Eine sexlose Affäre: Wie uns zwei Jahre ohne Sex einander wieder näher gebracht haben

Disclaimer: Ich bin die männliche Affäre in dieser Konstellation und schreibe diesen Text aus meiner Sicht. Meine Geschichte und ich sollen anonym bleiben, daher nennen wir die Frau, um die es geht, Lilli.

Vorweg, der Anfang der sexlosen Zeit kam genauso überraschend wie das Ende. Ich erinnere mich noch, als ob es gestern gewesen wäre, eine unscheinbare Nachricht im Januar 2021: „Du kannst gerne vorbeikommen, aber wir werden keinen Sex haben“. Zu diesem Zeitpunkt war ich verwundert, dass Lilli mir dies so ausdrücklich schrieb, wäre ich doch nicht zum ersten Mal bei ihr gewesen, ohne, dass wir Sex gehabt hätten.

Wir trafen uns regelmäßig, probierten neue und wilde Dinge und tauchten danach wieder in unseren Alltag ab.

Als die Nachricht mich erreichte, waren wir bereits drei Jahre in einer Affäre, wobei wir diesen Begriff nicht gerne nutzten. Wir sahen in uns mehr, manchmal auch weniger. Lilli war mit ihrem zweiten Kind schwanger. Die erste Schwangerschaft hatten wir zusammen erlebt und es war sehr aufregend, auch sexuell. Sowieso war unser Sex in den ersten Jahren grandios. Wir trafen uns regelmäßig, probierten neue und wilde Dinge und tauchten danach wieder in unseren Alltag ab.

Sex und emotionale Nähe

Die ersten Wochen ohne Sex kamen mir fremd vor. Natürlich plagten mich all die Fragen, die wohl normal sind, die eigentliche Frage lautete aber: „Liegt es an mir selbst, dass Lilli keine Lust auf Sex mit mir hat?“ Lilli versicherte mir immer wieder, dass es so nicht sei, sie einfach keine Lust auf Nähe und schon gar nicht auf Sex habe, egal mit wem. Nach der Geburt des zweiten Kindes war natürlich auch erstmal an Nähe nicht zu denken. Wir schoben es lange auf den Baby-Blues. Aber nach einigen Monaten war auch klar, dass diese mangelnde Lust einen anderen Grund hatte.

Ich suchte durch den Sex die emotionale Bindung zu Lilli, sie hingegen benötigte die emotionale Bindung, um überhaupt erst Sex zu ermöglichen.

In dieser Zeit fing ich an, Dinge auszuprobieren. Unsere Treffen fanden weiterhin statt. Ich besuchte Lilli, hielt sie im Arm oder wir redeten. Ich befasste mich intensiv mit dem Thema der Lustlosigkeit und jeder Artikel, den ich fand, kam zum Fazit, irgendwann probiere man es einfach wieder aus mit dem Sex, nun ginge es um den Weg dahin. Durch diese Recherchen habe ich mich aber auch ein Stück weit selbst kennengelernt. So verstand ich, dass es mir in den ersten Monaten darum ging, mich selbst zu bestätigen. Ich suchte durch den Sex die emotionale Bindung zu Lilli, sie hingegen benötigte die emotionale Bindung, um überhaupt erst Sex zu ermöglichen.

Aufgeben kam nicht in Frage

Aber in der ganzen Zeit kamen wir uns emotionaler näher. In einem Gespräch erfuhr ich, dass sie mit ihrem Ehemann noch einige Zeit länger Sex hatte als mit mir, aber dies berührte mich nur im ersten Augenblick. Später war ich froh, dass sie nicht aus Mitleid mit mir Sex hatte. Lilli war immer dazu bereit, jede Idee von mir, die wieder Lust bereiten könnte, auszuprobieren. Natürlich gab es die obligatorischen Massagen. Aber wir probierten auch eine Intimmassagen aus. Richtig angewendet ist sie super zärtlich und nicht ordinär. Die Vulva wird nur äußerlich berührt, der ganze Körper wird einbezogen.

