Nach Panikattacken, Burnout und Angst: Wieder angekommen auf der Autobahn des Lebens

Kurz vor meinem Knockout (Burnout) hatte ich in meinem alten Job drei Nachtschichten hintereinander. Richtig förderlich, wenn die Psyche und der Körper schon voll im Arsch sind, was mir bis dahin natürlich nicht bewusst war. Drei Nächte keinen Schlaf, drei Nächte kreisende Gedanken, drei Nächte nonstop Angstzustände!

Ich wusste, dass irgendwas nicht mit mir stimmte, aber hatte absolut keine Lust es auszusprechen. Ich wollte einfach zur Arbeit, mich ablenken und keine Gedanken in meine Gesundheit stecken.

Der Job war nicht der richtige für mich und ich wusste nicht, welcher es stattdessen war. Sah keine Alternativen, war müde vom Suchen, ausprobieren und mich finden. Bis dato war ich schließlich schon in Verhaltenstherapie und dachte das würde reichen.

Das Ende dieser Horrorgeschichte sah so aus, dass ich auf dem Rückweg von der Arbeit plötzlich Todesangst bekam. Mitten auf der Autobahn, mitten im Berufsverkehr, morgens um sieben, ohne Schlaf.

Das Ende dieser Horrorgeschichte sah so aus, dass ich auf dem Rückweg von der Arbeit plötzlich Todesangst bekam. Mitten auf der Autobahn, mitten im Berufsverkehr, morgens um sieben, ohne Schlaf.

Ich weiß überhaupt nicht mehr, wie ich zu Hause ankam. Ich weiß nur noch, dass die Panik während der gesamten Autofahrt so stark war, dass mein kompletter Körper durchgedreht ist. Schweißausbrüche, Herzrasen, Zittern am ganzen Körper, Luftnot. Die klassische Panikattacke!

Was mich aber komplett herausbrachte, war, dass selbst meine Gesichtsmuskeln Party gefeiert haben. Alles hat gezuckt! Meine Lippen, meine Augen, sogar meine Nase. Mein Nervensystem war komplett im Eimer und als dann noch mein Bein, welches für Bremsen zuständig war, anfing, dachte ich: Das war’s jetzt! Wie willst du das überleben?

Neues Jahr, neues Vertrauen in mich selbst

4.6.22, 1 Jahr und 9 Monate später bin ich endlich wieder gefahren! Genau über die Autobahn von damals!

Aber zurück zum Anfang meines Rides, denn so einfach, wie ich diese Worte hier gerade tippe, war es natürlich nicht. Schließlich habe ich mich nicht mehr hinter einem Steuer auf der Autobahn gesehen. Die Angst vor der Angst war zu groß!

Wofür hätte ich mich meiner Angst auch stellen sollen? Ganz Köln ist durch Stadtbahnen vernetzt, Autos und Benzin sind schweineteuer, also wieso hätte ich mich in ein Auto setzen sollen?! Dafür sah ich keinerlei Notwendigkeit. Aber durch meinen neuen Nebenjob wäre dadurch schon einiges entspannter und nicht zu vergessen dieses Gefühl, mit toller Musik, im Sommer, offenes Fenster, Freiheitsgefühl über die Autobahn zu düsen! Diesen Anteil gab es immer noch in mir.

Wenn diese Gedanken hochkamen, war ich recht wehmütig und hab mir zusätzlich gutes Geld durch die Lappen gehen lassen, wenn mein Chef einen Job außerhalb von Köln für mich hatte. Das ist als Auszubildende, in einer unvergüteten Ausbildung, schon echt bitter.

Ich erzählte meiner Freundin von meinen Höllennächten, von den Angstzuständen. Suchte keine Ausreden mehr und fühlte mich nach meinem Outing viel leichter.

Da stand ich nun. Ein Auto, ein Job in Bad Honnef und meine Angst. Aber zum Glück war eine gute Freundin dabei und mein Chef ein verdammt cooler Typ. Ich erzählte Ihnen von meinen Höllennächten, von den Angstzuständen. Suchte keine Ausreden mehr und fühlte mich nach meinem Outing viel leichter. Mein ehrlicher Umgang damit wurde sehr geschätzt, weder heruntergespielt noch blöd aufgenommen. Was sich wirklich gut angefühlt hat. Gleichzeitig fiel dieser Druck von meinen Schultern.

