Trennung vom Partner, neuer Wohnort, neuer Job, neues Leben? Unsere Autorin hatte sich das alles super vorgestellt, wurde dann aber davon überrascht, wie viel mehr sie für einen Neuanfang brauchte als nur den Willen und die Organisation.
Da schaue ich nun aus dem Fenster meiner Wohnung. Ich blicke auf die Bahnstrecke, die ein paar Meter von mir entfernt ist. Ich atme ein und aus. Heute weiß ich, dass ich hier richtig bin. Denn ich fing neu an: im Job, neuer Wohnort, mit Hund und als Single. War das wirklich eine gute Idee?
„Neu“ klingt einfach toll
Vor zwei Jahren verspürte ich den Wunsch, neu anzufangen. Meinem Leben quasi eine neue Richtung zu geben. Denn neu, das klingt so toll. Es klingt nach etwas, was man neu kauft und auspackt. Halt nach etwas Neuem, was gut riecht und noch völlig unbenutzt aussieht. Neu ist einfach ein schönes Wort und vermittelt ein ebenso schönes Gefühl, wie als hätte man ein neues Handy, ein neues Auto oder ein neues Regal. Bei Gegenständen ist das simpel. Aber was ist, wenn man sein Leben noch einmal vollkommen neu ordnet?
Ein Neustart sollte richtig geplant sein, heißt es in vielen Artikeln. Überstürzen sollte man ihn auf keinen Fall. Das steht fest. Aber wie macht man einen solchen Plan? Gerade, wenn man nicht weiß, was genau auf einen zukommt? Ist gerade das der Reiz daran, neu anzufangen?
Aber wie macht man einen solchen Plan? Gerade, wenn man nicht weiß, was genau auf einen zukommt?
Inzwischen bin ich 31 und muss zugeben, dass dieser Neustart echt nicht einfach war. Noch heute denke ich zurück an meinen Neuanfang und frage mich: Habe ich wirklich neu angefangen oder bin ich innerlich noch im Damals? Da der Start nicht gerade rosig war, denke ich tatsächlich noch oft an die Vergangenheit zurück, was die Chance auf ein neu geordnetes Leben sprengt. Dann verliere ich mich in alten Erinnerungen und kann mich nur schwer aus dem Denkkarussell befreien. Ich hatte Erwartungen und diese sind nicht alle erfüllt worden. Oder braucht es Geduld, bis das Neue wirklich schön ist?
Worin aber besteht mein Neuanfang? Ein neuer Job? Eine Trennung? Ein Umzug in eine andere Stadt? Nun, was soll ich sagen? Ich habe gleich alles auf einmal geändert. Ohne Plan? Nein, ich hatte einen genauen Plan, den ich auch tatsächlich in die Tat umgesetzt habe. Aber so richtig glücklich fühlte ich mich trotzdem nicht. Noch nicht.
Der aufkeimende Wunsch nach Veränderung
Zugegeben, der Wunsch, mein Leben verändern zu wollen, kam plötzlich. Aber als der Entschluss in meinem Kopf war, ließ er sich nicht mehr verwerfen. Ich machte mir also einen Plan. Als erstes suchte ich nach einer neuen Wohnung in einer neuen Stadt. In einem Gespräch teilte ich meinem damaligen Freund mit, dass ich die Beziehung zu ihm beenden wollte und umziehen würde. Wohin? Das sagte ich ihm nicht. Ich befand mich gerade im vorletzten Semester meines Studiums, als ich neben den Prüfungen Wohnungen besichtigte. Für die siebte Wohnung, die ich mir anschaute, bekam ich die Zusage.
In einem Gespräch teilte ich meinem damaligen Freund mit, dass ich die Beziehung zu ihm beenden wollte und umziehen würde. Wohin? Das sagte ich ihm nicht.
Drei Monate später schrieb ich in meiner neuen Wohnung schon an meiner Bachelorarbeit. Schließlich zählte ich die Wochen, bis ich sie abgeben würde. Denn zeitgleich kündigte ich meinen Job in der Kanzlei. Ich wollte mich nicht nur von meinem damaligen Freund trennen, ich wollte mich auch beruflich umorientieren. Während ich für die Bachelorarbeit recherchierte, schrieb ich an Bewerbungen.
Neustart: Erwartung vs. Realität
Aber ich fühlte mich nicht nur erst in dieser neuen Wohnung unwohl, auch meine neuen Nachbarn stellten sich als unsympathische Menschen heraus. Zeitweise bekam ich schon ein schummriges Gefühl, sobald ich mich unserer Straße nur näherte, wenn ich nach Hause kam. So hatte ich also nicht nur an der frischen Trennung, an den Absagen für einen neuen Job und an meiner neuen Wohnsituation zu knabbern, ich litt zudem auch noch an einer Schreibblockade, die es mir nicht leicht machte, mit meiner Bachelorarbeit so recht voranzukommen.
Das Schwierigste war, zu akzeptieren, dass mein altes Leben nun auch wirklich hinter mir lag. Das bedeutete nicht nur, dass altes Schönes sein Ende nahm, es bedeutete auch, dass es kein Zurück gab. Oft weinte ich. Die Emotionen mussten raus. Zudem trauerte ich endlos meiner ehemaligen Wohnung nach und wünschte mir mein altes Leben doch noch mal zurück. Ich ahnte nicht, dass der Neuanfang erst noch viel schlimmer sein würde, als gedacht. Deshalb vermutlich auch der Mut. Deswegen wahrscheinlich auch den Hinweis auf Geduld, den es braucht, bis alles so sein würde, wie man es sich wünschte.
Das Schwierigste war, zu akzeptieren, dass mein altes Leben nun auch wirklich hinter mir lag. Oft weinte ich.
Falls du vorher am Boden bist und dann neu anfängst, brauchst du nichts mehr als Kraft, um alle neuen Hürden zu überwinden, die vielleicht vorher nicht da waren. Denn eine Neuorientierung bedeutet, sich weiterzuentwickeln und gewisse Gewohnheiten abzulegen. Man lernt sich neu kennen und es tauchen ganz neue Seiten auf, die man vorher an sich noch nicht kannte.
Was ich heute weiß
Rückblickend kann ich sagen, dass es wichtig ist, seinen Gefühlen und Emotionen freien Lauf zu lassen. Einfach drauf losweinen. Auch wenn es sich verkehrt anfühlt, startet man doch gerade einen Neuanfang und dieser sollte eigentlich schön sein, oder? Nein, das ist er anfangs eben (oft) nicht. Es macht wütend und schnell kommen Zweifel, ob der ganze Aufwand wirklich richtig war. Ein neues Leben ist auch manchmal angsteinflößend und stellt einen vor ungeahnte Herausforderungen.
Ein neues Leben ist auch manchmal angsteinflößend und stellt einen vor ungeahnte Herausforderungen.
Zwei Jahre später in meinem neuen Job und als frische Hundebesitzerin habe ich endlich eine klare Sicht auf die Dinge. Auf all die Dinge, die mir in den letzten Jahren widerfahren sind. Nach all den Schritten, die ich gehen musste, um jetzt da zu sein, wo ich bin. Die Erinnerungen lebten noch einmal auf, verwirrten mich, brachten mich zum Weinen. Aber am Ende komme ich zu dem Schluss, dass es das Beste war, einen Neuanfang zu wagen. Auch wenn sich zu Anfang nicht direkt alles gut anfühlte.
Headerfoto: cottonbro studio (Kategorie-Button hinzugefügt.) Danke dafür!