Ich sitze mit meinem Arbeitskollegen Friedrich im Auto. Friedrich ist 40 Jahre alt und eigentlich ein relativ angenehmer Reisepartner. Die meiste Zeit unterhalten wir uns gut. Viel über die Arbeit. Manchmal aber auch über Privates – Musik, Hobbys, seinen Sohn.
Wie gesagt: Mit Friedrich ist es eigentlich immer entspannt, aber als er mich an diesem Morgen irgendwo auf der Autobahn zwischen Nürnberg und München ansieht und nach einer kurzen Pause „Ich muss dich das jetzt mal fragen“ sagt, da weiß ich schon, dass das nix Ordentliches werden kann.
Und weil mein Kopf das auch weiß, setzt sofort das ungute Bauchgefühl ein.
Noch nie kam nach einem „Ich muss dich das jetzt mal fragen“ so etwas wie: „Warum siehst du jeden Morgen so verdammt gut aus?“
Noch nie kam nach einem „Ich muss dich das jetzt mal fragen“ so etwas wie: „Warum siehst du jeden Morgen so verdammt gut aus?“, sondern eher immer etwas in die Richtung: „Darf ich mich neben dir auch noch mit anderen Frauen treffen?“ Zum Glück führe ich keine Beziehung mit Friedrich und kann zumindest schon mal diesen Punkt ausschließen.
„Hast du eigentlich gutes Bindegewebe oder trägst du immer Push-up-BHs?“, fragt mich mein Vorgesetzter ohne zu zögern und ich kann es nicht so richtig glauben. Ich starre Friedrich an und obwohl ich mich sonst als schlagfertig bezeichnen würde, will mir in diesem Moment keine passende Antwort einfallen. Nach ein paar Sekunden habe ich mich dann aber doch gefangen und bringe ein einigermaßen bestimmtes „Das geht dich absolut nichts an.“ über die Lippen.
Ich bin schockiert.
Hast du eigentlich gutes Bindegewebe oder trägst du immer Push-up-BHs?
Nicht nur weil mein Arbeitskollege und gleichzeitig Vorgesetzter eine offensichtlich völlig unpassende Fragen gestellt und somit eine Grenze überschritten hat, sondern auch, weil ich mit so etwas tatsächlich schon gerechnet habe. Viel zu oft musste ich mich schon mit solch respektlosen Fragen auseinandersetzten. Und wenn es keine respektlosen Fragen waren, dann vielsagende Andeutungen oder dumme Witze. Und das leider nicht nur privat, sondern wie eben beschrieben auch im Arbeitsleben.
Friedrich verkraftet meine kühle Antwort relativ schnell. Er lacht, entschuldigt sich halbherzig mit einem „Sorry, das musste ich einfach mal fragen, weil …“ und beginnt im selben Atemzug, von einem Mädchen aus Schulzeiten zu erzählen, welches wohl auch mal große Brüste hatte.
Ich höre ihm nicht mehr zu. Meine Gedanken kreisen nur noch um eine Frage: Was zum Teufel ist mit den Männern los? Ja, ich habe Brüste. Ja, vielleicht sind sie verhältnismäßig groß, das stimmt schon, aber das war’s dann auch – es sind und bleiben einfach nur Brüste.
Eure Mütter, die haben auch Brüste. Würdet ihr es gut finden, wenn jeder dahergelaufene Heinz-Dieter ihnen solche Fragen stellt?
Eure Mütter, die haben auch Brüste. Würdet ihr es gut finden, wenn jeder dahergelaufene Heinz-Dieter ihnen solche Fragen stellt oder zweideutige Aussagen macht? Oder noch wichtiger: Würdet ihr ihnen selbst solche Fragen stellen? Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht verklemmt oder humorlos.
