Der Geschmack des Zurücklassens

Zusammen seid ihr wie ein Rausch. Du und Er. Bevor ihr das erste Mal Sex hattet, waren da unzählige kleine Dates und jedes war aufregender und berauschender als das davor und die Lust wurde von Mal zu Mal größer. Ihr sitzt Rücken an Rücken im strömenden Regen und im Sonnenschein auf Heuballen. Und während Fledermäuse über euren Köpfen ihre Kreise ziehen, stellt ihr fest, dass ihr euch von der allseits bekannten Zukunft dasselbe wünscht. Ihr liegt auf seiner Couch und du berührst mit deiner Hand ganz sanft seine Wange und du sagst ihm, dass du dir nichts Schöneres vorstellen kannst, als ihn lächeln zu sehen. Denn bei jedem Lächeln veranstaltet sein Gesicht ein Feuerwerk aus unvergesslichen Gesichtsausdrücken. Und jedes Mal explodiert dieses Lächeln mit einem Knall in deinem Bauch und du musst aufpassen, dass du das Atmen nicht vergisst. Ihr seid laut und intensiv, ihr küsst euch hemmungslos im Club und du fühlst dich wie mit vierzehn, als du dich noch nicht getraut hast, den Knopf der Jeans zu öffnen, um ihn auszuziehen. Und dann passiert es endlich. Stirn an Stirn gelehnt, die Arme auf seinen Schultern verschlungen, löst ihr euch in einem gemeinsamen Strudel aus Ekstase auf und schüttelt lachend den Kopf, weil ihr solange damit gewartet habt.

Es ist Samstagabend und ihr geht gemeinsam mit deinen Leuten aus. Die anderen wissen, dass etwas läuft, aber nicht wie ernst die Sache zwischen euch ist. Du stehst nicht auf Zungenbekenntnisse vor deinen Freunden und hältst ihn deshalb auf Abstand. Nach einem gemeinsamen Pappteller mit Pommes und Mayo trennt ihr euch, um in unterschiedliche Bars zu ziehen. Als ihr euch später wiederseht, stehst du in der meterlangen Schlange vor dem Club und fühlst dich euphorisiert und aufgeregt zugleich, weil er auf dich zukommt und im Schlepptau seine Kumpels hat, die du nicht kennst. Er küsst dich und teilt dir lächelnd mit, dass dein Exfreund jetzt bescheid weiß und sich freut, dass ihr zusammen seid. Du merkst wie die Enttäuschung in Wellen durch deinen Körper fließt und spürst wie dir die Tränen in die Augen steigen. Denn ihr wolltet es langsam angehen. Ihr wolltet dem Gefühl zwischen euch Raum und Zeit geben. Sich entwickeln lassen, bevor es den ungeschützten Blicken von Fremden ausgesetzt ist. Er wird laut und wirft dir vor, du stündest nicht zu ihm und würdest weglaufen. Ganz tief in dir drin weißt du, dass er damit nicht ganz unrecht hat und genau das ist es, was dich noch wütender werden lässt. Er nimmt dich am Arm und möchte, dass ihr gemeinsam zu ihm nach Hause fahrt. Die Sache einfach vergesst, nicht mehr darüber redet. Du stehst da und erkennst ihn nicht wieder. Auf einmal ist dir alles zu doll, zu laut und eure zarte Intimität findest du zwischen ausgedrückten Kippen und leeren Bierflaschen auf dem staubigen Boden wieder. Du setzt ihn in ein Taxi und gehst selbst lieber zu Fuß, damit dir der kalte Wind die Gedanken aus dem Kopf bläst.

