Der Facebooktroll, dem keiner Respekt zollt – warum eigentlich?

Jeder kann zum Troll werden. Und meistens trollt man ungewollt. Wenn man meint, man müsse sich verteidigen, zieht man in den Kampf. Wenn uns (irgendwer oder irgendwas in uns) antreibt – stehen wir sehr schnell unter Volldampf. Und am Ende haben wir einen Krampf.

Was sich hier so schön reimt, ist tatsächlich so gewollt. Aber nicht, um jetzt herumzutrollen, damit Sie mir Respekt zollen, sondern um Ihnen eins deutlich machen zu wollen.

Wenn jemand eine andere Meinung hat, wird das oft als Angriff verstanden. Aber eine andere Meinung ist nur eine andere Meinung, zumindest im Zustand der Achtsamkeit. Wenn man achtsam ist, akzeptiert man den Ist-Zustand, was an sich schon ratsam ist. Denn die Meinung eines anderen ändert sich nicht, wenn ich gegen ihn kämpfe.

Denn die Meinung eines anderen ändert sich nicht, wenn ich gegen ihn kämpfe.

Er wird sich aber meine Meinung gerne anhören, wenn ich ihn ernst nehme und seine Meinung akzeptiere.

Akzeptieren heißt weder annehmen, gutheißen noch resignieren, sondern akzeptieren heißt: es wertungsfrei stehen lassen zu können, ohne die Angst zu verspüren, es könnte dadurch etwas Schlimmes passieren.

Wenn sich unser Gegenüber ernstgenommen fühlt, wird er eher über das von uns Gesagte nachdenken und sich gegebenenfalls korrigieren. Auch meine Meinung ist veränderbar – nicht durch andere, aber durch mich selbst – weil ich die Entscheidung fälle, bewusst über die Meinung meines Gegenübers nachzudenken, um dann bei vollem Bewusstsein meine eigene Meinung oder auch Einstellung zu besagtem Thema zu verändern.

Sobald man sich (oder das Gegenüber sich) angegriffen fühlt, geht man automatisch in die Verteidigung. Manch einer zieht sich vielleicht zurück, andere erstarren, aber die meisten (so sehe ich das) kämpfen dagegen an.

Oder aber sie kämpfen darum, dass sie ernst genommen werden, dass man ihnen zuhört oder dass man sie versteht, weil auch ihnen dieses Recht zusteht.

Nur Kämpfen ist an sich nichts, was sich langfristig lohnt, weil in der Aussage „Kämpfen dafür“ ein Widerspruch in sich besteht.

Nur Kämpfen ist an sich nichts, was sich langfristig lohnt, weil in der Aussage „Kämpfen dafür“ ein Widerspruch in sich besteht. Denn man kämpft in den seltensten Fällen für etwas, sonder gegen etwas und dann befindet man sich im Krieg.

Und wir wollen ja eigentlich keinen Krieg – weder gegen die anderen noch gegen uns selbst, weil es dabei nur Verlierer gibt.

Bevor ich also auf eine Meinung reagiere, sollte ich mir vergegenwärtigen, dass der andere nur von seinem Recht auf die Meinungsfreiheit mit seinem Beitrag oder Kommentar bei Facebook und im realen (Er)Leben Gebrauch macht und dies kein Angriff gegen mich ist, sondern höchstens der Appell dazu, erhört und ernst genommen zu werden.

Headerfoto: Christin Hume via Unsplash. („Gesellschaftsspiel“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!

Leonard Anders wurde im Jahr 2015 eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Kurz nach seiner mittleren Reife hatte er seinen ersten Zusammenbruch und mit ihm begann eine wahre Odyssee. Er war fast ein Jahr durchweg in der Psychiatrie, überlebte drei Suizidversuche, war obdachlos und kämpfte sich von ganz unten wieder nach oben. Nach erfolgreicher Aufarbeitung seiner verletzten inneren Kindanteile arbeitet Leonard Anders heute als Coach und Lebensberater und hilft Menschen dabei, ihre Glaubenssätze und Trigger aufzulösen. Er ist Autor des Buches "Ein Narzisst packt aus" erschienen im Mai 2018 im Tectum- Verlag.

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