Liebes Jahr, an deinem ersten Tag, am 1. Januar, habe ich ein Foto auf Instagram gepostet. Es war erst ein paar Stunden alt und stammte aus der vorangegangenen Silvesternacht. Ich habe es mit dem Hashtag #neuesjahrneuesglück versehen. Logisch, passt natürlich zu einem neuen Jahresbeginn und bietet viel Gestaltungsspielraum in seiner Bedeutung.
Aber was genau er für mich bedeutet, war mir nicht klar und ehrlicherweise habe ich mir darüber auch gar keine Gedanken gemacht. Ich habe in diesem Moment einfach nur auf deinen Vorgänger zurückgeblickt; auf all die Dinge, die sich verändert, mich begeistert, verletzt oder zum Lachen gebracht haben. Auf die Menschen, mit denen ich das Vorjahr verbringen durfte oder musste, auf all die Dinge, die passiert sind, positiv wie negativ.
Deine letzten Tage liegen hinter mir und wieder ist so viel passiert.
Ich dachte: „Es kann ja nur besser werden“. Jetzt sitze ich hier, 356 Tage später und deine Zeit ist nun auch vorüber. Deine letzten Tage liegen hinter mir und wieder ist so viel passiert. Auch du hast mir so viele tolle Momente beschert, so viele Menschen zur Seite gestellt und mich so viel erleben lassen.
Aber auch du brachtest so viele schwierige Momente, so viele Menschen, die mein Leben doch wieder verlassen haben, so viele Erlebnisse, auf die ich, von außen betrachtet, hätte verzichten wollen, mit dir. Ich bin mehr als einmal übel auf die Nase gefallen, habe mich von Menschen schlecht behandeln und ausnutzen lassen, die es schlussendlich nicht wert waren (by the way: kein Mensch, der es wert wäre, würde dich jemals schlecht behandeln oder ausnutzen!), habe schlechte Entscheidungen getroffen, Streits angezettelt, Menschen nicht ausreichend gewürdigt und viele Dinge als zu selbstverständlich genommen.
Habe ich also alles bekommen, was ich mir in der Silvesternacht vor fast einem Jahr gewünscht habe? Bei weitem nicht. Haben sich all meine Erwartungen erfüllt? Auch das nicht. Hast du mir also Glück gebracht? Hat sich das Glück, das ich dank dir und durch schöne Momente, wertvolle Erinnerungen und tolle Menschen erfahren durfte, mit dem Unglück, das ebenfalls Teil von dir war, neutralisiert?
Liebes Jahr, du warst anstrengend. Du warst unfair und du warst gemein. Du warst illoyal und manchmal einsam. Aber trotzdem warst du ein gutes Jahr.
Bin ich also nicht unglücklich aber eben auch nicht glücklich? Muss ich in ein paar Tagen wieder darauf hoffen, dass mir das neue Jahr neues Glück, einfach mehr Glück, schenkt? Nein, muss ich nicht. Liebes Jahr, du warst anstrengend. Du warst unfair und du warst gemein. Du warst illoyal und manchmal einsam. Aber trotzdem warst du ein gutes Jahr.
Du hast mir nicht das gegeben, was ich mir gewünscht habe, sondern so viel mehr. Du hast mir mich selbst zurückgegeben. So gemein und anstrengend du auch warst, so sehr ich auch manchmal aufgeben und mir einfach die Decke über den Kopf ziehen wollte, so sehr hast du mich dennoch vorangetrieben.
Hast mich dazu gebracht, wieder auf mich selbst zu hören statt auf andere. Mit mir selbst glücklich zu sein, statt mein Glück an einem Partner festzumachen, der mir mein Strahlen nimmt. Hast mich auf meine eigenen zwei Beine gestellt und dafür gesorgt, dass ich endlich allein laufe.
Hast mich angespornt, besser zu werden und meine Energie richtig aufzuwenden, statt sie in Dinge und Menschen zu investieren, die es nicht wert sind, sich für sie aufzureiben. Hast mir Freunde genommen, die eigentlich keine waren, und solche geschenkt, mit denen ich nie gerechnet hätte.
Du warst alles andere als perfekt. Du warst nicht nur glücklich.
Hast mich daran erinnert, dass ich nie allein sein werde, weil ich durch meine Familie Menschen habe, die mich bedingungslos lieben. Hast mir neues Vertrauen und damit so viel Wärme und Sicherheit geschenkt. Hast mich dazu gebracht, mich und meine Entscheidungen zu hinterfragen, meine Wahrnehmung und dadurch auch meine Handlungen zu verändern. Hast mich gelehrt, mich selbst wieder richtig zu sehen.
Du warst alles andere als perfekt. Du warst nicht nur glücklich. Du warst nicht so, wie ich es mir gewünscht habe. Stattdessen warst du genau das, was ich gebraucht habe. Du hast mir Glück gebracht – mehr als ich hätte ahnen können. Wenn ich auf dich zurückblicke, sehe ich Scherben, Stolpersteine und so manche Träne. Aber ich blicke zurück – und das heißt, ich habe sie überwunden.
Du warst nicht das Jahr, das ich mir ausgemalt habe, du warst nicht vollkommen, du warst nicht rosarotromantisch und nicht wie erhofft; du warst viel besser. Deshalb möchte ich dir danken. Gut, dass du da warst! Ich werde dich sicher nicht vergessen.
Sascha ist Anfang 20 und hat manchmal Angst, ihr Leben zu verpassen. Sie liebt ihre Freunde und gute Partys, hat große Pläne, feilt aber noch an der Umsetzung. Ihr fehlt bisher der passende Komplize, um die Pläne zu Taten werden zu lassen. Bis sie den gefunden hat, stolpert sie einfach noch ein paar Mal über einige als Mr. Right verkleidete Blindgänger – und so weh es auch tut, wenn diese hochgehen, so ist doch bestimmt jede dieser Erfahrungen für irgendetwas gut.
Headerfoto: Stockfoto via Stefaniya Gutovska/Shutterstock. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!