Essprobleme und Essstörungen: Wie man sie erkennt und warum sie entstehen

Ich möchte für Menschen schreiben, die unter Essstörungen, jahrelangen Diäten, Selbstzweifeln und Körperablehnung leiden. Mit meiner Stimme möchte ich einer Gesellschaft entgegenwirken, die Diäten befürwortet und mit einem unrealistischen Schönheits- und Körperideal wirbt.

Wenn wir lernen, uns zu verstehen und uns mehr und mehr erlauben, gut zu uns zu sein, können wir frei und selbstbestimmt das eigene Leben gestalten. Um langfristig gesund sein zu können, müssen wir unsere Gefühle fühlen. Wir können uns unseren Weg aus unseren negativen Emotionen nicht hinausdenken.

Bei Essproblemen geht es nicht nur ums Essen und das Gewicht. Es ist vielmehr eine Bewältigungsmethode

Bei Essproblemen geht es nicht nur ums Essen und das Gewicht. Es ist vielmehr eine Bewältigungsmethode. Menschen essen, um sich von ihren starken angestauten Gefühlen abzulenken. Natürlich machen sie das nicht bewusst, durch unsere Gesellschaft glauben sie, dass mit der Traumfigur das Traumleben kommt. Doch so ist es nicht.

Eine Essstörung ist ein komplexes mentales Leiden. Zu glauben, dass man einfach nur wieder normal essen muss, ist falsch. Natürlich ist das Essen ein wichtiger Aspekt auf dem Genesungsweg, aber es geht vielmehr darum, Seele und Körper zu heilen.

Wenn der Schmerz so groß wird, dass wir nicht mehr aushalten, wie wir fühlen, dann ist es doch nur verständlich, dass wir versuchen uns mit Essen abzulenken und versuchen unseren Körper zu kontrollieren.

Jede:r darf sich Hilfe holen!

Nicht jedem:r sieht man die Essstörung an. Obwohl man vielen Menschen die Essstörung nicht ansieht, haben alle den gleichen immensen Leidensdruck. Immer wieder kommen Menschen auf mich zu, die sich nicht für krank genug für eine Beratung halten, weil sie nicht krank genug aussehen.

Egal, wie viel man wiegt, wie viel man zu- oder abgenommen hat. Egal, ob man eine Diagnose erhalten hat oder nicht. Egal, wie lang die Essstörung einen schon begleitet. Nichts von alledem kann jemand anderem erlauben, zu urteilen.

Niemand weiß, wie es in dir aussieht und was du bereits durchmachen musstest. Schaut dabei auf euch und geht euren Weg im eigenen Tempo. Ein Leben mit einem positiven Körpergefühl, einem gesunden Essverhalten und den nötigen Werkzeugen, um mit deinen starken Emotionen umzugehen, steht dir zu und ist möglich.

Ab wann beginnt ein Essproblem?

Ich glaube, dass viele leiden, doch sie sind sich dessen nicht bewusst oder spielen ihre anfänglichen krankhaften Symptome herunter.

Warnsignale sind:

  • Wenn man jederzeit an Essen denkt.
  • Wenn man ständig Kalorien zählt.
  • Wenn man Lebensmittel in gut und schlecht einteilt.
  • Wenn man Ängste und Anspannungen erlebt, wenn es um Essen geht.
  • Wenn man in Form von exzessivem Sport seine Mahlzeiten kompensiert.
  • Wenn zu essen als emotionaler Ausgleich dient und man sich häufig stark überisst, weil man das Gefühl hat, sich nicht mehr stoppen zu können.
  • Wenn man sich immerzu in der Nahrungsaufnahme begrenzt, weil man auf seinen Verstand hört, statt seinem Körper zu vertrauen.

Wenn ein oder mehrere dieser Warnsignale bei einem zutreffen, dann ist das Essen bereits zu einer Bewältigungsstrategie geworden, die sich verselbstständigt hat. Essen bedeutet Genuss und Freude.

Es ist überhaupt kein Problem, wenn man mal aus emotionalen Gründen isst, weil man sich in guter Gesellschaft befindet oder man in guter Stimmung ist. Doch wenn essen die einzige Methode ist, die wir haben um emotionale Fülle und Freude in uns zu schaffen, dann ist das besorgniserregend und man braucht Unterstützung.

