Ich bin nicht Dauersingle, weil ich mir meine Unabhängigkeit und vermeintliche Freiheit bewahren will. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Art von Freiheit, die ich meine, eine Partnerschaft bereichern kann. Freiheit bedeutet für mich nicht, alles tun und lassen zu können, was ich will, ohne Rücksicht auf den anderen.
Wahrhaftige Freiheit bedeutet für mich, die Spielregeln des Lebens zu kennen, wie Rüdiger Dahlke es so schön formuliert. Freiheit bedeutet, mich selbst zu kennen und die unbewussten Muster aufzudecken, die mich wie eine Marionette handeln lassen. Mich von meinen Prägungen zu lösen, die an mir kleben wie ein alter Kaugummi.
Aus diesem Grund verbringe ich sehr viel Zeit damit, zu schreiben, zu lesen und Videos von inspirierenden Menschen anzuschauen. Alle meine Sinne sind auf persönliches Wachstum ausgerichtet. Damit ich das Leben leben kann, welches mich wirklich erfüllt, und die Beziehungen führen kann, die mich nähren.
Alle meine Sinne sind auf persönliches Wachstum ausgerichtet. Damit ich das Leben leben kann, welches mich wirklich erfüllt.
Es war die Frage nach dem Warum, die mich angetrieben hat. Sie tut es immer noch. Alles beginnt mit dem ersten Schritt und ehe man sich versieht, steckt man mittendrin. Die Dinge nehmen ihren Lauf und alles um einen herum geschieht einfach.
Doch persönlicher Wachstum ist nicht immer leicht, es gibt unangenehme Wachstumsschmerzen, die einen verzweifeln lassen können. Es kostet viel Kraft und vor allem Mut, sich im Dreck zu suhlen. Als ich unter Wachstumsschmerzen litt, suchte ich Halt in meiner spirituellen Praxis. Die spirituelle Community schien mir Halt zu versprechen und andere „Mindful“ Blogger*innen hauchten mir ein bisschen Frieden ein. So wie der Song von Nicole schenkten mir diese Menschen vorerst ein gutes Gefühl.
Ich wollte mit Licht und Liebe durch mein Leben schreiten und versuchte, alles Negative auszublenden. Doch ich wurde dieser Rolle nicht gerecht und verfiel in meine gewohnten Verhaltensweisen. Wurde ich wütend, plagten mich Gewissensbisse und ich zog mir noch mehr Licht und Liebe rein. So viel, dass ich innerlich platzte und mir alles aus dem Hals heraushing. Ich brauchte eine Pause.
Ich wollte mit Licht und Liebe durch mein Leben schreiten und versuchte, alles Negative auszublenden. Doch ich wurde dieser Rolle nicht gerecht.
Was ich bis dahin übersehen hatte, war, dass hier mein Ego am Werk war. Ich erkannte, dass dieser extreme Selbstoptimierungstrip mir mehr schadet, als dass er mir nützlich ist. Ich hatte die Schnauze voll! So ein Break tut manchmal echt gut, man beginnt, alles aus der Vogelperspektive zu betrachten. Die Erleuchtung kam schneller als erwartet: → „Einen Scheiß muss ich!“
Ich erkannte, dass ich meine spirituelle Praxis leben kann und trotzdem laut „Scheiße“ sagen darf, wenn mir danach ist. Ich darf schlecht drauf sein und ich muss diese Gefühlsregung nicht mit einem Lächeln übertünchen.
Ich kann Yoga praktizieren und darf trotzdem ausgelassen feiern und tanzen gehen. Ich bin eine Yogini, die ihre Leggins und ihren Yogi-Tea gerne mal gegen ein paar heiße Klamotten und ein kühles Blondes austauscht. Ich muss nicht im Exil leben und alles Negative um mich herum verbannen. Ich lebe ein spirituelles Leben ohne irgendwelche Dogmen und aufgezwungenen Sätzen wie: „Wir haben uns alle lieb.“
Wir haben uns nicht alle lieb und das ist okay. Ich muss nicht Everybody’s Darling sein. Ich muss nicht alle mit Liebe und Mitgefühl überschütten. Mit manchen Menschen bin ich nun mal nicht kompatibel und das ist auch völlig in Ordnung. Nur weil ich Yoga praktiziere und bewusster durchs Leben gehe, bedeutet es noch lange nicht, dass ich alles und jeden in Licht und Liebe sehen muss.
Wir haben uns nicht alle lieb und das ist okay. Ich muss nicht Everybody’s Darling sein.
Auch in der Social-Media-Welt ist nicht immer alles Lametta. Menschen, die ausschließlich positiv sind und deren Leben aus Einhörnern und guten Feen besteht, sind in meinen Augen nicht authentisch. Sie wollen sich nicht dreckig machen und zeigen lieber ihre glänzende Maske. Aber auch die fällt eines Tages … spätestens wenn die Kamera aus ist.
Ja, auch in der scheinbar heilen Welt wird Druck erzeugt. „Oh ein schlechter Gedanke, schnell positive Affirmationen aufsagen und sich im Spiegel anlächeln.“ Sarkasmus? Ja ein bisschen schon, aber es ist leider die Realität. Es ist vergleichbar mit einem verbrannten Kuchen. Da kannste noch so viel Puderzucker drauf streuen. Es ist und bleibt ein verbrannter Kuchen.
