„Ich vermisse dich.“ Was bedeutet „vermissen“ eigentlich? Du bist traurig, weil Du Deinen Lieblingsmenschen nicht sehen, berühren, wahrnehmen kannst. Du spürst eine tiefe Sehnsucht in dir, die sich wie ein großer Stein in deinem Bauch anfühlt. Dass dieser Mensch für Dich in ungreifbarer Ferne ist, kannst du nicht begreifen, nicht annehmen.
Das Verlangen, ihm nah sein zu wollen, ist so stark, dass es dich innerlich zerreißen könnte. Aber die Gefühle kannst du nicht einordnen, sortieren, denn dein Kopf fährt Achterbahn und versteht die Aufruhr in deinem Körper so gar nicht. Er ist hilflos, ohnmächtig, weil deine Hormone frei, ohne Kontrolle durch deine Energiebahnen strömen und jedes Teilchen, das nicht mitmacht, ebenfalls mitgezogen wird.
Du bist traurig, weil Du Deinen Lieblingsmenschen nicht sehen, berühren kannst. Du spürst eine tiefe Sehnsucht in dir, die sich wie ein Stein in deinem Bauch anfühlt.
Allmählich wirst du innerlich unruhig, weil das Bedürfnis wächst, dich von der Last befreien zu wollen, du willst wieder die Leichtigkeit spüren, die dir Platz zum Atmen lässt.
Das Bedürfnis nach einem Ventil für all deine Emotionen wächst stetig. Also setzt du dich vielleicht an deinen Schreibtisch, breitest ein Blatt Papier aus, nimmst dir einen Stift, atmest tief ein und aus. Und beginnst, deinen Worten Farbe zu verleihen:
„Ich vermisse dich. Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde ein kleines Stückchen mehr, in der ich an dich denken, dich aber nicht spüren kann. Vor meinem geistigen Auge scheint alles so klar und real zu sein, doch dann öffne ich sie und starre entrüstet auf ein Foto, das eingerahmt neben mir auf meinem Nachttisch steht.
Egal, wo ich mich gerade in der Weltgeschichte herumtreibe und die Reize nur so in meinen Kopf strömen, gibt es immer einen Geruch, eine Erscheinung oder ein Geräusch, was eine Erinnerung an dich in mir erweckt. In diesem Moment fühle ich mich ein Stück weit hilflos, überfordert, weil ich meine Gefühle nicht greifen kann. ‚Wo bist du?‘ frage ich mich, weil ich einfach alles nicht verstehe. ‚Bist du diesen Weg absichtlich gegangen?‘ frage ich mich weiter. Wieso hast du dich von der Strömung des Lebens, mit all seinen Gefahren, Bosheiten und umwälzenden Strukturen, mitreißen lassen?
Warum hast du nicht an deinem Zuhause voller Liebe und Zuneigung festgehalten? Jeden Tag denke ich an den Moment, in dem du losgelassen hast und dich von deinen Ängsten hast überwältigen lassen. So gerne hätte ich dir im letzten Moment meine Hand reichen wollen – doch vor lauter Zerrissenheit habe ich den Arm nicht ausstrecken können. Zweifel und Wut ließen mich verharren, bis die Strömung dich in ihr mächtiges Gefüge verschlang.
Und so setze ich heute einen Schritt vor den anderen – allein. Aber während ich irgendwo im Hier und Jetzt versuche weiterzumachen, spüre ich dich.
Ich erinnere mich zu gern an die Zeit zurück, als wir sorgenfrei aufwachten und uns gemeinsam ausmalten, was der heutige Tag bringen würde. Damals waren wir vollkommen frei, zumindest in meinem Kopf, denn mir war nicht bewusst, dass unser Glück vergänglich sei.
Und so setze ich heute einen Schritt vor den anderen – allein. Aber während ich irgendwo im Hier und Jetzt versuche weiterzumachen, spüre ich dich in jedem Baum, jedem Grashalm und Sonnenstrahl, der mich umgibt. Mit den Eindrücken kehren auch die Erinnerungen zurück und formen Bilder von unseren Erlebnissen in meinem Kopf, die mich dann doch wieder lächeln lassen. Ich blicke gerne zurück und erfreue mich an deinem Gesicht, deiner Mimik, wenn du vor meinen Augen ganz klar erscheinst.
Schließlich hast du einen ganz großen Teil dazu beigetragen, dass ich nun der Mensch bin, der ich heute bin.
Du warst in den Stunden für mich da, die nicht von Leichtigkeit geprägt waren, du hast mir zugehört, wenn ich Kummer hatte, du hast meine Hand genommen und mich hinaus in die Welt gezogen, als Ablenkung die beste Option darstellte.
Du hast mir Mut zugesprochen, als meine starke Seite zu wanken begann, du hast mir einen Ratschlag gegeben, um eine schwierige Situation zu meistern und um mich neu orientieren zu können, du warst einfach für mich da, egal wo, egal wann.
Doch auch wenn ich die schönen Erinnerungen genieße, wird das Gefühl des Vermissens nie ganz vergehen. Und so wird auch die Ratlosigkeit bestehen bleiben, wie ich die Lücke in meinem Herzen füllen kann, die sich irgendwann in Wut umwandelt und ich mir wünsche, die Zeit zurückdrehen zu können.“
Doch wenn ich die schönen Erinnerungen genieße, wird das Gefühl des Vermissens nie vergehen.
Ein Teil von Dir weiß ganz genau, dass euch niemand die gemeinsame Zeit nehmen kann, dass euch diese Zeit auf eine besondere Art und Weise verbindet. Wenn sich dieser Gedanke in Dein Bewusstsein pflanzt, gibt er Dir ein Stück Deiner Stärke zurück – die Gewissheit, dass diese Zeit nun zwar vorbei ist, Dir die erlebten Momente jedoch keiner nehmen kann, lässt Dich wieder aufatmen.
Und während sich der Takt Deiner Hormone verlangsamt, spürst du, wie sich der Gurt um Deine Brust Stück für Stück lockert.
Headerfoto: Ilya Mirnyy via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!