Essstörungen sind der Ausdruck einer traurigen Seele, die gesehen werden will. Menschen mit Essproblem und Körperablehnung sehnen sich danach, ganz sie selbst sein zu können. Den meisten ist das nicht bewusst und deshalb ist es so schwer, diesen destruktiven Kreislauf zu durchbrechen.

Auf dem Weg der Heilung müssen wir den Mut haben, uns mit uns auf der emotionalen Ebene auseinanderzusetzen. Alles was es braucht, um zu heilen, ist die Bereitschaft an sich zu arbeiten.

Aber wieso haben in der heutigen Zeit überhaupt so viele Menschen ein Essproblem?

Als Ursache können mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Einer davon ist die liebe Gesellschaft und ihre Komplimente. Wir werden für die falschen Dinge gelobt. Nehmen wir ab und waren fünfmal die Woche im Fitnessstudio, werden wir für unsere Disziplin gelobt. Niemanden interessiert es, ob man dafür gegen seine Bedürfnisse lebt.

Deshalb finde ich dieses Loben falsch. Wie kann etwas richtig sein, wenn man sich permanent überarbeitet und dabei die Bedürfnisse seiner Seele und seines Körpers missachtet?

Jedoch darf man als Schwangere in unserer Gesellschaft intuitiv essen, das ist erlaubt. Hier brauchen wir keine Regeln zu befolgen, aber sobald man nicht mehr schwanger ist, wird man gelobt oder unter Druck gesetzt, schnell wieder wie vor der Schwangerschaft auszusehen. Warum soll ein Körper, der ein Baby geboren hat, eigentlich wieder so aussehen, als hätte er das nie getan? Ist das etwas, wofür man sich schämen muss, liebe Gesellschaft?

Wie kann etwas richtig sein, wenn man sich permanent überarbeitet und dabei die Bedürfnisse seiner Seele und seines Körpers missachtet?

Aus dem falschen Lob entsteht schnell eine krankmachende Denkweise. Es ist nicht lobenswert, wenn wir gegen unsere Bedürfnisse leben. Es ist nicht lobenswert, wenn wir die Grenzen unseres Körpers missachten, weil es uns auf Dauer krank und unglücklich macht. Es ist auch nicht lobenswert, wenn wir uns schuldig dafür fühlen, dass wir uns Genuss oder Weichheit zugestehen.

Es ist nicht lobenswert, wenn wir entgegen unserer Natur leben. Niemand darf sich schuldig für ein menschliches Bedürfnis fühlen. Wir dürfen sein, so wie wir sind. Nämlich als Mensch und nicht als Maschinen.

Anm. d. Red.: Wenn du oder ein Mensch in deinem Umfeld unter ähnlichen Symptomen leidet, könnt ihr euch online bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung informieren und telefonisch beraten lassen. Der Bundesverband Essstörungen hilft dir dabei, Angebote und gegebenenfalls freie Therapieplätze zu finden.

Cathleen lernt gerade Gitarre spielen und lebt mit ihrer Familie in Bayern.
In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit Menschen, die den Weg aus der ES gehen möchten. Als psychologische Beraterin, als Mensch und als Frau liegt ihr viel daran, Menschen darin zu unterstützen, wieder Selbsterkenntnis und Vertrauen zu entwickeln. Ihr findet sie auf Instagram unter den Namen @leben_ohne_essstoerung.

Headerbild: Ilya Mirnyy via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür! 

1 Comment

  • An sich ein guter und schöner Beitrag, allerdings muss ich aus eigener Erfahrung ergänzen, dass nicht nur ein „schlankes“ Ideal von der Gesellschaft verlangt wird. Der Druck nicht zu genügen, dazu zu passen trifft auch schlanke/dünne Menschen.
    Da wird einem schnell mal Magersucht oder Bulimie unterstellt nur weil Man(n)/Frau unter dem Durchschnitt liegt und andere sich schämen, weil sie nicht so aussehen. Mich hat jedenfalls genau diese Beschämung meines „schlank seins“ in eine Bulimie getrieben und jetzt mit mehr Kilos bin ich körperlich und seelisch kränker als ich es vorher war, allerdings wird mir jetzt keine Essstörung mehr angedichtet.

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