Meine spirituelle Praxis ist weiterhin mein Anker und zum Glück bin ich Menschen begegnet, die ihr authentisches Leben teilen und mich wirklich inspirieren. Die positiven Gedanken kommen von ganz alleine und sie entstehen aus meinen tiefsten Kern. Diese Energie, die dann entsteht, ist mit keinem aufgezwungenen Satz zu vergleichen.
Das Leben besteht nicht nur aus Sonnenschein und das ist auch gut so. Mir strahlt die Sonne nicht immer aus dem Allerwertesten. Es gibt Phasen, da bin ich ungenießbar und jaaaa, ich stehe dazu! Wir dürfen diese Gegensätze in uns vereinen und müssen die Polarität anerkennen. In einer Sekunde ist das Leben wunderschön und in der nächsten bringt es Leid hervor.
In einer Sekunde ist das Leben wunderschön und in der nächsten bringt es Leid hervor.
Ein kleines Eichhörnchen hat mir diese Erkenntnis auf schmerzhafte Weise wieder bewusstgemacht. In der einen Sekunde freute ich mich über dieses kleine Wesen, welches vor mir über die Straße huschte und in der nächsten flossen mir die Tränen von den Wangen. Ein entgegenkommender Autofahrer erfasste dieses kleine Lebewesen mit dem Vorderrad.
So nah liegen Freud und Leid beieinander. Licht und Schatten, beides ist notwendig und fließt ineinander über. Wir können den Schatten nicht leugnen! Es geschieht im Außen, aber vor allem in uns selbst.
Das ist für mich wahrhaftige Freiheit, die Spielregeln des Lebens zu kennen. Je bewusster ich werde, umso tiefer breitet sich die Freiheit in mir aus. Wachstum kann Leid hervorrufen, aber man erhält dadurch so unfassbar viele Geschenke. Die kleinen unscheinbaren Dinge, die so ganz nebenbei passieren, die kleinen Aha-Momente, die mir das Leben schenkt.
Es sind die banalsten Dinge, die ich nicht mehr als gegeben hinnehme. Ich sehe alles viel klarer, so als würde ich mit -3,5-Dioptrien zum allerersten Mal eine Brille aufsetzen … Der Schleier ist verschwunden. Ich strebe keine materielle Freiheit an, denn diese ist nur eine Illusion. Nicht die äußeren Umstände machen uns frei, sondern unser Innerstes.
Nicht die äußeren Umstände machen uns frei, sondern unser Innerstes.
Unsere Gedanken, Einstellungen und Vorstellungen begrenzen uns in allen Bereichen unseres Lebens. Ich habe lange geglaubt, dass persönlicher Wachstum und eine Partnerschaft nicht miteinander im Einklang stehen. Dass ein Mann an meiner Seite mich meiner Freiheit beraubt und ich so nicht meine Visionen ausleben könnte.
Aber das ist genauso falsch wie der Gedanke, dass finanzielle Sicherheit oder materieller Besitz mir Freiheit schenkten. Ich nehme den oftmals steinigen Weg sehr gerne in Kauf. Die Geschenke, die ich dafür erhalte, sind so kostbar und mit keinem Geld der Welt zu bezahlen.
Lange Zeit fühlte ich mich wie ein Vogel im Käfig. Nicht wissend, dass die Tür immer offenstand! Eine gute Freundin sagte mal zu mir: „Du bist so vogelfrei“ und genau dieser Satz trifft es auf den Punkt. Vielleicht faszinieren mich unsere gefiederten Zeitgenossen auch deswegen.
Ich könnte den Amseln stundenlang bei ihrem abendlichen Gesang zuhören oder den Bussard beobachten, wie er seine Kreise zieht und sich vom Wind tragen lässt. Lasst uns öfter mal in den Himmel schauen und uns ein Beispiel an Mr. Spatz & Co. nehmen.
Lange Zeit fühlte ich mich wie ein Vogel im Käfig. Nicht wissend, dass die Tür immer offenstand!
Eine Partnerschaft muss mich beflügeln. Ein Mann darf mir nicht die Flügel stutzen und mich im goldenen Käfig halten. Wohl auch ein Grund, warum mich bisher noch keiner so wirklich gezähmt hat.
Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wenn wir diese innere Freiheit erlangt haben, eine Partnerschaft in Freiheit und vor allem ohne Drama gelebt werden kann. Eine weitere Spielregel besagt nämlich, dass uns alles, was uns im Außen begegnet, als Spiegel dient. Unsere Augen können alles im Außen sehen, doch wir können uns selbst nicht sehen. Daher dient uns jede Situation und jede Person als Spiegel. Wie praktisch oder?
Das alles zu verstehen und zu verinnerlichen hat mir Flügel wachsen lassen. Mir fällt dadurch nicht alles in den Schoß. Ich gerate trotzdem immer wieder in Situationen, wo ich denke: „Echt jetzt?“ Aber ich nehme vieles gelassener hin und bleibe nicht wochenlang in einem dunklen Loch sitzen. Ich übernehme Verantwortung und mache nicht andere oder das Leben selbst für alles, was mir geschieht oder wie ich mich fühle, verantwortlich.
Ich suhle mich gerne im Dreck und tanze danach bei Sonnenschein im Regen.
Ich suhle mich gerne im Dreck und tanze danach bei Sonnenschein im Regen. Das macht das Leben doch aus und wenn man die Spielregeln kennt, macht es so richtig Spaß. Da fällt mir ein: Lange kein Mensch ärgere dich nicht gespielt.
Headerfoto: Gage Walker via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
Ein ganz toller Text, du sprichst mir aus der Seele und thematisierst vieles, über das ich mir auch schon Gedanken gemacht habe. Super reflektiert! Danke!