Ich kann stundenlange Gespräche nur mit dem Thema Brüste füllen. Brüste sind schön. Ich kann die Vor- und Nachteile von großen und kleinen Brüsten erläutern. Ich kann über Witze lachen, egal ob sie mich selbst oder andere betreffen. Aber das alles mache ich nicht mit euch. Ich spreche und lache mit Leuten, die mir nahe stehen. Und nicht mit euch Friedrichs oder Heinz-Dieters, die nicht einmal richtig wissen, wer ich bin und was mich ausmacht.
Es geht euch schlicht und ergreifend nichts an, ob meine Brüste sehr, mittel, wenig oder gar nicht hängen. Genauso wenig geht es mich etwas an, ob euer Penis sehr klein, klein, mittel oder groß ist. Ich würde euch so etwas nie fragen – ihr mich schon.
Aber wer gibt euch das Recht dazu? Der Ausschnitt, den ich trage, sicher nicht, denn wegen Menschen wie euch ist er verschwindend klein. Aber selbst wenn er es nicht wäre, selbst wenn man meine Brüste vom Mars aus betrachten könnte, hättet ihr verdammt nochmal die Fresse zu halten, denn: Mein Körper, meine Regeln.
Ich habe es satt, auf meine Brüste reduziert zu werden, obwohl ich so viel mehr habe
Und meine Regeln sagen, dass es doch wohl nicht zu viel verlangt ist, respektvoll und höflich zu sein.
Ich habe es satt.
Ich habe es satt, auf meine Brüste reduziert zu werden, obwohl ich so viel mehr habe – Beine, Bauch, Po, Gesicht und vor allem Charakter.
Ich habe es satt, mir dumme Fragen, Andeutungen oder Witze gefallen zu lassen und ich habe es satt, mir ein Oberteil nicht zu kaufen, weil darin die eigene Oberweite zu sehr betont wird.
Und deswegen ist damit jetzt Schluss. Ich werde tragen und kaufen, was ich will. Ich werde mich nicht mehr reduzieren lassen. Und wenn mir das nächste Mal ein Mann respektlos gegenübertritt, werde ich einfach nach seiner Penisgröße fragen, schließlich gilt gleiches Recht für alle.
Ich habe Brüste, liebe Männer, kommt bitte einfach darüber hinweg.
Natürlich weiß ich, dass nicht alle Männer wie oben beschrieben sind. Fühlt euch also bitte nicht angegriffen, wenn ihr euch im Text nicht wiedererkennt. <3
Headerfoto: Mädchen am Bahnhof via Shutterstock.com. (Gesellschaftsspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür.
Hallo,
ich kenne dieses Verhalten der Männer sehr gut noch aus meiner Pupertät. Da haben die Jungs auch ständig über meine Brüste geredet und gewitzelt und sogar Wetten abgeschlossen, wer sich traut mich an dem Busen zu fassen. Das war sehr ernidrigend. Ich hatte eben schon mit 13 groeßere Brüste als die anderen Mädchen. Manche Mädchen haben übrigens auch blöd daher geredet über mein Brüste. Vielleicht waren Sie ja nur neidisch? Aber für mich war es furchtbar. Es war verletzend und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.
Vor zweit Tagen hat mich ein Kollege während eines Gespräches auch auf meine Busen angesprochen. Mir ging es auch so, ich war geplättet über seine Äusserung. Später hat er dann gemeint ich soll es nicht böse auffassen, er hätte ein Kind zu ernähren und ein Haus abzubezaheln. Und es wäre seinerseit doch ein Kompliment gewesen.
Tja! Ein Kompliment hört sich für mich anders an und ein Kompliment an meiner Arbeitsstelle über meinen Busen muss wirklich nicht sein. Das stelle ich mir dann schon eher in einem geschützten Rahmen mit meinem Liebsten vor. Aber wie auch immer… ich bin froh hier mal zu lesen, dass es nicht nur mir alleine zu geht. :-/
Ich bin dir sooo dankbar. Ich saß gerade eine Stunde heulend im Zimmer und habe mit meinen Freund telefoniert, warum alle Männer mich auf meine Brüste reduzieren. Er konnte es nicht sagen. Du hast mich motiviert, dem nächsten Bauarbeiter der gafft und mir dumme Fragen stellt zu kontern. Danke bleibe so wie du bist!
