Der Kaffee. Die Packung Tabak. Die Geldbörse. Weißt du noch, wie dein Kaffee da stand? Auf meinem Fensterbrett, vor einem Jahr? Daneben die gelbe Packung Tabak, die irgendwie gut roch, nach dir, auch wenn ich nie geraucht habe. Deine Geldbörse lag meist auch noch daneben.
Wie ein Stillleben. Ein Besuchs-Stillleben. Denn viel mehr war das irgendwie nicht in unserer Beziehung. Jeder bei sich eben und wir besuchten uns gegenseitig. Mal für eine Nacht, mal für zwei.
Die Packung Tabak. Die Geldbörse. Wie ein Stillleben. Ein Besuchs-Stillleben. Denn viel mehr war das irgendwie nicht in unserer Beziehung. Jeder bei sich eben.
Ich sehe mich also immer noch, wie ich da stand. Am Balkonfenster. Und dich beobachtete. Dein Blick ging in die Ferne, deine Hand umschloss die Kaffeetasse, deine Lippen die heißgeliebte Kippe. Zwischendurch fiel dein Blick zu mir. Augenblicke unserer Beziehung. Für immer abgespeichert in meiner Erinnerung.
Und jetzt flammte sie wieder auf. Diese Erinnerung an uns. Und unser kleines feines Stillleben auf dem Fensterbrett. Denn neulich, neulich hatte ich Besuch.
Es wird immer jemand bleiben. Aber du wirst es nicht.
Das erste Mal ließ ich jemanden auf meinem Balkon mit mir das Feuerwerk ansehen, sich mit mir ins Bett kuscheln und gemeinsam aufstehen. Und da sah ich sie: seine Geldbörse auf meinem Fensterbrett. Er trank schwarzen Tee, keinen Kaffee und seine Packung Tabak steckte in seiner Hosentasche. Und nein, er rauchte nicht auf meinem Balkon: er telefonierte.
Doch er hielt mich im Arm wie du es tatest. Abends zum Einschlafen. Ganz automatisch. Und als mein Wecker morgens klingelte, da weckte ich ihn sanft. Wie aus Gewohnheit. Wie ich es eben auch bei dir tat. Ich ertappte mich in diesen Wiederholungen. Als würde mich meine Erinnerung von der Seite anstupsen und mich fragen, was ich da täte.
Es sind diese so kleinen Augenblicke, von denen ich dachte, sie gehörten nur uns, sie seien etwas Besonderes. Doch wie die Realität zeigt, sind sie austauschbar.
Es sind diese so kleinen Augenblicke, von denen ich dachte, sie gehörten nur uns, sie seien etwas Besonderes. Denen ich in der schmerzhaften Zeit des Liebeskummers nachtrauerte. Und an die ich still und heimlich immer wieder noch denke. Doch wie die Realität zeigt, sind sie austauschbar. Austauschbar und einzigartig zugleich. Nur du saßt so auf meinem Balkon, und nur mein jetziger Besuch streicht mir abends mit seinen Fingern so durchs Haar.
Diese Erkenntnis, sie erleichtert mich und macht mich traurig zugleich. Es ist eine Erkenntnis der Hoffnung und des Loslassens. Es wird immer wieder jemanden geben, bei dem es sich einfach gut und richtig anfühlt, in seinem Arm zu liegen. Doch du wirst es nicht sein. Und niemand wird mich durchs Fenster nochmal so ansehen wie du es einst tatst.
Es ist wohl so eine Sache mit den Stillleben. Es sind die schönsten kleinen Augenblicke in unserem Leben. Austauschbar einzigartig.
Headerfoto: Kevin Laminto via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
Ein sehr faszinierender Text, der mich nachdenklich macht, dem ich instinktiv in vielen Passagen gerne widersprechen würde und doch keine Worte hierzu finde, weil es vielleicht keine gibt – weil Deine Darstellung vielleicht einfach richtig ist und der von mit gefühlte Widerspruch nur moralisch reaktiv, …. ?
Sehr gut geschrieben !
Toller Text !