Leben im Karussell, ohne Stopptaste: So kann sich Hochsensibilität anfühlen. Alles fliegt vorbei, du wirst immer schneller, kannst Gesprächsfetzen aufnehmen, die Eindrücke summieren sich, nichts lässt sich richtig ordnen, eine innere Unruhe breitet sich aus.
Hochsensibel ist ein Merkmal. Keine Krankheit, kein Symptom und keine Ausrede.
Ja, so kann, aber muss es nicht sein, denn Hochsensibilität ist so individuell, wie jede einzelne Person, die über dieses Merkmal verfügt. Warum ich es Merkmal nenne? Hochsensibel zu sein ist keine Krankheit, kein Symptom und keine Ausrede.
Es ist etwas, dass dich von einigen unterscheidet, aber eben nicht von allen. Im Prinzip bedeutet es: Ich bin wie du, nur anders. Und sind wir das nicht irgendwie alle?!
Hochsensibilität ist so individuell wie jede einzelne Person, die über dieses Merkmal verfügt.
Ich bin Anika und ich bin hochsensibel, doch bis ich zu dem Punkt kam, an dem ich es akzeptierte und annahm, sollte einige Zeit vergehen. Und ich spreche nicht von dem Punkt, an dem ich es wusste, denn es zu wissen erklärte zwar einiges für mich, aber erst es anzunehmen kann wirklich zu nachhaltiger und positiver Veränderung führen.
Warum ich jetzt darüber schreibe? Weil ich allen da draußen, denen es nur ansatzweise so ging oder geht wie mir, zunicken und sagen möchte: Es ist gar nicht schlimm. Trau dich, so zu leben, wie du bist.
Ich möchte allen, denen es nur ansatzweise so ging, sagen: Es ist gar nicht schlimm. Trau dich so zu leben wie du bist.
Und alle, die selbst kein Karussell im Kopf haben und für die Hochsensibilität keine persönliche Rolle bezüglich der eigenen Person spielt, denen möchte ich verstehen helfen, warum das Kind, der Bruder, die Frau etc., die hochsensibel ist, eben so ist, wie sie ist.
Alle, die selbst kein Karussell im Kopf haben, denen möchte ich verstehen helfen, warum eine Person, die hochsensibel ist, eben so ist, wie sie ist.
Reizüberflutung hat bestimmt jede:r von uns schon einmal erlebt. In unserer heutigen Zeit des Multitasking-fähigen Leistungsgesellschaft ist das ja auch keine große Sache. Summiert sich das Ganze und lässt uns körperlich erkranken, nennen wir das auch Burnout.
Schon traurig, dass wir so salopp über ein zunehmend ernstes Problem sprechen, denn Reizüberflutung und der daraus resultierende Stress machen im schlimmsten Fall im Laufe der Zeit ernsthaft krank. Körperlich, geistig und seelisch.
Immer nur auf der Überholspur zu sein, ist so wahnsinnig anstrengend und nicht besonders erstrebenswert.
Immer nur auf der Überholspur zu sein, ist so wahnsinnig anstrengend und nicht besonders erstrebenswert. Wo bleibt der Genuss, die Entspannung, die Freude am Moment, wenn wir an allem vorbeifliegen?
Aber jetzt stell dir bitte vor, diese Reizüberflutung prasselt nonstop, tagtäglich, ohne Pause auf dich ein. Hört sich anstrengend an?
Willkommen im Leben eines hochsensiblen Menschen
Es geht mir hier gar nicht darum, wissenschaftlich zu erörtern, woher Hochsensibilität kommt, wann es erstmals erwähnt wurde und wie es psychologisch betrachtet wird.
Es geht mir darum zu erklären, wie es sich anfühlt, mit einem Bienennest im Kopf zu leben und was das für einen selbst und die Gesellschaft um einen herum bedeutet. Mein Bienennest steht jetzt natürlich sinnbildlich für die Verwirrung und das Durcheinander, das sich nicht immer leicht ordnen lässt und soll keine ernst zunehmende Erkrankung im Gehirn verunglimpfen, denn wie schon erwähnt, ist Hochsensibilität keine Erkrankung im eigentlichen Sinne.
Hochsensibilität in der Kindheit
Schon in der Kindheit tickte ich irgendwie anders als die anderen Kinder. Heute kann ich das rückwirkend verstehen, damals war es einfach nur komisch.
Ich saß oft lieber bei den Erwachsenen, spielte zwar auch mit anderen Kindern, brauchte aber immer nach einiger Zeit eine Pause und war zudem auch einfach sehr gerne alleine für mich. Ich hatte schnell das Gefühl zu wissen, wie es meinem Gegenüber geht, ganz ohne danach zu fragen und oftmals prasselten gefühlt tausend Emotionen und Eindrücke ohne Filter auf mich ein.
Sehr schnell bezieht man da die schlechte Laune des Banknachbarn in der Schule auf sich selbst. Die Angst, etwas falsch zu machen, nicht gut genug zu sein, schlichtweg die Angst vor Verlust sind allgegenwärtig. Bei mir äußerte sich das Ganze dann in dem Streben nach schulischer Perfektion. Höchstleistungen bringen in jeder Hinsicht. Viele Jahre hielt ich das erstaunlich gut durch.
Schattenseiten
Immer wiederkehrende Migräneattacken, Magen-Darm-Probleme und hartnäckige Infekte bremsten mich nur teilweise aus. Leider nie mit wirklichem Erfolg, denn ich wusste dank der modernen Medizin mit Medikamenten gegen eben diese Beschwerden gegenzusteuern und machte danach weiter wie immer.
Leistung erbringen war zu meinem Alltag geworden. Zusätzlich versuchte ich auch, meine Freizeit mit vielen Sozialkontakten zu füllen, denn ich wollte keineswegs die Außenseiterin mehr sein, die ich zu Beginn der weiterführenden Schule war. Als junge Erwachsene feierte und lernte ich gleichermaßen und hielt auch hier wieder erstaunlich gut durch.
Eigentlich lässt sich das immer so weiterführen. Irgendwie ging es immer und trotzdem wusste ich auch irgendwie, dass ich anders ticke, denn heute mit 33 brauche ich längere Erholungsphasen und viel Zeit für mich, um mit dem energieraubenden Alltag klarzukommen.
Trotzdem wusste ich auch irgendwie, dass ich anders ticke, denn ich brauche längere Erholungsphasen und viel Zeit für mich, um mit dem energieraubenden Alltag klarzukommen.
Auf zig Kanälen präsent zu sein, ist auf Dauer wahnsinnig anstrengend und für etwas meine Energie zu vergeuden, was mir keinen Spaß macht, kommt meistens nicht mehr in Frage.
Hochsensibilität als Stärke
Ich versuche nicht mehr alles auf mich zu beziehen und weiß, dass auch meine Freund:innen und Familie ganz eigene Erwartungen und Bedürfnisse haben, die es zu respektieren gilt.
Essen tue ich das, was mir gut tut und nicht das, was andere glauben, mir gut tun müsste. Meine Sensibilität nutze ich für meine Arbeit mit Mensch und Tier und noch mehr auf meinen Bauch und nicht immer nur auf den Verstand zu hören, übe ich noch.
Meine Sensibilität nutze ich für meine Arbeit mit Mensch und Tier und noch mehr auf meinen Bauch und nicht immer nur auf den Verstand zu hören, übe ich noch.
Und ja, ich darf auch mal krank sein und mir Pausen gönnen, auch als selbständige Frau mit 33. Ich bin Anika, ich bin hochsensibel und wisst ihr was? Ich mag es.
Headerfoto: Aiony Haust via Unsplash. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!