Auf Euphorie folgt Enttäuschung
Insgeheim hoffte ich, du würdest einfach nur schreiben, dass du dich auf unser Treffen freust, es kaum erwarten kannst, mich zu sehen, und dass du meine Unsicherheit spüren und diese beschwichtigen würdest.
Aber deine Antwort war ein Schlag in Gesicht und Magen zugleich: „Unser Sexleben ist erfüllt und wir haben unseren Spaß.“ Bäm. Das war es. UNSER. EUER. Je nachdem, aus welcher Perspektive man das liest.
Deine Ergänzung, dass das, was zwischen dir und mir wäre, nur dich und mich etwas anginge, und dass du respektieren würdest, würde ich mich mit einem Treffen unwohl fühlen, war nur noch Nebensache. Mir war einfach nur noch schlecht. Als hättest du mir soeben in die Magengegend getreten und mir dabei eine schallende Ohrfeige verpasst.
Was in den nächsten Stunden bei der Arbeit passierte, ich kann es nicht sagen, ich war wie im Tunnel und habe kaum etwas um mich herum wahrgenommen.
Ich war so angewidert – von dieser Situation, von mir, von dir. Ich war so geschockt, genau das lesen zu müssen, dass ich gar nicht richtig wahrgenommen habe, wie ich unseren Chat und somit einzige Kontaktmöglichkeit sofort gelöscht habe. Was in den nächsten Stunden bei der Arbeit passierte, ich kann es nicht sagen, ich war wie im Tunnel und habe kaum etwas um mich herum wahrgenommen.
Irgendwie habe ich die letzten 24 Stunden überstanden und auch diesmal hilft mir, alles aufzuschreiben. Und weißt du, was mich am meisten tröstet, beruhigt, wie auch immer du es nennen möchtest??? Dass du weißt, dass du mich mit dieser Antwort schwer getroffen hast! Ich bin mir 100 Prozent sicher, dass du diese Antwort bereust.
Ich bin mir sicher, dass dir bewusst ist, was diese Worte in mir angerichtet haben.
Zwar bist du deinem Prinzip Ehrlichkeit, und vermutlich eurer Regel, niemals nie jemandem hinterherzulaufen, treu geblieben und wirst es vermutlich auch bleiben. Aber ich bin mir sicher, dass dir bewusst ist, was diese Worte in mir angerichtet haben. Dass ich den Chat nur Sekunden nach deinen Worten kommentarlos gelöscht habe, dürfte Antwort genug sein.
Kein Kontakt – endgültig
Du hast keine Möglichkeit, mich zu kontaktieren, denn – man muss nicht studiert haben, um das zu durchschauen –, eine eurer Regeln ist es, mit den Dates außerhalb eurer Beziehung nur über Tinder zu kommunizieren. Andernfalls wären wir sicher schon längst auf ein anderes Kommunikationsmittel umgestiegen, und sei es auf E-Mail, um nicht deine Nummer herausgeben zu müssen.
Dennoch weiß ich, dass du dich fragst, wie es mir geht und was du wohl damit angerichtet hast. Denn mit diesen Worten hast du unsere Regel gebrochen: keine Informationen über „das Heimische“. Und „euer“ Sexleben steht ab sofort zwischen uns.
Ich bin mir sicher, dass du jeden einzelnen Tag an mich denkst, und dass ich nochmal von dir höre.
Ich bin mir sicher, dass du jeden einzelnen Tag an mich denkst, und dass ich nochmal von dir höre. Denn deine Nachrichten letzte Woche haben eindeutig gezeigt, dass du bei mir etwas findest, was du innerhalb deiner Beziehung nicht findest. Ich reize dich zu sehr, als dass du mich nicht wiedersehen und das Geschriebene nicht noch umsetzen wolltest. Und ich weiß, dass du dich fragst, ob DU MICH jemals wiedersehen würdest, nach dieser Antwort. Und ich muss gestehen: ein wenig Genugtuung ist das.
Als ich dich bei unserem ersten Treffen fragte, warum man eine offene Beziehung führt, sagtest du, dass ihr beide der Meinung seid, man gehöre dem Anderen nicht. Natürlich nicht. Wenn ich eine Beziehung führe, gehöre ich dem Anderen selbstverständlich nicht, er mir genauso wenig.
Meinen Partner Sex mit einer anderen Person erlauben? Wenn es so weit ist, stimmt meines persönlichen Erachtens etwas in der Beziehung nicht.
