Ich bin noch nicht wieder bereit für die Liebe | Angsthase on Tour 1

Könnt ihr euch noch an meinen Text „Ich muss Liebe neu definieren Teil 2“ erinnern? Für ein besseres Verständnis könnt ihr ihn ja nochmal lesen, wenn ihr mögt, denn der folgende Text baut auf ihm auf.

Liebe neu zu definieren ist in der Theorie so leicht gesagt und in der Praxis gar nicht mal so einfach…

Durch die vielen Reaktionen von euch auf diesen Text hab ich wieder mal gemerkt, dass ich mit meinen Ängsten bzgl. der Dating-Welt und dem Wunsch nach einer Partnerschaft alles andere als alleine bin. Durch eure Reaktionen wurde mir noch stärker bewusst, wie wenig real Shit im Internet gezeigt wird und wie sehr das beeinflussen kann. Mein Feed ist dann natürlich überfüllt von „glücklichen Pärchen“, am besten noch gepaart mit Vanlife Fotos, von den schönsten Orten der Welt und fancy Dinnerpartys, bei denen alle Beteiligten nacheinander die romantischsten Hochzeitsanträge bekommen. Und bei mir so? Ich liege dabei im Bett und denke mir: „Klasse, alle kriegen das hin, außer ich!“

Vielleicht war das bei den Generationen vor uns so straight und easy, ohne Tinder und Co., heute aber definitiv nicht mehr.

Bullshit! Vielleicht war das bei den Generationen vor uns so straight und easy, ohne Tinder und Co., heute aber definitiv nicht mehr. Einerseits hat mir diese Erkenntnis geholfen, nicht in mir die „Schuldige“ zu suchen, mir andererseits aber auch Hoffnung genommen.

Hoffnung genommen, mal jemanden zu treffen, der weiß, was er von seinem Leben will, mehr als den Beziehungsstatus: weiß ich noch nicht. Jemanden mit Werten, Zukunftsvorstellungen, jemand, der mit 30/Mitte 30 weiß, wer er ist.

An solchen Tagen dachte ich an meine Worte aus „Liebe neu definieren II“ zurück. War das Doppelmoral, so etwas zu schreiben und im Augenblick gar nicht dahinter stehen zu können?

Schnell habe ich Gründe gefunden, wieso ich gerade nicht mutig sein kann.

Denn schnell habe ich dann Gründe gefunden, wieso ich gerade nicht mutig sein kann. Wie „ich habe gar keine Zeit zu daten“ oder „es ist doch alles gut so, wie es ist – wieso immer besser, höher, mehr wollen?“. Und ein Klassiker meiner Selbstgespräche: „Du bist eh noch nicht so weit, du hast deine Vergangenheit noch nicht genug verarbeitet.“ So konnte ich meinen Wunsch und meine Ängste super wegschieben und einfach wie gewohnt weitermachen. Habe ich an solchen Tagen mit meiner besten Freundin telefoniert, kam nicht selten von ihr der Satz: „Ah, da hast du wieder deinen Haken gefunden, wieso es wieder nicht geht“ (Viel zu schlau, diese Frau!)

„Jaja, Themawechsel please. Keine Lust, weiter darüber zu reden!“ , meine Antwort darauf.

Auch wenn ich diese Dauerschleife zwischen „es ist alles gut in meinem Leben“ und ätzendem Sonntagsblues irgendwie akzeptiert hatte, wurde der Frust darüber stetig doller.

Auch wenn ich diese Dauerschleife irgendwie akzeptiert hatte, wurde der Frust darüber stetig doller.

Bis zu dem Moment an meiner eigenen Einweihungsparty. Während ich mit meinen Freund:innen zusammen saß, hatte ich keine Lust, weiter um die Häuser zu ziehen. Ich hatte keine Lust, dancen zu gehen, obwohl ich es so liebe!

Meine Freund:innen, allesamt sehr reflektiert und sich selbst bewusst, kannten diesen Frust nur zu gut. Manche von ihnen auch noch am Ankommen und manche wieder dabei, neu anzukommen. Sie machten mir Mut, verstanden, wieso ich das so anstrengend fand, erinnerten mich daran, wie reich ich bereits vom Leben beschenkt wurde und dass alles andere, was mir innerlich noch fehlt, kommen wird, wenn es kommen soll. Die Verbindung mit ihnen half mir, wieder bei mir anzukommen und brauchte mir auch meine Lust, zu tanzen, wieder zurück! Was hätte es schon gebracht, weiter an den kommenden Sonntagsblues zu denken, statt im Hier und Jetzt zu sein und Spaß zu haben?

Er war alles andere als durchschaubar und passte perfekt in die Kategorie „Generation Maybe“. 

Was ich vergessen habe, zu erwähnen: zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits seit mehreren Wochen Kontakt mit einem gewissen Herrn, den ich gerne besser kennengelernt hätte. Der jedoch alles andere als durchschaubar war, der perfekt in die Kategorie „Generation Maybe“ passte, was meinen Frust nur mehr anfeuerte. Was dann passierte, war eigenartig, seltsam und doch so bekannt. Während des Tanzens mit meinen Freunden konnte ich nicht richtig abschalten. Immer wieder holten mich meine Gedanken ein. Kommt besagter Boy jetzt noch oder nicht?

Und um das Ganze hier etwas abzukürzen und keinen Roman zu schreiben: Diese „Wischiwaschi-Aussagen“ von ihm machten mich so nervös, dass ich kurzerhand entschied, einfach zu gehen. Keine Kontrolle über die Situation, zu großen Schiss davor, dass er wirklich kommt und zu viel Unsicherheit, ob ich wirklich meine Komfortzone verlassen will.

Ich wollte einfach nur weg! Also der gewohnte Teil, eine gute Ausrede und auf zum Ausgang. Erleichtert, in meinem mir bekannten Modus: Du bist einfach noch nicht so weit!

Genau vor dem Ausgang stand er vor mir. Bäääääm.

Ja, das war mein Plan, aber die Flucht sollte diesmal nicht klappen. Denn genau vor dem Ausgang stand er vor mir! Bäääääm. Schock. Traffic. Er dachte auf jeden Fall, ich hätte einen Geist gesehen habe, so schockiert hab ich geguckt. In mir eine Mischung aus Überforderung, neue Fluchtpläne, Überraschung und der Gedanke „Hier kommst du jetzt nicht mehr raus!“.

 

Zu Teil 2 von „Angsthase on Tour“ kommst du hier.

Headerfoto: Liza Summer (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

Marisa ist 32 und aus Köln. Sie schreibt über mentale Gesundheit, das Leben und Veränderungen in unserer verrückten Zeit.

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