Allein im Club als vergebene Person – Von Kompromissen in Beziehungen

TikTok ist ein dunkler Ort. Aufgewachsen in meiner kuscheligen happy beppy Instagram-Bubble, erlebe ich auf TikTok mein Waterloo. Vor allem, wenn ich das Thema Beziehung – insbesondere das Feiern gehen als vergebene Person – aufnehme, entfacht eine wütende Meute ihre Brennfackeln in den Kommentaren.

Ein Video, das hierzu anscheinend besonders einlädt, zeigt mich, charmant frohlockend, mit den Worten: „Wenn mein Freund mir viel Spaß beim Feiern wünscht, kein einziges Mal fragt, wann ich heim komme und uns am nächsten Tag Hangover ChickiNuggies holt.“ Während der:die Zuschauer:in mitliest, läuft im Hintergrund ein eindeutig zweideutiger Song.

Vergeben im Club: An den Pranger mit ihr!

„Warum geht man überhaupt als vergebene Frau feiern?“

Der Grund, warum sich viele Menschen über meinen Clip zu echauffieren scheinen, ist die Tatsache, dass ich als vergebene Frau feiern gehe. Ohne dabei permanent an meinem Handy zu hängen oder gegenüber meinem:r Partner:in fiktive Ausgangssperren einhalten zu müssen. Kommentare lauten in etwa:

  • „Warum geht man überhaupt als vergebene Frau feiern?“
  • „Wer so eine Freundin hat, teilt sie jedes Wochenende!!“
  • “Nutte.“
  • „Du bist deinem Mann halt einfach egal.“
  • „Selbst schuld, wenn er dir fremdgeht.“

Du bist in einer Beziehung, also verhalte dich auch so

Die Quintessenz aus diesem Potpourri anonymen Hasses ist der Vorwurf: Man darf sich in einer Beziehung eben nicht verhalten, als wäre man Single. Man habe darüber hinaus nur als Single einen Grund, Clubs und Partys zu besuchen. Hierzu möchte ich drei Dinge anmerken:

Man darf sich in einer Beziehung eben nicht verhalten, als wäre man Single.

Erstens: Ich finde definitiv auch, dass man sich als klassisch vergebene Person anders benehmen sollte als ein:e Single. Beispielsweise, indem ich mich monogam verhalte. Als Single kann ich am Ende einer Club-Nacht ins Bett steigen, zu wem ich will. Bin ich in einer monogamen Beziehung, verschwende ich keinen Gedanken an die potenzielle Auswahl und lege mich zu meinem:r Partner:in.

Zweites: Kann ich das oben genannte Verhalten auch unter Einfluss von Alkohol zuverlässig differenzieren? Dann sehe ich persönlich keinen Grund dagegen, nicht auch als Single eine Disco zu betreten. Es geht in diesen Etablissements eben nicht ausschließlich darum, sich gegenseitig seine Geschlechtsteile vorzustellen. Es geht genauso ums Trinken, Gesellschaft, Tanzen, Dopamin, Loslassen, Freundschaften und Musik. (Wow, ich habe Trinken zuerst genannt. Klasse, Kitteh, toller Eindruck…).

Nachvollziehbar? Ist das Patriarchat meistens. Zumindest für die Bevorteilten.

Und drittens: Stellt euch vor, ich wäre der glücklich vergebene Inkedboy_Marco089. Hin und wieder gehe ich mit meinen Jungs bisschen Shisha-Bar und danach mal schauen. Und es nervt einfach, wenn meine Alte mich ständig zutextet und komplett Eifersucht schiebt, nur weil die Kellnerin ganz hübsch ist. Nachvollziehbar? Ja, ist das Patriarchat meistens. Zumindest für die Bevorteilten.

Keine Beziehung ist wie die andere

Nun glaube ich aber tatsächlich, dass diese ganze Debatte rund ums Feiern gehen nur die Spitze des Eisbergs ist. Für viele Menschen ist es innerhalb ihrer Beziehung wohl einfacher, klar zu trennen: Es gab einst das Single-Ich und ist man vergeben, so wird dieses komplett abgelegt, um in die neue Rolle innerhalb der Beziehung zu schlüpfen. Anders als die mistgabelschwingenden Kommentator:innen unter meinem TikTok urteile ich nicht: Wenn das für euch fein ist, ist es fein. Viele Wege führen nach Rom und ich bin tolerant gegenüber jeglichen Beziehungs-Konstrukten, die konsensuell funktionieren. Wenn Denis und Dilara also sagen: Seit sie zusammen sind, gehen sie nicht mehr einzeln feiern, obwohl sie das vorher gern getan haben, weil das für sie so gut funktioniert – Go for it!

Es gab das Single-Ich und ist man vergeben, so wird dieses komplett abgelegt.

Adjusting Singlehood

Anstatt mein früheres Single-Ich zu begraben, lade ich es zu einem konstruktiven Gespräch ein und frage: So, frühere Single-Kitteh, wie machen wir das jetzt? Also rumflirten und allem hinterhergeiern, was einen 47er Oberarm oder gemachte Brüste hat, können wir jetzt sein lassen, oder? Ja? Ja! Super! Du kannst gern weiter feiern gehen, aber merk dir deine Adresse und denk immer daran, wo dein Herz und dein Hintern hingehören. Nein, wir müssen auch die kurzen Hot-Pants und die Push-ups nicht wegschmeißen, du siehst super darin aus! Das findet vor allem der:die Süße, die wir darin rumgekriegt haben. Lass ihn:sie das nicht vergessen. Aus diesem Gespräch entsteht eine neue Kitteh-Hybridperson, die viele typische und erforderliche Eigenschaften von Single-Kitteh enthält, aber dabei eben monogam, loyal und glücklich sein kann.