Es war Friedrich wohl selbst nicht ganz geheuer diese Frage zu stellen,
daher dieses „Du, darf ich dich mal was fragen“ 🙂
Jeder sollte so professionell sein, so etwas nicht anzusprechen…
Möglicherweise sind Frauen häufiger als Männer Opfer solcher Fragen,
was m. E. tatsächlich über ein paar Umwege auf die Evolution und den Trieb sich fortzupflanzen zurückzuführen ist. Das ist wohl in den Genen verankert…
ABER an sich könnte man den Bericht genauso aus Männersicht schreiben.
Spätestens seit Emanzipizierung und Gleichberechtigung haben Frauen gelernt mindestens genauso sexuell befreit zu sein wie Männer, und teils genauso wenig zurückhaltend was ihr Handeln und ihre Äusserungen anbelangt. Daher gibts eigentlich keinen Grund sich als Frau generell in der Opferrolle zu sehen… 🙂
Prinzipiell hängt es natürlich immer von jedem einzelnen ab, was er für Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gemacht hat.
DANKE
Schön, dass du dich für dich und mich und andere Frauen und Männer stark machst.
Deine Sprachlosigkeit kenn ich nur zu gut. Deine Idee, eine Antwortfrage einzustudieren und den nervigen Kerlen PENG um die Ohren zu schleudern, werd ich mal ausprobieren.
Viel Erfolg dir!
Nein Jule. Du fehlinterpretierst da was. Ja, die Frage deines Kollegen war sehr direkt. Diese Frage hat allerdings nichts mit Respektlosigkeit zu tun, nichts mit Reduzierung auf Körperteile. Die Frage zeigt im Gegenteil sehr viel Respekt und Achtung, nämlich in Form der Bewunderung der Ästhetik der Frau, des Femininen, des Weiblichen, insbesondere der Brüste als wichtigstes äusserliches Merkmal. Bewunderung des Lebens, für das Leben.
Ich weiss, es ist schwer zu erklären, warum Fett- und Bindegewebe mit Haut drüber als hochästhetisch empfunden werden. Allen voran von Männern. Man könnte nun mit der Evolutionspsychologie argumentieren, nur das hilft momentan nicht weiter. Ihr Frauen werdet es nicht verstehen. Woher kommt eure Paranoia vor Bewunderung, Achtung und Respekt? Aus meiner männlichen Sicht ist dies ein Rätsel. Mit Brüsten ist es so wie mit herrlichen Blumen, majestetischen Landschaften, stolzen Bäumen, blauem Himmel, der wärmenden Sonne, goldenen Stränden: Man wirft einen Blick darauf und denkt sich WOW, was für eine Ästheitik der Natur. Mit Reduzierung und Respektlosigkeit hat dies nichts, aber auch rein gar nichts zu tun.
Tom
Hör auf, ihr was in die Schuhe zu schieben. Das ist einfach mies.
Jule, du hast völlig Recht. Ich fände es genauso übergriffig und respektlos, wenn mich meine Vorgesetzte fragen würde, ob ich einen großen Penis habe oder immer Push-Up-Unterhosen anziehe. Du hast richtig und gut reagiert, es ist ja immer schwierig, in so einer überraschenden Situation schnell die richtigen Worte zu finden.
Ich würde ihm auch noch einmal ruhig, aber deutlich sagen, warum seine Bemerkung unangemessen war (hast du wahrscheinlich auch schon getan, wenn du das Ganze jetzt noch als Text verarbeitet hast). Es ist wichtig, dass er es versteht, was es bei dir ausgelöst hat. Es ist eine Frage der Empathie, wie du in dem Kommentar oben gesagt hast. Manche Menschen haben nicht sehr viel Empathievermögen, daher glaube ich, ist es sehr wichtig, ihnen Feedback zu geben, damit sie mehr Bewusstsein für ihr Handeln entwickeln.