Und dann kommen sie, die Diskussionen, die harten Worte und ihr streitet. Immer und immer wieder. Ihr verletzt euch gegenseitig, wohl wissend, dass es euch jedes Mal weiter voneinander entfernt. Du kannst dabei zusehen, wie deine emotionale Schutzmauer immer größer wird und dein Gefühl des Verliebtseins ganz langsam in einem leichten Grau ermattet. Du brauchst keine Angst zu haben, sagt er zu dir, denn schließlich weißt du doch, dass er impulsiv ist und häufig die falschen Worte wählt, aber dir nie weh tun will. Und auch wenn dir das bewusst ist, sind da Bilder in deinem Kopf – ein Farbfilm an Erinnerungen, an Menschen, die unkontrollierbar wurden und du weißt deshalb sehr wohl, warum du Angst bekommst.

Die Zeiten, in denen du dich nach einem gemeinsamen Kuss und oberflächlichen Gemeinsamkeiten unbefangen in eine Beziehung gestürzt hast, sind lange vorbei. Du gehst immer weniger Kompromisse ein. Immer häufiger fragst du dich: Ist das alles? Geht da nicht noch mehr? Möchtest du mit diesem Mann wirklich noch in drei Jahren zusammen sein? Und da auch du nicht jünger wirst, fragst du dich sogar, ob du dir mit diesem Mann Kinder vorstellen kannst.

Du willst das mit euch nicht definieren, denn du ahnst es. Du spürtest von Anfang an, dass es keine gute Idee ist, wie ein mieser Schlittschuhläufer von einer Beziehung in die nächste zu schlittern. Immer und immer wieder taumelst du wie ein Betrunkener von Mann zu Mann, weil du hoffst, endlich einmal anzukommen. Und gerade deshalb willst du ihm und dir nicht vorschnell einen festen Rahmen geben, weil dann auch das Scheitern einen Namen bekommt, und du bist schon zu oft in deinem Leben an die Wand gefahren. Lieber Beziehungsstatus ungeklärt als getrennt, nicht mehr zusammen, gespalten, zerteilt, abgeknöpft – wieder alleine. Denn du weißt, man kann alles spalten, sogar ein Atom.

Aber wie immer hast du dich völlig dem Gefühl hingegeben. Hast nichts aus der Vergangenheit gelernt und genießt diesen Rausch. Denn du bist süchtig danach, aufgeregt auf das Display des Handys zu starren und auf seine Antwort zu warten. Süchtig danach, dass jedes Treffen deinen Körper wie ein Blitz durchfährt und zufällige Berührungen eine Welle der Gänsehaut auslösen. Doch auf einmal, so als hätte jemand die Musik in dir ausgestellt, wird es nach dem letzten Streit ganz still in dir. Euer Rausch ist vorbei. Dein Rausch ist vorbei. Und du fragst dich, ob du in das Verliebtsein verliebt bist oder wirklich in den Mann, der morgens neben dir aufwacht.

