – und ich will das gar nicht. Die Trennung kam erwartet, aber doch wie ein Schlag in die Magengrube.
Da bin ich nun im Hausflur seiner Wohnung. Hocke am Boden und sammle all meine Sachen, die ich Stück für Stück über Monate in seine Wohnung trug, total verheult und schluchzend vom Fußboden auf. Alles so richtig schön lieblos, nach vorne zur Tür geschleppt, dahingeschmissen, wo ich jetzt zusehen kann, wie ich das alles wegbekomme.
Ich bin alleine hier, musste von der Arbeit gehen, konnte mich nicht kontrollieren, konnte keine Freundin mitbringen. Zu klein mein Verstand, zu groß die Hoffnung, es käme alles wieder in Ordnung. Unsere gemeinsame Zeit, unsere Pläne, Hoffnungen, Gefühle und Erwartungen: alles sichtbar in dem Haufen meiner Klamotten.
Er würdigt mich keines Blickes, ich flehe ihn an, er solle mich erklären lassen. Stattdessen soll ich mich beeilen.
Alles durcheinander, nichts mehr geordnet, nichts mehr an dem Platz, wo es einmal war. Chaos. Er würdigt mich keines Blickes, ich flehe ihn an, er solle mich erklären lassen. Bitte ihn, mit mir zu reden oder mich wenigstens anzusehen. Stattdessen soll ich mich beeilen.
Noch nie hat sich jemand von mir getrennt, und schon gar nicht so. Ich weiß, ich habe es verdient, aber dabei belassen kann ich es nicht. Ich will ihm ja dem Freiraum geben, die Zeit, das Gras zum Drüberwachsen und Ruhe. Aber ich kann nicht. Ich kann es einfach nicht.
Vielleicht liegt es daran, dass ich es zugelassen habe – die wahrhaftige Nähe, die nur dann entsteht, wenn wir uns emotional nackig machen. Vor einem anderen Menschen. Vor ihm. Vielleicht weil wir uns doch einig waren: „Romantischer wird’s nicht.“ Und es aber genau das wurde.
Vielleicht weil ich ihn kennenlernen durfte, so wie er war. Vielleicht weil er mir den richtigen Weg zeigte. Vielleicht weil wir beide unsere Fassade verloren haben in der Generation „Ich komm auch super alleine klar“. Vielleicht weil ich ihn gerade mehr mag als mich selbst.
Überall geblockt, gesperrt, entfreundet. Völlig gelöscht. Als hätte ich nie existiert.
Überall geblockt, gesperrt, entfreundet. Völlig gelöscht. Als hätte ich nie existiert. Und ich? Ich komm darauf irgendwie so gar nicht klar. Noch nie bin ich jemandem hinterher gelaufen, habe so ein Affentheater veranstaltet.
Ich verliere mich in der Sache, verliere mich selbst. Habe Angst, fanatisch zu werden. Habe Angst, ihn für immer verloren zu haben. Habe Angst, komisch zu sein, mich krank zu verhalten. Die Kontrolle zu verlieren. Worte kommen in meinem Kopf an, aber fühlen tu ich etwas anderes. „Das wird schon alles und braucht Zeit.“ Ich kann es nicht mehr hören.
Unzählige Nachrichten bleiben unbeantwortet. Meine Erklärungen werden nicht gehört. Mein Warten nicht belohnt. Ich schreibe ihm Briefe, schicke sie nie ab. Liege manchmal wach, schaue Fotos an, schwelge in Erinnerungen und finde es im selben Moment so lächerlich von mir.
Ich bin traurig, aber auch wütend. Wütend, weil ich mich schlecht fühlen muss, weil ich überhaupt irgendwas fühle.
Ich bin traurig, aber auch wütend. Wütend, weil ich mich schlecht fühlen muss, weil ich überhaupt irgendwas fühle. Weil es mir nicht egal ist. Traurig, weil mein Kopf sagt: „Er hatte dich wohl doch nicht so lieb und stellt seine Prinzipien über alles. Über Menschen. Über Gefühle. Über mich.
Ich halte es nie länger als zwei Wochen aus, mich nicht zu melden, eine Nachricht zu schicken, eine Mail oder irgendwie zu versuchen, seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Kontakt zu seiner besten Freundin ist für mich Strohhalm, aber auch Folter.
Will ihm sagen, dass ich mich geirrt habe, dass ich immer noch das Mädchen bin, in das er sich verliebt hat, damals.
Und plötzlich soll ich eine Stalkerin sein? Ich will mich doch nur entschuldigen. Will ihm sagen, dass ich mich geirrt habe, vor allem in mir! Will ihm zeigen, dass ich mein Leben trotzdem im Griff habe. Dass ich meistens glücklich bin. Dass es mir gut geht. Aber vor allem, dass ich es verstanden habe. Dass ich an ihn denke. Dass er mir wichtig ist. Und dass ich immer noch das Mädchen bin, in das er sich verliebt hat, damals.
Ohne ihn hätte ich mich nie so mit mir beschäftigt, Dinge über mich gelernt, sondern immer so weitergemacht. Aber stark genug bin ich wohl offensichtlich trotzdem nicht. Ich kann das nicht einfach ausstellen. Abstellen. Ich kann meine Gefühle nicht kontrollieren. Aber ich will mich deswegen nicht weiter schlecht fühlen. Vor allem will ich keine Stalkerin sein.
An meinem Geburtstag, nächste Woche, ist die Trennung genau zwei Monate her. Sprich mit mir.
Headerfoto: Giulia Bertelli via Unsplash! (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür.