Ich muss ganz ehrlich sein. Eigentlich wusste ich, worauf ich mich einlassen würde. Auch wenn er anfangs noch wirkte als könnte er es ernst meinen. Ich wusste, wer er ist. Aber ob ich es auch akzeptiert hatte?
Die Zärtlichkeiten des Abends verflogen mit der aufgehenden Sonne. Nachts kuscheln konnte er mit mir. Aber am nächsten Tag mit mir reden? Fehlanzeige. Ich lehnte ihn ab und fühlte mich insgeheim gut dabei, weil ich wusste, dass es seinen Stolz verletzen würde. Es gab mir Macht. Und es machte mich glücklich.
Glücklich, weil ein anderer, besonderer Mann, zufriedener wirkte, wenn ich mich nicht auf ihn einließ. Ganze zwei Mal hat das geklappt. Dann verging etwas Zeit, ich bekam Abstand von dem Mann, den ich mochte und konnte mich wieder auf meine inzwischen sehr lange anhaltende Durststrecke konzentrieren. Beim nächsten Cocktailabend geschah es dann doch. Ich ließ mich einfach fallen, ohne Plan.
Wir zwei sind ein Geheimnis.
Dass etwas ohne Plan passiert ist bei mir eine seltene Sache. Der Sex war gut, ich konnte direkt danach aber nicht so ganz einschätzen, was ich jetzt davon halten sollte. Ich entschied mich, es nicht zu bereuen. Solange ich mich dabei wohlfühlte und solange es niemand aus unserem gemeinsamen Freundeskreis wusste, konnte ich mich auf meine erste Freundschaft-Plus einlassen.
Ein Grund dafür war, dass ich mir absolut sicher war, dass ich für diesen Mann keine Gefühle entwickeln würde. Bei einer Freundschaft-Plus eine gute Sache, aber auch eine seltene. Ich redete mir ein, dass es mein Selbstbewusstsein stärken würde. Wir trafen uns ein weiteres Mal. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Wenn die Vorfreude und die Spannung weg sind, wie es nach der ersten gemeinsamen Nacht meistens bei mir der Fall ist, und nur die Person bleibt, ist es von Nachteil, sich nicht auf emotionaler Ebene zu verstehen.
Wir redeten danach zwar ein bisschen, aber nur über oberflächliche Themen.
Wir redeten danach zwar ein bisschen, aber nur über oberflächliche Themen. Ich merkte, dass ich mich auch gar nicht hätte öffnen wollen. Ich fuhr nach Hause, ohne zu wissen ob wir nochmal eine solche Nacht haben würden. Eine gute Woche danach fragte er mich abends, ob ich spontan Lust auf ein Treffen hätte. Ich nahm gerade ein Antibiotikum und verneinte daher. Statt mir gute Besserung zu wünschen kam nur ein Wort von ihm zurück: Schade.
Damit hatte sich für mich das Thema erledigt. Ich dachte, ich könnte Sex ohne Gefühle haben, ihn sozusagen für die Befriedigung meiner sexuellen Bedürfnisse benutzen. Genau das ging auch in seinem Kopf vor und ich konnte nicht sagen, dass mir dieser Gedanke gefiel. Nicht weil ich von diesem Mann mehr erwartete, sondern weil ich mir mehr wert bin.
Es gibt drei Optionen.
Meine Theorie ist, dass genau deshalb die Ausgrenzung der Gefühle bei Freundschaft plus Beziehungen selten ist. Es gibt meiner Erfahrung nach drei Grundarten wie eine Freundschaft plus aussehen kann.
- Entweder einer der beiden Partner empfindet etwas für den anderen, dann endet es meist in Enttäuschung.
- Beide Partner empfinden etwas füreinander, dann kann es in Liebe enden.
- Beide Partner empfinden nichts für den anderen. Dann endet es wie bei mir, weil die körperliche Beziehung nicht ausreicht.
Es entwickelt sich zu Option eins oder zwei, oder die beiden Menschen leben ihre Sexualität weiterhin miteinander aus und sind zufrieden so wie es ist, ohne das Empfinden, etwas ändern zu müssen. Ich hoffe eines Tages wirklich jemandem zu begegnen, der so eine Freundschaft-Plus-Beziehung führt.
Headerfoto: Eunice Lituañas via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!