Er möchte x-mal die Woche zum Sport und seine Freunde treffen? Ja bitte, have fun! Aber meinem Partner Sex mit einer anderen Person erlauben? Wenn es so weit ist, stimmt meines Erachtens etwas in der Beziehung nicht.
All‘ diese offenen Beziehungen, die geführt werden, weil der/die Eine der/dem Anderen nicht „gehört“, weil man glaubt, der Mensch sei „ethically not monogamous“ oder weil man „viel besser kommuniziert und das Vertrauen dadurch soooo viel tiefer ist“ – I don’t feel it!
Ich glaube, dass sich diese Paare selbst belügen, denn wenn eine offene Beziehung durch eben diese Kommunikation ach so toll ist: Warum suchst man dann etwas außerhalb dieser Beziehung? Sollte ich dann nicht alle meine Bedürfnisse äußern können? Und wenn diese Bedürfnisse in dieser Beziehung nicht erfüllt werden – bin ich dann nicht irgendwie unzufrieden mit genau dieser Beziehung? Will ich dann nicht eigentlich etwas Anderes?
Übertragen auf uns: Wenn unser Chat dich einfach nicht losgelassen hat und du es so ganz und gar nicht erwarten konntest, mich wiederzusehen, wenn gleichwohl das, was zwischen uns passiert, nur dich und mich etwas angeht und wohl keinerlei Erwähnung in deiner Beziehung findet – belügst du die Person, mit der du durchs Leben gehst, damit nicht?
Kannst du in deiner offenen Beziehung all‘ das offen sagen, was du mir gegenüber nur schwer äußern konntest aber mittlerweile sogar genießt, offen sagen zu können?
Wenn du in unseren Nachrichten letzte Woche Worte benutzt hast, die du dich bis dahin nicht getraut hast zu verwenden, und auch noch sagst, dass du die Scham mittlerweile abgelegt hast – betrügst du damit nicht? Dich und deine erfüllte offene Beziehung? Kannst du dort all‘ das offen sagen, was du mir gegenüber nur schwer äußern konntest aber mittlerweile sogar genießt, offen sagen zu können?
Schluss mit allem hier!
Die letzten sechs Tage hast du meinen Alltag bestimmt. Egal, was ich unternommen oder getan habe, gedanklich war ich immer wieder bei dir. Insbesondere der Freitag vorgestern war der Tag, an dem ich immer wieder durchging, wie es wohl wäre, würden wir uns abends sehen.
Immer wieder habe ich daran gedacht, wie ich mich jetzt eigentlich für dich fertig gemacht, mich auf unser Treffen vorbereitet hätte. Ich hätte dich nach 10 Wochen wiedergesehen und vermutlich hätten wir einen berauschenden Abend verbracht – inklusive „Gefühls-Kater“ am nächsten Tag.
Schluss damit! Ich merke, wie du mir dieses Gedankenkarussell so viel Energie raubt, und ich einfach Zeit verschwende.
Aber weißt du was? Schluss damit! Ich merke, wie du mir dieses Gedankenkarussell so viel Energie raubt, und ich einfach Zeit verschwende. Zeit damit, mir etwas zu wünschen, was ich niemals bekommen werde. Ich verschwende Zeit mit jemandem, der sagt, dass er mich respektiert – und es dann nicht tut.
Sonst hättest du mich a) nicht nochmal und nochmal und nochmal geliked und mir so zu verstehen gegeben, dass du an mich denkst und mich wiedersehen möchtest, und b) hättest du niemals nie geschrieben, was du geschrieben hast – auch wenn dir vermutlich erst danach klar geworden ist, was du angerichtet hast.
Schluss mit dieser Geschichte, Schluss mit dir, Schluss mit allem hier!
Ich verschwendete in den letzten Tag Zeit damit, mir zu überlegen, auf welchem Wege du ggf. Kontakt aufnehmen könntest, würde es dir wirklich keine Ruhe lassen, wie es mir nach dem Gesagten geht. Aber Schluss: Schluss mit diesem Hin und Her, Schluss mit Hoffnungen, Schluss mit dieser Geschichte, Schluss mit dir, Schluss mit allem hier!
Denn ich erinnere mich, wie schwindelig mir in Karussells wird, die sich um die eigene Achse drehen – und aus Erfahrung klug geworden, fahre ich diese ja schließlich auch nicht mehr.
Headerfoto: Polina Kovaleva (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!