Hätte man mir vor einigen Jahren gesagt, dass ich eines Tages mit meinem Verlobten Pornos drehen und verkaufen würde und dann auch noch tiefenentspannt in der Öffentlichkeit darüber reden würde, hätte ich wohl laut gelacht – aber here we are. Als Aktmodel stehe ich schon wirklich lange vor der Kamera, aber der Sprung von erotischem Stillleben hin zu pornografischem Bewegtbild war dann doch ein größerer – irgendwie.
…der Sprung von erotischem Stillleben hin zu pornografischem Bewegtbild, war dann doch ein größerer irgendwie.
Dachte ich zumindest – wurde aber tatsächlich schnell eines Besseren belehrt. „Lass mal offen über Sexualität reden“ – dafür stehe ich doch eh schon immer, warum sollte es also so ein Riesending sein, seine Sexualität offen zu leben, sie zu zeigen und damit vielleicht sogar damit beizutragen patriarchale Strukturen in der Pornoindustrie aufzubrechen?
Gesellschaftliche Normen und Tabus
Die Antwort liegt auf der Hand: Weil unsere Gesellschaft uns das vermittelt. Alles und jede:r wird heutzutage sexualisiert, aber wenn es darum geht, mal wirklich über Sexualität zu sprechen, so richtig offen und ehrlich eben, ist das Schweigen groß und das Tabu noch viel größer. Und genau deswegen war Pornos drehen für mich und meinen Partner auch nie eine ‚ganz normale Sache‘.
Andere treffen sich zum Brunch und wir drehen Pornos, oder was?
Andere treffen sich zum Brunch und wir drehen Pornos, oder was? Das kannste doch nicht bringen – doch, kannste. Irgendwann haben wir es dann halt einfach gemacht. Angefangen hat das natürlich mit schüchternen Witzeleien – „hihi, stell dir vor wir würden WIRKLICH mal einen Porno drehen“, aber schon bald wurden aus Scherzen konkrete Gedanken und aus konkreten Gedanken dann das erste Drehbuch.
Der Moment in dem wir das sprichwörtliche ‚rote Tuch‘ einfach in hohem Bogen weggepfeffert und als Unterlage zum drauf vögeln benutzt haben, war großartig, das sag ich euch. Vor allem unseren ersten Dreh werde ich nie vergessen. Jedes Mal, wenn ich den Begriff ‚sexuelle Freiheit‘ höre, muss ich an diesen einen Tag denken.
Pornos drehen: für mich die sexuelle Befreiung
Denn genau das war es: Vögeln für ein Stück der Freiheit, die die Gesellschaft mir nehmen will. Das durch Stereotype und Normen geformte ‚Ich‘ einfach abstreifen und zum ehrlichen, verletzlichen und sexuellen Selbst werden. Und das mit der Person, die ich am meisten liebe. Unbezahlbar.
Vögeln für ein Stück der Freiheit, die die Gesellschaft mir nehmen will.
Unser erster Porno war ein Outdoorfilm und ich kann mich genau daran erinnern, wie ich diese Momente mit all meinen Sinnen erlebt habe. Mag cheesy klingen, aber der nass-kalte Waldboden, die Geräusche der Natur, der Blick in den Himmel und das alles, während ich eins war mit meinem Seelenpartner – das war einfach krass.
Ich hab den Tag wie im Film erlebt – wirklich verrückt, wie sich etwas so verboten und gleichzeitig, wie das Natürlichste der Welt anfühlen kann. Ich weiß noch, wie overwhelmed und adrenalingeladen wir anschließend waren: fast so, als kämen wir grad von einer Art (sexy) Bankraub.
Das Sichten des Materials hat uns dann aber irgendwie wieder beruhigt, weil es uns in all dem bestätigt hat, was unsere Hoffnung war: etwas erschaffen, das uns und unsere Sexualität authentisch zeigt. Unretouchiert, verletzlich, gefühlvoll. Und ja – ich beschreibe hier immer noch einen Porno.
Unretouchiert, verletzlich, gefühlvoll. Und ja – ich beschreibe hier immer noch einen Porno.
Ich bin so dankbar dafür, dass wir den Mut hatten, diesen Schritt zu gehen. Denn, ja, unsere Beziehung ist daran enorm gewachsen. So offen und ehrlich mit einer anderen Person zu sein zu können, dass man gesellschaftlich auferlegte Normen bricht, Tabus abstreift und gemeinsam einen Schritt hin zur sexuellen Freiheit geht, das ist der pure Wahnsinn. Und ich wünsche allen Menschen da draußen so eine Erfahrung.
Vielleicht muss man dafür nicht zwangsläufig Pornos drehen, aber in meinem Fall hat es so funktioniert und mir auf eine einzigartige Art und Weise gezeigt, wie sehr wir uns gegenseitig vertrauen und inspirieren.
Ein ganz normales Hobby
Jetzt, einige Monate später, drehen wir immer noch regelmäßig und auch bei jedem neuen Film bin ich erstaunt, was wir da eigentlich kreieren. Ich liebe, wie wir uns mit jedem Film sowohl technisch als auch persönlich weiterentwickeln und dass wir permanent Neues voneinander und miteinander lernen.
Inzwischen ist das Ganze tatsächlich ein ‚ganz normales Hobby‘ geworden und ich liebe es, dass wir am Frühstückstisch völlig unverfroren über mögliche Stellungswechsel und Kamerawinkel im nächsten Film reden können, wie andere eben über die aktuellen Nachrichten. Wie eine ganz normale Sache halt.
Headerfoto: Ron Lach (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!