Er sitzt auf deiner Couch und sagt dir, dass er der Mann werden kann, den du hundertprozentig willst, und du siehst ihm an, dass er es sehr ernst meint. Er müsse nur wissen was du wirklich willst, denn er weiß, was er will, das wusste er von Anfang an. Ein Ihr, ein Euch, ein Wir, ein Zusammensein, in dem ihr euch auch mal verzeiht. Du fängst an nervös mit deiner Kette zu spielen und wünschst dir nichts sehnlicher als ihn zu küssen und in den Arm zu nehmen und zu versichern, dass ihr das gemeinsam schafft. Bloß nicht schon wieder scheitern. Doch irgendwo in dir ist noch ein letzter Rest Vernunft vorhanden, der dir sagt, dass es unfair wäre, unfair ihm und auch dir gegenüber an etwas festzuhalten, an das du selbst nicht mehr glaubst. Du siehst ihn nicht an, während du ihm erklärst, dass du keine Kraft mehr hast und keine Energie mehr, um gemeinsam daran zu arbeiten. Du fühlst dich dumpf und verbraucht, denn du kommst gerade erst frisch aus einer anstrengenden Beziehung. Du sagst ihm, dass du ihn nicht ändern möchtest und ihr für euch alleine stehend tolle Persönlichkeiten seid, aber zusammen funktioniert ihr einfach nicht. Natürlich will er das nicht hören und steht auf und spricht das aus, was du dich die ganze Zeit nicht getraut hast zu sagen, dass das ganze Gespräch nur darauf hinausläuft, dass du nicht mehr mit ihm zusammen sein möchtest und so übernimmst du in dem Drama des Schlussmachens auch noch den feigen Part. Er zieht sich an und legt dir deinen Wohnungsschlüssel auf den Tisch. Er schließt deine Tür und du rutschst mit dem Rücken an die Wand gelehnt auf den Boden. Du spürst die Kälte an deiner Wirbelsäule und hörst, wie er vor deiner Tür stehen bleibt und wartet. Wartet, dass du es dir noch anders überlegst und ihm und dir eine Chance gibst – wo es doch alles so gut anfing mit euch. Du könntest dich ohrfeigen. Vielleicht machst du gerade einen großen Fehler. Vielleicht hättest du dieses Mal nicht aufgeben dürfen. Und ganz vielleicht wirst du es bereuen. Aber du bleibst sitzen und lauschst dem Rauschen in deinem Kopf. Du selbst wartest auch, aber darauf, dass dich dieses dumpfe, müde und erschöpfende Gefühl verlässt. Du bist erschlagen von deiner eigenen Leere. Und schon wieder hast du Angst. Angst davor, nie wieder wirklich etwas empfinden zu können, Angst davor, dass du einfach nicht mehr fähig bist zu lieben. Einfach Angst davor, dass du immer unzufriedener von Mann zu Mann treibst und irgendwann ganz alleine bist. Du sitzt an dieser kalten Wand und starrst zu Tür. Du kannst nicht weinen. Und in diesem einen Moment der Klarheit weißt du, was du willst. Du willst, dass dein Herz wieder heilt und es sich nicht mehr so anfühlt wie ein in der Hosentasche mitgewaschenes Taschentuch.

Paula schlägt sich die Nächte gern mit schlechter Musik, Seifenblasenpistolen und Jägermeister um die Ohren. Tagsüber spielt sie vergnügt im Wald und umarmt voller Leidenschaft auch mal den ein oder anderen Baum. Zwischen Nacht und Tag liegt eine Portion Müsli mit Obst. Dieses Alleinsein, von dem immer alle reden, muss sie noch üben. Genauso wie Schleife binden und zwinkern. Aber das Jahr hat ja gerade erst begonnen …

Headerfoto: Leanne Surfleet via Creative Commons Lizenz!

imgegenteil_Paula

7 Comments

  • Ich hab mich ein bisschen und auch irgendwie ganz viel wiedergefunden in dem Text. Und beim Taschentuchpart weiss ich es nicht zu deuten, ob es ein bisschen oder ganz viel ist…

  • Das ist mit Abstand der schlimmste Text den ich bisher hier im Blog gelesen habe.
    Nicht nur dass es keinen wirklichen roten Faden gibt und alles extrem sprunghaft geschildert wird, widerspricht sich der Text von vorne bis hinten selbst. Aber das größte Manko ist wie der Schreiberling sich vollkommen unreflektiert selbst in die Opferrolle verfrachtet und ohne stichhaltige Belege oder Argumente alle vergangenen Männer in ihren Beziehungen als Problemverursacher darstellt.
    Wenn ich das hier als Exfreund lesen würde, wäre ich mehr als sauer und enttäuscht, wie man so übel nachtreten kann.

    • Hat man es selbst erlebt, kennt man die Gefühle… Die sprunghaften Gefühle, die einfach keinen roten Faden kennen. Das zerstreute und das Hin und Her was immer wieder von vorn beginnt. Man fühlt sich, als würde man sich nur im Kreis drehen.
      Sehr schöner Text Paula, danke!

  • Hallo Paula. Ein schöner und trauriger Artikel zugleich mit einer Melancholie die mich an gedankenschwere und einsame Spaziergänge im Herbst erinnert.

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