Hallo Jule, danke für den sehr guten Artikel, ich kann ich alles nachvollziehen. Vor allem die Stelle mit dem „Ich muss dich das jetzt mal fragen“. Da sage ich dann mittlerweile schnell: „Nein, musst du nicht. Und es wäre mir auch lieber so.“ Noch einfacher geht es, wenn die Übergangsfloskel als Frage getarnt ist: „Darf ich dich mal was fragen?“ Da weiß man ja erst recht schon, dass danach nur noch eine übergriffige Frage kommt. Insofern gleiche Antwort: „Nein, lieber nicht. Danke.“ Ich kann sehr gut damit leben, nicht zu wissen, was die Frage war und das Gegenüber ist vielleicht sogar froh, sie nicht gestellt zu haben.
Ja. Dummer Spruch solches und super frech. Keine Diskussion.
Andere Frage: Äquivalent zu Brüsten tatsächlich der Penis? Primär/sekundär durcheinander? Egal… Manches zu einfach machen, dürfen nur die anderen nicht… Welt nicht stets gerecht. Bitter… Trotzdem darf jeder (Typ) sein Hirn benutzen und seiner Gegenüberin Respekt zeigen… Kopf hoch Jule! Reagiere stets kraftvoll. Doch mit kurzen Stoffen wächst die Würde nicht…verstehe den Outfit-Absatz/Ansatz nicht. Unzwar prinzipiell. Nur aufgesetzt… wie so manche Macho-Attitüde.
Friede
Liebe Jule, dein Text ist so wunderbar geschrieben – ich kann so mit dir mitfühlen, auch wenn ich noch nie in solch einer Situation war, dass ich auf meine Brüste reduziert wurde. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass ich mich oft nicht traue Ausschnitt zu tragen…und jetzt denke ich darüber nach, warum eigentlich nicht?! Und was deinen Vorgesetzten angeht, ich finde das absolut unakzeptabel! Ich könnte damit nicht locker umgehen und würde wahrscheinlich auf der Stelle das Weite suchen…
Liebste Grüße, Vivian
Doch, du bist nicht entspannt und machst andere für deine Gefühlswelt verantwortlich.
Setzt voraus, dass dein Gegenüber im vornherein wissen soll, über was er/sie mit dir sprechen darf und was nicht. Außerdem scheinst du dich sonst gut mit Friedrich unterhalten zu können… das du ihm unterstellst, dich nur auf deine Brüste zu reduzieren ist unfair. Vielleicht bemisst DU deinen Brüsten einfach eine zu große Rolle in deinem Leben zu…
Hallo Oliver,
ich hatte nie gesagt, dass ich bei diesem Thema entspannt bin – jahrelange Erfahrungen und daraus resultierende „Wut“ spiegeln sich natürlich auch in diesem Text wieder.
Ich sehe das nicht so. Ich glaube sehr wohl, dass ich erwarten kann, dass mein Gegenüber weiß (vor allem als Arbeitskollege / Vorgesetzter), dass es nicht angemessen ist über meine Brüste zu sprechen. Und auch ansonsten erwarte ich von Menschen so viel Empathie. Dass ich mich ansonsten gut mit ihm unterhalten kann spielt in diesem Kontext doch gar keine Rolle. Das würde geschlussfolgert ja heißen, dass jeder zu dem ich freundlich bin z.B nach meiner Körbchen Größe fragen darf.
Ich unterstelle in diesem Text auch nicht Friedrich speziell mich zu reduzieren, sondern ich unterstelle es den Männern im ganz Allgemeinen (also nur den Männern, die sich wie oben beschrieben verhalten – bitte nicht falsch verstehen). Dass ich mich selbst habe reduzieren lassen, war natürlich mein Fehler, das schreibe ich ja am Ende.
Hahahahahahaha, das kann auch nur von nem Mann kommen, ist die Frau doch wieder selber Schuld. Warum? Ach ja, sie ist ne Frau… Den Kommentar hättest du dir sparen können, Oliver!