Keine Beziehung ohne Kompromisse…

Das ist, wie gesagt, meine Natur und die ist sicher nicht auf jede:n übertragbar. Vielleicht habe ich auch einfach nur Glück, aktuell einen Partner gefunden zu haben, der ähnliche Ansichten hat. (Wahrscheinlich nur, ohne halb so viel darüber nachzudenken). Viele Menschen in meinem Umfeld gestalten ihre Beziehungen aber als eine Aneinanderreihung von Kompromissen. Sicher, Kompromisse gehören zu einer Beziehung, keine Frage!

Kompromisse gehören zu einer Beziehung, keine Frage!

Wir haben zum Beispiel einen Fernseher im Schlafzimmer, obwohl ich dagegen war. Der wird aber ausgeschalten, wenn ich schlafen will. Tierdokus dürfen weiterhin leise auf dem Tablet angeschaut werden. Politdiskussionen gegebenenfalls mit Airpods, ist tagesformabhängig. DAS sind Kompromisse, die ich bereit bin, in meiner Beziehung einzugehen.

Eher nicht so meine Art von Kompromiss ist: Du darfst feiern gehen, aber nur wenn ich alle kenne, die dabei sind! Oder: Wenn ich keine beste Freundin habe, darfst du auch keinen besten Freund haben! Oder noch schlimmer: Ich höre mit dem Rauchen auf, dafür verkaufst du das Motorrad. Das sind keine Kompromisse, das ist Bullshit!

…aber bitte richtig.

Ein echter Kompromiss ist „eine von allen beteiligten Personen akzeptierte Lösung, zu der man durch gegenseitige Zugeständnisse gelangt.“ Zugeständnisse! Nicht Regulationen und Verbote. Wenn du also deine Beziehung schon auf ein Fundament aus Kompromissen stützen möchtest, dann mach es wenigstens richtig. Gestehe deinem:r Partner:in etwas zu und erhalte dafür eine Lösung, die für euch beide akzeptabel ist. Und zwar gleichermaßen. Denn viele Beziehungs-Kompromisse, die ich beobachte, sind oft für den:die eine:n etwas leichter einzugehen als für den:die andere:n.

Zugeständnisse! Nicht Regulationen und Verbote.

Beruft euch also bitte nicht darauf, wie wunderbar eure ganzen Verhandlungen zur partnerschaftlichen Gleichberechtigung beitragen, wenn es am Ende immer eine:r ist, der:die den Kompromiss verlangt. Während der:die andere eigentlich nicht mal von selbst das zu lösende Problem wahrnimmt.

Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie kommentieren

Mir ist auch bewusst, dass die Menschen, die mir ihre ungefragte Meinung, ihre Unterstellungen oder Phrasen unter meine Videos rotzen, nicht wirklich dafür belangbar sind. Sie sehen schließlich nur einen kurzen Ausschnitt. Sie können sich ja nur vorstellen, wie ich, die Party-Hure, jedes Wochenende von Freitag bis Sonntag sturzbesoffen durch die Clubs torkle, währen mein:e besorgt:e Partner:in zu Hause sitzt. Sie können ja nur denken, dass ich meinem:r Partner:in scheißegal sein muss. Weil sie aus ihrer Beziehung eine sogenannte „gesunde Eifersucht“ kennen. Oder sich durch die Verlustangst des:der Partner:in begehrt fühlen. Sie wissen nicht, dass ich meinem:r Partner:in Aspirin und eine Flasche Wasser ans Bett stelle, bevor ich mich seelenruhig allein schlafen lege (ohne Tierdoku), während er:sie die Nacht zum Tag macht. Am nächsten Tag hole ICH dann auch gerne Geflügel-Presspappe.

Die Ideologien und Werte innerhalb eurer Beziehung dürfen gerne ganz anders sein als die meinen.

Deswegen nehme ich selbst großen Abstand davon, andere auf Social Media ungefragt zu beurteilen. Die Ideologen und Werte innerhalb eurer Beziehung dürfen gerne ganz anders sein als die meinen. Macht doch eure Kompromisse um jeden Furz! Verzichtet doch für eure:n Partner:in auf etwas, wenn ihr euch damit wohl fühlt! Und meine Güte, dann bleibt doch samstags zu Hause, schaut Netflix. Vögelt euch dabei am besten das Hirn raus. Dann ist es auch nicht so voll in den Clubs.

 

Die ungekürzte Verion von Kittehs Text findest du auf ihrem Blog und Kittehs besagten TikTok-Account kannst du hier entdecken.

Kitteh ist genau wie ihr Name: verspielt und witzig, aber auch bissig. Sie hat eine Schwäche für Kitsch-Romane, aber auch für Thriller, Lack, Leder und Deutsch-Rap. Während sie auf Instagram meist nur Bilder teilt, zeigt sie auf Twitter, dass sie auch mit Worten umgehen kann. Seit über 5 Jahren ist sie in der BDSM- und Fetischszene unterwegs, so wurden Tabuthemen und deren Protagonist:innen zu ihren besten Freund:innen. Seit 2020 teilt sie ihre Erfahrungen als freie Autorin oder auf ihrem Blog „Zartbitternacht“.

Headerfoto: cottonbro (Kategorie-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

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