Kurz in mich gekehrt, schnappte ich mir den Autoschlüssel von meiner Freundin und saß plötzlich hinterm Steuer. Sofort schossen Gedanken in meinem Kopf: “Jetzt bist du aber übermütig, Marisa, lass das lieber! Du musst niemanden etwas beweisen, nochmal so ’ne Fahrt überstehst du nicht.”

Mit diesen Gedanken setzte das Zittern ein, meine Brust wurde eng und auf meinem T-Shirt bildeten sich erste Schweißflecken. Trotzdem fuhr ich los. Selbst total überrascht von mir. Vor nicht allzu langer Zeit ist aus der Angst eine Panikattacke geworden. Diese ekeligen Symptome haben mich jedes Mal erstarren lassen!

Klar, kamen diese Erinnerungen, hinter dem Steuer, wieder hoch. Klar war die Angst, die enge Brust und Co. immer noch ekelhaft und anstrengend! Aber sie hat mich nicht mehr erstarren lassen.

Klar, kamen diese Erinnerungen, hinter dem Steuer, wieder hoch. Klar war die Angst, die enge Brust und Co. immer noch ekelhaft und anstrengend! Aber sie hat mich nicht mehr erstarren lassen.

Ich glaube, dass es dafür wichtig war, darüber zu sprechen, was mir passiert ist und eine mir vertraute Person bei mir zu haben. Ich habe die Angst da sein lassen und sie mitgenommen, statt sie zu unterdrücken. Habe in meine Fähigkeiten und mein Umfeld vertraut. Und keine 5 Minuten später war ich auf der Autobahn.

Skeptisch, ganz achtsam auf jegliche Veränderung meines Körpers konzentriert, wie eine geduckte Katze in einer neuen Umgebung. Aber es passiert nichts! Ich fuhr. Einfach so mit entspannten 100 km/h über die Autobahn. Umso weiter ich fuhr, desto mehr entspannte sich meine Brust. Teilweise war ich so geflasht, dass ich gar nicht glauben konnte, dass ich wirklich das Auto fuhr!

Das Schlimmste und das Beste, was mir jemals passiert ist

Für die von euch, die noch nie Panikattacken und deren Auswirkungen aufs tägliche Leben hatten, ist das hier gerade sicher schwer nachzuvollziehen. Für all die, die es leider auch erleben mussten oder immer noch erleben, sind das bestimmt bekannte Gefühle, Gedanken und Situationen.

Diese Autobahnfahrt steht für so viel mehr: Vor allem für meine innere Arbeit, Entwicklung, großen Kampf, viele Tränen und Erschöpfung. Für meine innere Heilung, die mich irgendwie an Wunder glauben lässt.

Ich bin meinem Körper ganz schön dankbar: Dafür, dass er mir damals – wenn auch auf brutale und eklige Art und Weise – gezeigt hat, dass ich anfangen muss, mein Leben von Grund auf zu verändern!

Ich bin meinem Körper ganz schön dankbar: Dafür, dass er mir damals – wenn auch auf brutale und eklige Art und Weise – gezeigt hat, dass ich anfangen muss, mein Leben von Grund auf zu verändern!

Durch das Burnout, die Angststörung und den darauffolgenden Klinikaufenthalt konnte ich wieder eine Beziehung zu meiner Mutter aufbauen, ein Bewusstsein für meinen Körper entwickeln, habe gelernt, Grenzen zu setzen und habe mich endlich, mit 31, getraut, eine Ausbildung zu machen, das Schreiben und andere Hobbies entdeckt.

Mein Totalausfall war das Schwerste, was ich bewusst erlebt habe. Und trotzdem war’s auch das Beste was mir passieren konnte! Mein wichtigstes Learning: Mach kaputt, was dich kaputt macht! Ob den Job, Beziehungen, den Wohnort oder was auch immer dir nicht guttut.

Breathe, Peace and Love,

Eure Marisa

Psychologische Anlaufstellen: Unter www.therapie.de findest du freie Psychotherapieplätze in deiner Nähe. Freunde fürs Leben e.V. bietet neben ganz vielen Informationen zu  Depressionen  auch solche zu Hilfsangeboten. Unter 0800-1110111 erreichst du jederzeit die Telefonseelsorge, wenn du dringender Hilfe brauchst und unter 116-111 das Kinder- und Jugendtelefon. Du bist nicht allein! <3

Headerfoto: John Diez (Kategorie-Button hinzugefügt. ) Danke dafür!

Marisa ist 32 und aus Köln. Sie schreibt über mentale Gesundheit, das Leben und Veränderungen in unserer verrückten Zeit.

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