Von halben Menschen und Serial-Datern – Warum allein sein die Seele bereichert

Wir alle kennen sie, diese Menschen, die seit ihrer Pubertät ständig in einer Beziehung sind. Es dauert nur wenige Wochen und schon haben sie ein neues Opfer gefunden. Früher habe ich diese Leute bewundert und gedacht, dass sie wohl einfach besonders begehrenswert seien, und jeder oder jede mit ihnen in einer Beziehung sein möchte.

Man könnte fast sagen, ich war ein bisschen eifersüchtig, dass ich nicht diesem exklusiven Club angehörte. Mittlerweile sehe ich das etwas anders… Ich bemitleide diese Serial-Dater beinahe, weil ich glaube, dass diese Personen ein Problem damit haben, mit sich selbst und ihren Gedanken allein zu sein. Ich glaube, sie hoffen immer, dass sie jemanden finden, der sie liebt, damit sie sich wertgeschätzt fühlen. Als ob eine Beziehung den Wert einer Person steigern könnte.

Zwei Halbe ergeben kein Ganzes

Vor allem uns Frauen wird immer wieder weiß gemacht, dass wir doch einen netten Mann finden müssen, um glücklich zu sein. Einen, der uns hoffentlich heiratet, damit wir endlich – per Definition aller Menschen über 50 in meinem Leben – glücklich sind.

Dabei ist die Idee, sein gesamtes Lebensglück von einer anderen Person abhängig zu machen nicht nur utopisch, sondern eine immens hohe Erwartung, die wir an diesen anderen Menschen stellen. Eine Erwartung, die niemand erfüllen kann, wohlgemerkt.

Der romantische Gedanke, dass zwei Liebende das Gegenstück des jeweils anderen darstellen und sie so erst vervollständigt werden, ist in meinen Augen äußerst kurios.

Der romantische Gedanke, dass zwei Liebende das Gegenstück des jeweils anderen darstellen und sie so erst vervollständigt werden, ist in meinen Augen äußerst kurios. Als ob man als Single nur ein halber Mensch wäre und auf Teufel komm raus einen Partner finden muss, weil das das einzig anzustrebende Ziel im Leben darstellt.

Sorry, aber die krampfhafte Suche nach Liebe und Geborgenheit ist nicht der einzig wahre Sinn des Lebens. Glück allein ist nicht ausschließlich in einer Beziehung zu finden.

Die Sache mit der Liebe

Liebe passiert eben nicht auf Krampf und (das ist jetzt nur eine steile These von mir) mit Sicherheit nicht so oft, wie manche Leute ihre monogamen Beziehungspartner wechseln. Liebe passiert neben all den anderen spannenden Dingen im Leben, ganz unerwartet und ungeplant. Und oft hält sie eben nicht für immer. Manchmal macht eine Beziehung einen nicht besser, sondern schlechter. Manchmal muss man sich trennen, obwohl man sich liebt. Manchmal ist allein sein die richtige Entscheidung und der Weg zu einem glücklicheren Leben.

Erst das Ich, dann das Wir

Wenn ich dann an diese Menschen denke, die es schaffen, ohne Umwege von einer Beziehung in die nächste zu rutschen, frage ich mich, ob sie jemals mit sich selbst in Ruhe allein sein können – oder das überhaupt möchten. Wie soll man lernen, allein zu sein, auf eigenen Füßen zu stehen und mit sich selbst zurechtzukommen, wenn man stets sicherstellt, ein Back-up zu haben?

Wenn ich dann an diese Menschen denke, die ohne Umwege von einer Beziehung in die nächste rutschen, frage ich mich, ob sie jemals mit sich selbst in Ruhe allein sein können – oder das überhaupt möchten.

Wirklich romantisch ist doch eine Beziehung, in der das Gegenüber nicht die notwendige Vervollständigung des Selbst ist, sondern beide Menschen auch wunderbar alleine im Leben zurechtkommen, sich aber bewusst dafür entscheiden ihr Leben mit der anderen Person zu teilen. Nicht aus Angst davor, allein zu sein, aus Pflichtbewusstsein der gemeinsamen Zeit, Wohnung, Kindern oder Haustieren gegenüber; sondern ganz einfach, weil der oder die Andere das eigene Leben bereichert.

Vielleicht kann man erst so richtig in das „wir“ einer Beziehung eintauchen, wenn man mit dem „ich“, mit dem man seit der Geburt eine Beziehung führt, im Reinen ist.

CutsBlog/Katharina ist eine Meisterin im Nach- und Überdenken. Sie trinkt generell mehr Wein als sie sollte, schläft weniger als sie möchte und schreibt langsamer als ihre Gedanken sich bilden. Wenn sie dann mal schreibt, dann in ihrem roten Ohrensessel, den sie liebevoll ihren Periodenthron nennt, über Herzensangelegenheiten, Feminismus und die Menstruation.

Headerfoto: JoelValve via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!

2 Comments

  • Hallo ihr Lieben! Ich habe eben den Artikel gelesen und ganz am Anfang als es um die ständigen Wechsel der Partner nach der Schulzeit ging, erkannte ich mich da wieder! Ich war bis Mitte 30 so „doof“ und dachte DIE Richtige kommt noch! Tja was soll ich sagen, jetzt sitze ich seit viele Jahren Abends alleine Zuhause und könnt weinen! Es ist zu doof wenn man denkt, dass man nicht immer attraktiv bleibt habe ich sehr spät bemerkt! Dabei waren bei meinen 3 Monatsbeziehungen so viele nette süße Frauen dabei die ich hätte heiraten können! Ein sehr weiser Bericht von euch der genau so bei mir zur Einsamkeit führte! Liebe Grüße André

  • Interessant, die Definition der Menschen über 50. Ich bin so einer;). Aber ich sehe das ähnlich, erst wenn man mit sich alleine glücklich und zufrieden sein kann, kann man (nur wenn man will, kein muss) eine dauerhafte glückliche Beziehung eingehen. Denn dann hat der andere keinen Erfüllungszwang und wird nicht verlassen, wenn er diese Erfüllung nicht bringen kann. Dan gibt es die Chance, einer echten Beziehung auf Augenhöhe.

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