Aus, Schluss, vorbei: Das letzte Mal mit dir im Auto

Unsere Autorin sitzt mit dem Mann, der eben noch ihr Freund war, im Auto und kann nicht fassen, dass er sich wirklich gerade von ihr trennt. Wieder. Dann fängt er an zu weinen, dabei macht er doch alles kaputt.

„Blitzende Lichter auf den Straßen.
Schießen vorbei.
Wie Pfeile in ihr Herz.
Sie bricht. Er schweigt.“

Wir sitzen im Auto. Es ist dunkel. Die Lichter der anderen Autos ziehen an uns vorbei. Ich kann nicht glauben, dass das hier wirklich passiert. Du hast gesagt, du brauchst Zeit, also werde ich dir diese Zeit geben. Ich weiß, wie das hier ausgehen wird. Ich will es mir nur nicht eingestehen, denn es macht mir zu große Angst. Ich kann es nicht fassen, dass wir an diesem Punkt gelandet sind. Wieder.

Schweigend sitzen wir da. Du fährst und hast deinen Blick starr auf die Straße vor dir gerichtet. Ich sitze auf dem Beifahrersitz und umschlinge meine Knie mit den Armen. Meine Haare fallen mir in perfekten Locken über die Schultern. Schon komisch. In den Filmen, die ich so liebe und die du als kitschig und viel zu dramatisch bezeichnen würdest, sehen die Schauspieler:innen in den entscheidenden Szenen auch immer perfekt aus.

Das hier, diese Szene im Auto, ist so eine entscheidende, lebensverändernde Sequenz und ich sehe tatsächlich perfekt aus. Obwohl ich das in den Filmen immer für Schwachsinn gehalten habe. Aber mein blauer Pulli passt zu meiner Haarfarbe und die schwarze Jogginghose, die ich trage, umschmeichelt meinen Körper. Ich weiß nicht, wieso ich über all das nachdenke, aber vielleicht ist es leichter, als darüber nachzudenken, was als nächstes passieren wird.

 „Tränen fließen, flehend, bittend.
Suchen Halt, doch fallen.
Tief“

Du parkst vor dem Haus meiner Eltern. „Rufst du mich dann an?“ „Ja.“ Ich steige aus dem Auto. Wir küssen uns nicht zum Abschied. „Schreib mir, wenn du zu Hause angekommen bist.“ „Mach ich“, sagst du. Ich knalle die Autotür zu. Ich weiß nicht, ob du wartest, bis ich bei der Tür bin, denn sobald ich mich umdrehe, verschwimmt alles vor meinen Augen. Die Tränen fließen in Strömen über mein Gesicht.

Ich renne das Treppenhaus nach oben, bis zur Wohnung meiner Eltern und lasse mich in Papas Arme fallen. Er hält mich fest und die Tränen werden noch mehr. Ich bekomme keine Luft mehr. Der Schmerz überrollt mich wie eine riesige Welle.

„Braune Augen, die in Blaue starren,
darin versinken, ertrinken.
Halt suchen und ihn finden.
Gefühle verschwinden.“

Zwei Tage später rufst du mich an. Ich gehe sofort ran. Schließlich sitze ich schon den ganzen Tag vor meinem Handy und warte auf deinen Anruf. Fast habe ich nicht damit gerechnet, dass du dich überhaupt meldest. Es hätte mich nicht überrascht. „Kommst du nach Hause oder soll ich zu dir kommen?“ „Habe ich denn überhaupt noch ein Zuhause?“, frage ich. Eine Stunde später bist du da. Ich gehe zu deinem Auto. Steige ein. Wir küssen uns nicht zur Begrüßung.

Ich kann dich nicht ansehen. Ich will nicht in diesen tiefen blauen Augen versinken. Ich muss klar denken können. Du hast unsere Kiste mitgebracht. Zehn Gründe, warum wir uns lieben, haben wir damals auf Zettel gekritzelt und sie in die Kiste gepackt. Wir wollten sie raus holen und uns erinnern, wenn wir uns streiten. Doch jetzt ist es zu spät, denn du hast dich schon entschieden. Oder?

Du holst einen der Zettel heraus. „All diese Dinge sind immer noch so.“ Jetzt blicke ich dir doch in die Augen. Sie leuchten auf und mein verräterisches Herz macht einen kleinen Satz. Hoffnung. „Aber…“, beginnst du. Ich wende den Blick wieder ab. Das was jetzt kommt, kenne ich schon. Du sollst den Schmerz nicht sehen.

„Bitte bleib!
Er geht.
Gefangen im Schmerz.
Er bricht, sie schweigt.“

 „Bitte, nimm mich einfach mit nach Hause!“, ich starre auf den Stoff des Autositzes. „Bitte!“ Du weinst. Wieso weinst du? Ich bin nicht dabei, dein Leben zu zerstören, nein, du zerstörst meins. Ich werde still. Ich denke an all die glücklichen Momente, die wir gemeinsam im Auto verbracht haben. Auf langen Fahrten. Die Musik war laut, unser Gesang schrecklich. Aber wir haben gelacht. So viel gelacht.

„Sie bricht. Er bricht.
Sie schweigt. Er schweigt.“

Ronja Pöll ist 23 Jahre alt. Sie schreibt, um zu verarbeiten. Schon seit ihrer Kindheit. Sie lässt sich von ihren Gefühlen inspirieren und schreibt alles auf, was ihr durch den Kopf geht. Das möchte sie endlich teilen! Sie fühlt oft zu viel, was manche stört und andere nicht. Das lässt sie in ihre Texte einfließen. 

Headerfoto: Djordje Cvetkovic. (Kategorie-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

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