Irgendwann zählte einfach, dass wir beide merkten, ein Aufgaben kam nicht in Frage.

Oder ich saß nackt mit verbundenen Augen auf ihrer Couch und erwartete sie. Ein roter Faden führte sie von der Wohnungstür zu mir. Er sollte ihren roten Faden in ihrem Leben symbolisieren. Ein anderes Mal gaben wir unser Bestes im Roten Tantra Yoga. All diese Dinge führten nicht direkt zum Sex, aber wir blieben so über die zwei Jahre immer im Thema, was manchmal anstrengend war. Irgendwann zählte einfach, dass wir beide merkten, ein Aufgeben, das gleichzeitig unser Aus besiegeln würde, kam nicht in Frage.

Das erste Mal Sex nach zwei Jahren

Das zweite Jahr ohne Sex war dann die Champions League für uns. Wir schafften es nur selten, uns zu treffen und das Thema Sex rückte in weite Ferne. Es fühlte sich an, als ob wir mit Volldampf auf eine Wand zufuhren und keine:r die Bremse finden würde. Und dann passierte es, so banal wie einfach: Nach genau zwei Jahren ohne Sex hatten wir uns zu einer Shoppingtour in die nächstgrößere Stadt verabredet und kamen auf dem Weg dahin an einem Pornokino vorbei. Ich erwähnte beiläufig, dass es da eine Idee von mir gab, die ich nie ausgesprochen hatte. Wir würden in ein Pornokino gehen und die Atmosphäre auf uns wirken lassen, schauen ob sich was regte. Lillis Kommentar „Sollen wir es ausprobieren?“.

Wir hatten Sex und lagen uns glücklich in den Armen.

Gesagt getan, Vollbremsung und ab ins Kino. In dem abgetrennten Raum nur für Pärchen angekommen ging es sofort zur Sache und wir hatten zum ersten Mal nach zwei Jahren Lustlosigkeit Sex. Ich gebe zu, dass dies so unerwartet war, dass ich ein wenig überfordert wirkte. Aber wir hatten Sex und lagen uns glücklich in den Armen. Ausschlaggebend war, dass diese Aktion nicht geplant war, sondern wir es spontan entschieden hatten. Ob darin der Schlüssel des ganzen Geheimnisses lag?

Eine ganz besondere Affäre

Wir sind und bleiben eine Affäre. Aber eine Affäre, die zwei Jahre ohne Sex übersteht, ist schon speziell und wahrscheinlich mehr als jede:r von uns beiden wahrhaben möchte. Am Ende war es dieser neue Raum, diese Distanz nach Hause, was die Blockaden gebrochen hatte und Sex ermöglichte. Ob diese Idee auch bereits nach einem Jahr der Sexlosigkeit wieder zu Sex geführt hätte, sei dahingestellt.

Am Ende war es dieser neue Raum, diese Distanz nach Hause, was die Blockaden gebrochen hatte und Sex ermöglichte.

Ich glaube, dass es die ganze Zeit war. Das Verständnis für die Situation, jemanden nicht abzustempeln, sondern respektvoll und rücksichtsvoll mit der Situation umzugehen. Erst die menschliche Nähe, die wir in der sexlosen Zeit erlebt hatten, hat uns wieder zusammen gebracht und sexuelle Nähe ermöglicht. Lilli spürte immer, dass da jemand ist, der sich kümmert und Ideen entwickelt und dieses Nicht-Locker-Lassen gab ihr die Geborgenheit, die am Ende für unseren Sex erforderlich war. Was zu der eigentlichen Blockade geführt hat, haben wir nie rausbekommen…aber es ist uns auch egal. Gebt nie auf!

Piet Miele kommt aus Ostwestfalen.

Headerfoto: anait film (Kategorie-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

1 Comment

  • Ein sehr irritierender Artikel. Er legt dar, wie sensibel, liebe- und respektvoll die beiden Personen in ihrer Affäre miteinander umgehen. Ich frage mich, ob sie mit ihren jeweiligen Partner:innen auch so sensibel und respektvoll umgehen, sprich: Wissen diese von der Affäre?

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